erwekt in die Länge Ekel, und macht Ermüdung. Man würde abgeschmakt werden, wenn man allezeit in Tropen reden wollte.
Braucht man die Tropen in der zweyten Absicht, so hat man sich vornehmlich vor der Weichlichkeit und der Ueppigkeit in ihrem Gebrauch, die im Grunde eine blos kindische Ziererey ist, in Acht zu nehmen. Alles gerade zu zusagen, ist freylich oft grob, oft anstößig und manchmal beleidigend: aber auch im- mer verblümt zu seyn, alles zu schmüken, oder zu beräuchern, ist vielleicht noch wiedriger. Wenig- stens können männliche, freye Seelen eher die er- stere, als diese Ausschweifung vertragen. Es giebt Leute, die so übertrieben zärtlich sind, daß sie bald gar nichts mehr mit ihrem Namen nennen dürfen, kleinmüthige, kindische, aller Nerven beraubte See- len, die überall etwas finden, das ihnen Scheuh macht, Sybariten des Geschmaks. Solche Seelen verräth ein ausschweifender Gebrauch schonender Tropen.
Auch in der dritten Absicht muß man sich vor der Unmäßigkeit hüten, welche hier allzugroße Hef- tigkeit verräth, so wie die vorhergehende zu viel Weichlichkeit anzeiget. So wie ein Mensch, der nichts ohne Fechten mit Händen und Füßen sagen kann und die Erzählung der gleichgültigsten Din- gen mit den seltsamsten Verdrähungen begleitet, ab- geschmakt wird, so wird es auch der, welcher be- ständig in verstärkenden Tropen spricht, und zum Theil auch der, welcher ohne überhäufte Menge derselben, sie übertreibt. Man muß hier die besondere Absicht in welcher man spricht, oder schreibt, genau vor Augen haben, und die Lage, nebst dem Charakter der Personen, für welche man schreibt, damit man die allein untadelhafte Mittel- straße zu wählen im Stande sey.
Auch in der vierten Absicht kann der Gebrauch der Tropen gar sehr übertrieben werden. Dieses scheinet besonders seit einigen Jahren in Deutsch- land aufzukommen, wo zu befürchten ist, daß man, wie ehedem in Griechenland und Rom, auf den aus- schweiffenden sophistischen und rhetorischen Geschmak des Schönschreibens verfalle, ohne zuvor, wie bey jenen Völkern geschehen, jemals die schöne Einfalt der Natur erreicht zu haben. Man kann von ge- wissen Gegenden Deutschlands bald keine deutsche Schrift von Geschmak lesen, wo nicht die Tropen, die am sparsamsten, als feine Würze sollten ge- [Spaltenumbruch]
Tro
braucht werden, in der größten Verschwendung vorkommen. Jnsonderheit scheinet man sich in die- jenige verliebt zu haben, die von den zeichnenden Künsten hergenommen werden. Man hört von nichts als von der Grazie, dem Contour, dem Colorit, dem schönen Jdeal u. d. gl.
Man muß also nicht nur überhaupt im Gebrauch der Tropen sich zu mäßigen wissen, sondern auch in der Wahl derselben alles Affektirte, alle Ueppigkeit und asiatische Zärtlichkeit vermeiden. Die griechi- schen Grammatiker haben mit einer übertriebenen Genauigkeit die Gattungen der Tropen aus einan- der gesezt. Nur die vornehmsten Arten machen eine Liste von Namen, die dem guten Geschmak Gefahr drohen. Wir überlassen jedem Liebhaber, die hie- von Unterricht haben wollen, die Mühe sie bey je- nen Schriftstellern nachzusuchen. Was von beson- dern Tropen uns anmerkungswürdig geschienen, ist unter folgenden Artikeln zu finden: Allegorie, Me- tapher, Spott, Hyperbel, Umschreibung oder Periphrasis.
Tropfen. (Baukunst.)
