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Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.

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Zweytes Buch.
Man schläget Jhn mit einem Rohr,
Ach Holz von dem verbotnen Baume,
Das uns das Ebenbild verlohr;
Sein Antlitz trieft von Geifer-Schaume,
Das ist der alten Schlange Gift,
Jndem es ihren Schedel trifft,
Sie fühlt des Menschen Sohnes Treten,
Und dennoch hat die höchste Macht
Sie auch zugleich dahin gebracht,
Desselben Fersen anzubeten.
Ach! sehet! welch ein Mensch ist das!
Und was erhebt sich vor Getümmel?
Man ruft, man schickt ohn Unterlaß
Ein ganz verwirrt Geschrey zum Himmel;
Was muß die Ursach dessen seyn?
Wie? hör ich nicht den Haufen schreyn:
Auf! laßt ihn tödten! er muß sterben!
Was aber hat er denn gethan?
Fort! fort! mit ihm ans Kreuz hinan!
Sein Blut treff uns und unsre Erben.
So wird der frömmste Mensch erwählt,
Am grünen Holze zu erblassen,
Doch Barrabas wird losgezählt,
Den Mörder will man leben lassen,
Jch bringe den Gerechten um;
Jedoch sein Evangelium *
Sein
* Es ist zwar hier ein Fehler in dem Reime, allein um
die Gedanken beyzubehalten, hat man es nicht ändern
wollen, da der Reim bey der Poesie ohnedem das we-
nigste ausmacht.
Zweytes Buch.
Man ſchlaͤget Jhn mit einem Rohr,
Ach Holz von dem verbotnen Baume,
Das uns das Ebenbild verlohr;
Sein Antlitz trieft von Geifer-Schaume,
Das iſt der alten Schlange Gift,
Jndem es ihren Schedel trifft,
Sie fuͤhlt des Menſchen Sohnes Treten,
Und dennoch hat die hoͤchſte Macht
Sie auch zugleich dahin gebracht,
Deſſelben Ferſen anzubeten.
Ach! ſehet! welch ein Menſch iſt das!
Und was erhebt ſich vor Getuͤmmel?
Man ruft, man ſchickt ohn Unterlaß
Ein ganz verwirrt Geſchrey zum Himmel;
Was muß die Urſach deſſen ſeyn?
Wie? hoͤr ich nicht den Haufen ſchreyn:
Auf! laßt ihn toͤdten! er muß ſterben!
Was aber hat er denn gethan?
Fort! fort! mit ihm ans Kreuz hinan!
Sein Blut treff uns und unſre Erben.
So wird der froͤmmſte Menſch erwaͤhlt,
Am gruͤnen Holze zu erblaſſen,
Doch Barrabas wird losgezaͤhlt,
Den Moͤrder will man leben laſſen,
Jch bringe den Gerechten um;
Jedoch ſein Evangelium *
Sein
* Es iſt zwar hier ein Fehler in dem Reime, allein um
die Gedanken beyzubehalten, hat man es nicht aͤndern
wollen, da der Reim bey der Poeſie ohnedem das we-
nigſte ausmacht.
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[90/0110] Zweytes Buch. Man ſchlaͤget Jhn mit einem Rohr, Ach Holz von dem verbotnen Baume, Das uns das Ebenbild verlohr; Sein Antlitz trieft von Geifer-Schaume, Das iſt der alten Schlange Gift, Jndem es ihren Schedel trifft, Sie fuͤhlt des Menſchen Sohnes Treten, Und dennoch hat die hoͤchſte Macht Sie auch zugleich dahin gebracht, Deſſelben Ferſen anzubeten. Ach! ſehet! welch ein Menſch iſt das! Und was erhebt ſich vor Getuͤmmel? Man ruft, man ſchickt ohn Unterlaß Ein ganz verwirrt Geſchrey zum Himmel; Was muß die Urſach deſſen ſeyn? Wie? hoͤr ich nicht den Haufen ſchreyn: Auf! laßt ihn toͤdten! er muß ſterben! Was aber hat er denn gethan? Fort! fort! mit ihm ans Kreuz hinan! Sein Blut treff uns und unſre Erben. So wird der froͤmmſte Menſch erwaͤhlt, Am gruͤnen Holze zu erblaſſen, Doch Barrabas wird losgezaͤhlt, Den Moͤrder will man leben laſſen, Jch bringe den Gerechten um; Jedoch ſein Evangelium * Sein * Es iſt zwar hier ein Fehler in dem Reime, allein um die Gedanken beyzubehalten, hat man es nicht aͤndern wollen, da der Reim bey der Poeſie ohnedem das we- nigſte ausmacht.

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Zitationshilfe: Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/110>, abgerufen am 23.11.2024.