276. Was die Unschuld sey, und wie sie beschaf- fen, das wissen wenige in der Welt, und die, so im Bösen sind, wissen es ganz und gar nicht; sie erscheinet zwar vor unsern Augen, und dieses aus dem Angesicht, aus der Sprache, und aus den Geberden, vornehmlich der Kinder, dennoch aber weis man nicht, was sie eigentlich sey, vielwe- niger, daß sie es sey, worein sich der Himmel bey dem Menschen einverleibet: damit man es nun wissen möge, so will ich nach der Ordnung gehen, und erst- lich von der Unschuld der Kindheit, hernach von der Unschuld der Weisheit, und endlich vom Zustand des Himmels in Ansehung der Unschuld, reden.
277. Die Unschuld der Kindheit oder der klei- nen Kinder ist keine ächte Unschuld, denn sie ist nur in der äussern, aber nicht in der innern Ge- stalt, dennoch aber kann man von ihr lernen, wie die Unschuld beschaffen sey, denn sie leuchtet aus ihren Angesichte, aus einigen von ihren Geberden, und aus ihrer ersten Sprache, und giebt zu er- kennen, daß sie nemlich kein inneres Denken ha- ben, denn sie wissen nicht, was das Gute und Böse, und das Wahre und Falsche sey, aus de- nen das Denken kommt; daher haben sie noch keine Klugheit, keinen Vorsatz, noch Ueberlegung aus dem Eigenen, also keine Absicht zum Bösen;
sie
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Vom Himmel.
Vom Zuſtand der Unſchuld der Engel im Himmel.
276. Was die Unſchuld ſey, und wie ſie beſchaf- fen, das wiſſen wenige in der Welt, und die, ſo im Boͤſen ſind, wiſſen es ganz und gar nicht; ſie erſcheinet zwar vor unſern Augen, und dieſes aus dem Angeſicht, aus der Sprache, und aus den Geberden, vornehmlich der Kinder, dennoch aber weis man nicht, was ſie eigentlich ſey, vielwe- niger, daß ſie es ſey, worein ſich der Himmel bey dem Menſchen einverleibet: damit man es nun wiſſen moͤge, ſo will ich nach der Ordnung gehen, und erſt- lich von der Unſchuld der Kindheit, hernach von der Unſchuld der Weisheit, und endlich vom Zuſtand des Himmels in Anſehung der Unſchuld, reden.
277. Die Unſchuld der Kindheit oder der klei- nen Kinder iſt keine aͤchte Unſchuld, denn ſie iſt nur in der aͤuſſern, aber nicht in der innern Ge- ſtalt, dennoch aber kann man von ihr lernen, wie die Unſchuld beſchaffen ſey, denn ſie leuchtet aus ihren Angeſichte, aus einigen von ihren Geberden, und aus ihrer erſten Sprache, und giebt zu er- kennen, daß ſie nemlich kein inneres Denken ha- ben, denn ſie wiſſen nicht, was das Gute und Boͤſe, und das Wahre und Falſche ſey, aus de- nen das Denken kommt; daher haben ſie noch keine Klugheit, keinen Vorſatz, noch Ueberlegung aus dem Eigenen, alſo keine Abſicht zum Boͤſen;
ſie
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Vom Himmel.
Vom Zuſtand der Unſchuld der
Engel im Himmel.
276. Was die Unſchuld ſey, und wie ſie beſchaf-
fen, das wiſſen wenige in der Welt, und die,
ſo im Boͤſen ſind, wiſſen es ganz und gar nicht;
ſie erſcheinet zwar vor unſern Augen, und dieſes
aus dem Angeſicht, aus der Sprache, und aus
den Geberden, vornehmlich der Kinder, dennoch
aber weis man nicht, was ſie eigentlich ſey, vielwe-
niger, daß ſie es ſey, worein ſich der Himmel bey dem
Menſchen einverleibet: damit man es nun wiſſen
moͤge, ſo will ich nach der Ordnung gehen, und erſt-
lich von der Unſchuld der Kindheit, hernach von der
Unſchuld der Weisheit, und endlich vom Zuſtand
des Himmels in Anſehung der Unſchuld, reden.
277. Die Unſchuld der Kindheit oder der klei-
nen Kinder iſt keine aͤchte Unſchuld, denn ſie iſt
nur in der aͤuſſern, aber nicht in der innern Ge-
ſtalt, dennoch aber kann man von ihr lernen, wie
die Unſchuld beſchaffen ſey, denn ſie leuchtet aus
ihren Angeſichte, aus einigen von ihren Geberden,
und aus ihrer erſten Sprache, und giebt zu er-
kennen, daß ſie nemlich kein inneres Denken ha-
ben, denn ſie wiſſen nicht, was das Gute und
Boͤſe, und das Wahre und Falſche ſey, aus de-
nen das Denken kommt; daher haben ſie noch
keine Klugheit, keinen Vorſatz, noch Ueberlegung
aus dem Eigenen, alſo keine Abſicht zum Boͤſen;
ſie
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Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1776, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften01_1776/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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