Sind kleine Zierrathen an dem Unterbalken der dorischen Ordnung. Nämlich unter jeden Drey- schliz kommen sechs solche Tropfen in Form abge- stuzter Kegel, und in eben dieser Ordnung werden sie auch an dem Kinne der Kranzleiste augebracht. (*) Es ist blos aus Neigung zum Gewöhnlichen, daß man sie in der Baukunst beybehalten hat, wo sie eben nichts zur Schönheit beytragen. Einige hal- ten sie für Vorstellungen der Tropfen von Pech oder Wachs, welches die alten Baumeister auf die Drey- schlize (die ursprünglich Balkenköpfe waren,) gekle- bet, um sie vor dem Eindringen der Nässe zu be- wahren; andre halten sie für Köpfe der Zapfen, wodurch die Queerbalken an die Unterbalken befe- stiget worden. Gegenwärtig sind sie in der That nichtsbedeutende Zierrathen, die ein Baumeister ohne Schaden des guten Geschmaks weglassen könnte.
Tropheen. (Baukunst.)
Ursprünglich waren sie von eroberten Waffen zu- sammengesezte Deukmäler, die an dem Orte des Sieges gesezt wurden. Zur Nachahmung dersel-
ben
(*) S. Kranzleiste.
[Spaltenumbruch]
Tro
erwekt in die Laͤnge Ekel, und macht Ermuͤdung. Man wuͤrde abgeſchmakt werden, wenn man allezeit in Tropen reden wollte.
Braucht man die Tropen in der zweyten Abſicht, ſo hat man ſich vornehmlich vor der Weichlichkeit und der Ueppigkeit in ihrem Gebrauch, die im Grunde eine blos kindiſche Ziererey iſt, in Acht zu nehmen. Alles gerade zu zuſagen, iſt freylich oft grob, oft anſtoͤßig und manchmal beleidigend: aber auch im- mer verbluͤmt zu ſeyn, alles zu ſchmuͤken, oder zu beraͤuchern, iſt vielleicht noch wiedriger. Wenig- ſtens koͤnnen maͤnnliche, freye Seelen eher die er- ſtere, als dieſe Ausſchweifung vertragen. Es giebt Leute, die ſo uͤbertrieben zaͤrtlich ſind, daß ſie bald gar nichts mehr mit ihrem Namen nennen duͤrfen, kleinmuͤthige, kindiſche, aller Nerven beraubte See- len, die uͤberall etwas finden, das ihnen Scheuh macht, Sybariten des Geſchmaks. Solche Seelen verraͤth ein ausſchweifender Gebrauch ſchonender Tropen.
Auch in der dritten Abſicht muß man ſich vor der Unmaͤßigkeit huͤten, welche hier allzugroße Hef- tigkeit verraͤth, ſo wie die vorhergehende zu viel Weichlichkeit anzeiget. So wie ein Menſch, der nichts ohne Fechten mit Haͤnden und Fuͤßen ſagen kann und die Erzaͤhlung der gleichguͤltigſten Din- gen mit den ſeltſamſten Verdraͤhungen begleitet, ab- geſchmakt wird, ſo wird es auch der, welcher be- ſtaͤndig in verſtaͤrkenden Tropen ſpricht, und zum Theil auch der, welcher ohne uͤberhaͤufte Menge derſelben, ſie uͤbertreibt. Man muß hier die beſondere Abſicht in welcher man ſpricht, oder ſchreibt, genau vor Augen haben, und die Lage, nebſt dem Charakter der Perſonen, fuͤr welche man ſchreibt, damit man die allein untadelhafte Mittel- ſtraße zu waͤhlen im Stande ſey.
Auch in der vierten Abſicht kann der Gebrauch der Tropen gar ſehr uͤbertrieben werden. Dieſes ſcheinet beſonders ſeit einigen Jahren in Deutſch- land aufzukommen, wo zu befuͤrchten iſt, daß man, wie ehedem in Griechenland und Rom, auf den aus- ſchweiffenden ſophiſtiſchen und rhetoriſchen Geſchmak des Schoͤnſchreibens verfalle, ohne zuvor, wie bey jenen Voͤlkern geſchehen, jemals die ſchoͤne Einfalt der Natur erreicht zu haben. Man kann von ge- wiſſen Gegenden Deutſchlands bald keine deutſche Schrift von Geſchmak leſen, wo nicht die Tropen, die am ſparſamſten, als feine Wuͤrze ſollten ge- [Spaltenumbruch]
Tro
braucht werden, in der groͤßten Verſchwendung vorkommen. Jnſonderheit ſcheinet man ſich in die- jenige verliebt zu haben, die von den zeichnenden Kuͤnſten hergenommen werden. Man hoͤrt von nichts als von der Grazie, dem Contour, dem Colorit, dem ſchoͤnen Jdeal u. d. gl.
