Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

öffentlich ausgestellt, worauf jährlich eine große Wallfahrt dahin angestellt wurde, die lange Jahre gedauert hat.

Die Kirche, in der dieses geschehen, ist jetzt schon seit vielen Jahren zerstört, ihren Thurm sieht man aber noch in einem Eichenwäldchen bei Wusseken.

Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 416.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chr. II. S. 79.
Pommersche Prov. Blätter II. S. 93.
78. Die Raubmönche zu Stettin.

In der Stadt Stettin war vor Zeiten ein Kloster, dessen Mönche sich viel damit abgaben, daß sie Menschen raubten. Neben dem Kloster wohnte ein Bäcker, der für das Kloster backte. Der hatte eine schöne Tochter, für welche ein vornehmer, reicher Herr den Mönchen viel Geld geboten hatte, wenn sie sie ihm verschafften. Wie nun das Mädchen eines Tages wie gewöhnlich den Mönchen das Brod an das Klostergitter brachte, lockten sie dieselbe in das Innere des Klosters, und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe, bis der vornehme Herr sie abholen würde. Kein Mensch konnte sich denken, wo das Mädchen geblieben wäre, die bei hellem Tage verschwunden war; ihre Eltern grämten sich fast todt um sie.

Um dieselbe Zeit saß in dem Gewölbe des Klosters ein Knabe gefangen, den die Mönche auch gestohlen hatten. Dem glückte es, durch die Klosterkirche zu entkommen, und da er auch das geraubte Mädchen gesehen hatte, so ging er zu dem Bäcker und zeigte ihm an, wo seine Tochter wäre. Anfangs wollte man dem Knaben nicht glauben; als er sich aber erbot, die Leute zu dem Mädchen hinzuführen, da beschloß das Gericht, dem auch Anzeige gemacht war, Nachsuchung zu halten, und sie fanden nun das arme Mädchen und befreieten sie.

öffentlich ausgestellt, worauf jährlich eine große Wallfahrt dahin angestellt wurde, die lange Jahre gedauert hat.

Die Kirche, in der dieses geschehen, ist jetzt schon seit vielen Jahren zerstört, ihren Thurm sieht man aber noch in einem Eichenwäldchen bei Wusseken.

Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 416.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chr. II. S. 79.
Pommersche Prov. Blätter II. S. 93.
78. Die Raubmönche zu Stettin.

In der Stadt Stettin war vor Zeiten ein Kloster, dessen Mönche sich viel damit abgaben, daß sie Menschen raubten. Neben dem Kloster wohnte ein Bäcker, der für das Kloster backte. Der hatte eine schöne Tochter, für welche ein vornehmer, reicher Herr den Mönchen viel Geld geboten hatte, wenn sie sie ihm verschafften. Wie nun das Mädchen eines Tages wie gewöhnlich den Mönchen das Brod an das Klostergitter brachte, lockten sie dieselbe in das Innere des Klosters, und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe, bis der vornehme Herr sie abholen würde. Kein Mensch konnte sich denken, wo das Mädchen geblieben wäre, die bei hellem Tage verschwunden war; ihre Eltern grämten sich fast todt um sie.