Man muß alſo nicht nur uͤberhaupt im Gebrauch der Tropen ſich zu maͤßigen wiſſen, ſondern auch in der Wahl derſelben alles Affektirte, alle Ueppigkeit und aſiatiſche Zaͤrtlichkeit vermeiden. Die griechi- ſchen Grammatiker haben mit einer uͤbertriebenen Genauigkeit die Gattungen der Tropen aus einan- der geſezt. Nur die vornehmſten Arten machen eine Liſte von Namen, die dem guten Geſchmak Gefahr drohen. Wir uͤberlaſſen jedem Liebhaber, die hie- von Unterricht haben wollen, die Muͤhe ſie bey je- nen Schriftſtellern nachzuſuchen. Was von beſon- dern Tropen uns anmerkungswuͤrdig geſchienen, iſt unter folgenden Artikeln zu finden: Allegorie, Me- tapher, Spott, Hyperbel, Umſchreibung oder Periphraſis.
Tropfen. (Baukunſt.)
Sind kleine Zierrathen an dem Unterbalken der doriſchen Ordnung. Naͤmlich unter jeden Drey- ſchliz kommen ſechs ſolche Tropfen in Form abge- ſtuzter Kegel, und in eben dieſer Ordnung werden ſie auch an dem Kinne der Kranzleiſte augebracht. (*) Es iſt blos aus Neigung zum Gewoͤhnlichen, daß man ſie in der Baukunſt beybehalten hat, wo ſie eben nichts zur Schoͤnheit beytragen. Einige hal- ten ſie fuͤr Vorſtellungen der Tropfen von Pech oder Wachs, welches die alten Baumeiſter auf die Drey- ſchlize (die urſpruͤnglich Balkenkoͤpfe waren,) gekle- bet, um ſie vor dem Eindringen der Naͤſſe zu be- wahren; andre halten ſie fuͤr Koͤpfe der Zapfen, wodurch die Queerbalken an die Unterbalken befe- ſtiget worden. Gegenwaͤrtig ſind ſie in der That nichtsbedeutende Zierrathen, die ein Baumeiſter ohne Schaden des guten Geſchmaks weglaſſen koͤnnte.
Tropheen. (Baukunſt.)
Urſpruͤnglich waren ſie von eroberten Waffen zu- ſammengeſezte Deukmaͤler, die an dem Orte des Sieges geſezt wurden. Zur Nachahmung derſel-
ben
(*) S. Kranzleiſte.
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[1186[1168]/0615]
Tro
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erwekt in die Laͤnge Ekel, und macht Ermuͤdung.
Man wuͤrde abgeſchmakt werden, wenn man allezeit
in Tropen reden wollte.
Braucht man die Tropen in der zweyten Abſicht,
ſo hat man ſich vornehmlich vor der Weichlichkeit und
der Ueppigkeit in ihrem Gebrauch, die im Grunde
eine blos kindiſche Ziererey iſt, in Acht zu nehmen.
Alles gerade zu zuſagen, iſt freylich oft grob, oft
anſtoͤßig und manchmal beleidigend: aber auch im-
mer verbluͤmt zu ſeyn, alles zu ſchmuͤken, oder zu
beraͤuchern, iſt vielleicht noch wiedriger. Wenig-
ſtens koͤnnen maͤnnliche, freye Seelen eher die er-
ſtere, als dieſe Ausſchweifung vertragen. Es giebt
Leute, die ſo uͤbertrieben zaͤrtlich ſind, daß ſie bald
gar nichts mehr mit ihrem Namen nennen duͤrfen,
kleinmuͤthige, kindiſche, aller Nerven beraubte See-
len, die uͤberall etwas finden, das ihnen Scheuh
macht, Sybariten des Geſchmaks. Solche Seelen
verraͤth ein ausſchweifender Gebrauch ſchonender
Tropen.