Um dieselbe Zeit saß in dem Gewölbe des Klosters ein Knabe gefangen, den die Mönche auch gestohlen hatten. Dem glückte es, durch die Klosterkirche zu entkommen, und da er auch das geraubte Mädchen gesehen hatte, so ging er zu dem Bäcker und zeigte ihm an, wo seine Tochter wäre. Anfangs wollte man dem Knaben nicht glauben; als er sich aber erbot, die Leute zu dem Mädchen hinzuführen, da beschloß das Gericht, dem auch Anzeige gemacht war, Nachsuchung zu halten, und sie fanden nun das arme Mädchen und befreieten sie.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="116"/>
öffentlich ausgestellt, worauf jährlich eine große Wallfahrt dahin angestellt wurde, die lange Jahre gedauert hat.</p>
          <p>Die Kirche, in der dieses geschehen, ist jetzt schon seit vielen Jahren zerstört, ihren Thurm sieht man aber noch in einem Eichenwäldchen bei Wusseken.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 416.</bibl><lb/>
            <bibl>Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chr. II. S. 79.</bibl><lb/>
            <bibl>Pommersche Prov. Blätter II. S. 93.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>78. Die Raubmönche zu Stettin.</head><lb/>
          <p>In der Stadt Stettin war vor Zeiten ein Kloster, dessen Mönche sich viel damit abgaben, daß sie Menschen raubten. Neben dem Kloster wohnte ein Bäcker, der für das Kloster backte. Der hatte eine schöne Tochter, für welche ein vornehmer, reicher Herr den Mönchen viel Geld geboten hatte, wenn sie sie ihm verschafften. Wie nun das Mädchen eines Tages wie gewöhnlich den Mönchen das Brod an das Klostergitter brachte, lockten sie dieselbe in das Innere des Klosters, und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe, bis der vornehme Herr sie abholen würde. Kein Mensch konnte sich denken, wo das Mädchen geblieben wäre, die bei hellem Tage verschwunden war; ihre Eltern grämten sich fast todt um sie.</p>
          <p>Um dieselbe Zeit saß in dem Gewölbe des Klosters ein Knabe gefangen, den die Mönche auch gestohlen hatten. Dem glückte es, durch die Klosterkirche zu entkommen, und da er auch das geraubte Mädchen gesehen hatte, so ging er zu dem Bäcker und zeigte ihm an, wo seine Tochter wäre. Anfangs wollte man dem Knaben nicht glauben; als er sich aber erbot, die Leute zu dem Mädchen hinzuführen, da beschloß das Gericht, dem auch Anzeige gemacht war, Nachsuchung zu halten, und sie fanden nun das arme Mädchen und befreieten sie.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0148] öffentlich ausgestellt, worauf jährlich eine große Wallfahrt dahin angestellt wurde, die lange Jahre gedauert hat. Die Kirche, in der dieses geschehen, ist jetzt schon seit vielen Jahren zerstört, ihren Thurm sieht man aber noch in einem Eichenwäldchen bei Wusseken. Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 416. Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chr. II. S. 79. Pommersche Prov. Blätter II. S. 93. 78. Die Raubmönche zu Stettin. In der Stadt Stettin war vor Zeiten ein Kloster, dessen Mönche sich viel damit abgaben, daß sie Menschen raubten. Neben dem Kloster wohnte ein Bäcker, der für das Kloster backte. Der hatte eine schöne Tochter, für welche ein vornehmer, reicher Herr den Mönchen viel Geld geboten hatte, wenn sie sie ihm verschafften. Wie nun das Mädchen eines Tages wie gewöhnlich den Mönchen das Brod an das Klostergitter brachte, lockten sie dieselbe in das Innere des Klosters, und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe, bis der vornehme Herr sie abholen würde. Kein Mensch konnte sich denken, wo das Mädchen geblieben wäre, die bei hellem Tage verschwunden war; ihre Eltern grämten sich fast todt um sie. Um dieselbe Zeit saß in dem Gewölbe des Klosters ein Knabe gefangen, den die Mönche auch gestohlen hatten. Dem glückte es, durch die Klosterkirche zu entkommen, und da er auch das geraubte Mädchen gesehen hatte, so ging er zu dem Bäcker und zeigte ihm an, wo seine Tochter wäre. Anfangs wollte man dem Knaben nicht glauben; als er sich aber erbot, die Leute zu dem Mädchen hinzuführen, da beschloß das Gericht, dem auch Anzeige gemacht war, Nachsuchung zu halten, und sie fanden nun das arme Mädchen und befreieten sie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/148
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/148>, abgerufen am 21.11.2024.