Auch in der dritten Abſicht muß man ſich vor
der Unmaͤßigkeit huͤten, welche hier allzugroße Hef-
tigkeit verraͤth, ſo wie die vorhergehende zu viel
Weichlichkeit anzeiget. So wie ein Menſch, der
nichts ohne Fechten mit Haͤnden und Fuͤßen ſagen
kann und die Erzaͤhlung der gleichguͤltigſten Din-
gen mit den ſeltſamſten Verdraͤhungen begleitet, ab-
geſchmakt wird, ſo wird es auch der, welcher be-
ſtaͤndig in verſtaͤrkenden Tropen ſpricht, und zum
Theil auch der, welcher ohne uͤberhaͤufte Menge
derſelben, ſie uͤbertreibt. Man muß hier die
beſondere Abſicht in welcher man ſpricht, oder
ſchreibt, genau vor Augen haben, und die Lage,
nebſt dem Charakter der Perſonen, fuͤr welche man
ſchreibt, damit man die allein untadelhafte Mittel-
ſtraße zu waͤhlen im Stande ſey.
Auch in der vierten Abſicht kann der Gebrauch
der Tropen gar ſehr uͤbertrieben werden. Dieſes
ſcheinet beſonders ſeit einigen Jahren in Deutſch-
land aufzukommen, wo zu befuͤrchten iſt, daß man,
wie ehedem in Griechenland und Rom, auf den aus-
ſchweiffenden ſophiſtiſchen und rhetoriſchen Geſchmak
des Schoͤnſchreibens verfalle, ohne zuvor, wie bey
jenen Voͤlkern geſchehen, jemals die ſchoͤne Einfalt
der Natur erreicht zu haben. Man kann von ge-
wiſſen Gegenden Deutſchlands bald keine deutſche
Schrift von Geſchmak leſen, wo nicht die Tropen,
die am ſparſamſten, als feine Wuͤrze ſollten ge-
braucht werden, in der groͤßten Verſchwendung
vorkommen. Jnſonderheit ſcheinet man ſich in die-
jenige verliebt zu haben, die von den zeichnenden
Kuͤnſten hergenommen werden. Man hoͤrt von nichts
als von der Grazie, dem Contour, dem Colorit,
dem ſchoͤnen Jdeal u. d. gl.
Man muß alſo nicht nur uͤberhaupt im Gebrauch
der Tropen ſich zu maͤßigen wiſſen, ſondern auch in
der Wahl derſelben alles Affektirte, alle Ueppigkeit
und aſiatiſche Zaͤrtlichkeit vermeiden. Die griechi-
ſchen Grammatiker haben mit einer uͤbertriebenen
Genauigkeit die Gattungen der Tropen aus einan-
der geſezt. Nur die vornehmſten Arten machen eine
Liſte von Namen, die dem guten Geſchmak Gefahr
drohen. Wir uͤberlaſſen jedem Liebhaber, die hie-
von Unterricht haben wollen, die Muͤhe ſie bey je-
nen Schriftſtellern nachzuſuchen. Was von beſon-
dern Tropen uns anmerkungswuͤrdig geſchienen, iſt
unter folgenden Artikeln zu finden: Allegorie, Me-
tapher, Spott, Hyperbel, Umſchreibung oder
Periphraſis.
Tropfen.
(Baukunſt.)
Sind kleine Zierrathen an dem Unterbalken der
doriſchen Ordnung. Naͤmlich unter jeden Drey-
ſchliz kommen ſechs ſolche Tropfen in Form abge-
ſtuzter Kegel, und in eben dieſer Ordnung werden
ſie auch an dem Kinne der Kranzleiſte augebracht. (*)
Es iſt blos aus Neigung zum Gewoͤhnlichen, daß
man ſie in der Baukunſt beybehalten hat, wo ſie
eben nichts zur Schoͤnheit beytragen. Einige hal-
ten ſie fuͤr Vorſtellungen der Tropfen von Pech oder
Wachs, welches die alten Baumeiſter auf die Drey-
ſchlize (die urſpruͤnglich Balkenkoͤpfe waren,) gekle-
bet, um ſie vor dem Eindringen der Naͤſſe zu be-
wahren; andre halten ſie fuͤr Koͤpfe der Zapfen,
wodurch die Queerbalken an die Unterbalken befe-
ſtiget worden. Gegenwaͤrtig ſind ſie in der That
nichtsbedeutende Zierrathen, die ein Baumeiſter ohne
Schaden des guten Geſchmaks weglaſſen koͤnnte.
Tropheen.
(Baukunſt.)
Urſpruͤnglich waren ſie von eroberten Waffen zu-
ſammengeſezte Deukmaͤler, die an dem Orte des
Sieges geſezt wurden. Zur Nachahmung derſel-
ben
(*) S.
Kranzleiſte.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1186[1168]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/615>, abgerufen am 24.11.2024.
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