Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
94. Der verzweifelte Kornwucherer.

Zu einer Zeit, es ist schon lange über vierhundert Jahre her, war in Pommern eine große Theurung an Krone. Damals lebte in der Stadt Damgard ein Bürger, Pantlitz geheißen, der, obgleich er schon reich war, doch viel Korn zusammengekauft hatte, in der Hoffnung, daß es noch theurer werden sollte und er daran brav Geld verdienen werde. Für solchen Geiz traf ihn die sichtbare Strafe des Himmels. Denn als unser Herr Gott im nächsten Jahre des Segens genug gab, und Pantlitz eines Tages sein Korn selbst einfuhr, da fing sein Knecht, den er bei sich hatte, mit lauter Stimme an ein fröhliches Lied zu singen, also daß Pantlitz ihn fragte, warum er denn so fröhlich sey und singe? Dem antwortet der Knecht, er freue sich, daß unser Herr wieder so gute Zeit gegeben, daß die armen Leute wieder etwas zu essen hätten, und er sang immer zu. Darüber ärgerte sich Pantlitz in seinem geizigen Gemüthe, und es verdroß ihn, daß er so fröhlich war, und so ein gutes Jahr war geworden. Und wie er gerade oben auf dem Kornwagen saß, so nahm er in seinem Verdrusse das Seil, womit der Weichselbaum gebunden war, schnürte sich dasselbe um den Hals und sprang von dem Wagen, also daß er sich jämmerlich erwürgte. Da war es denn schrecklich anzusehen, wie der erwürgte Kornwucherer hinten an seinem eigenen Wagen hing, denn der Knecht, der immerzu fröhlich singend neben den Pferden ging, sah seinen todten Herrn nicht eher, denn als der Wagen in der Stadt angekommen war. Also sollte es allen Wucherern ergehen.

Kantzow, Pomerania, I. S. 417.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 270.
94. Der verzweifelte Kornwucherer.

Zu einer Zeit, es ist schon lange über vierhundert Jahre her, war in Pommern eine große Theurung an Krone. Damals lebte in der Stadt Damgard ein Bürger, Pantlitz geheißen, der, obgleich er schon reich war, doch viel Korn zusammengekauft hatte, in der Hoffnung, daß es noch theurer werden sollte und er daran brav Geld verdienen werde. Für solchen Geiz traf ihn die sichtbare Strafe des Himmels. Denn als unser Herr Gott im nächsten Jahre des Segens genug gab, und Pantlitz eines Tages sein Korn selbst einfuhr, da fing sein Knecht, den er bei sich hatte, mit lauter Stimme an ein fröhliches Lied zu singen, also daß Pantlitz ihn fragte, warum er denn so fröhlich sey und singe? Dem antwortet der Knecht, er freue sich, daß unser Herr wieder so gute Zeit gegeben, daß die armen Leute wieder etwas zu essen hätten, und er sang immer zu. Darüber ärgerte sich Pantlitz in seinem geizigen Gemüthe, und es verdroß ihn, daß er so fröhlich war, und so ein gutes Jahr war geworden. Und wie er gerade oben auf dem Kornwagen saß, so nahm er in seinem Verdrusse das Seil, womit der Weichselbaum gebunden war, schnürte sich dasselbe um den Hals und sprang von dem Wagen, also daß er sich jämmerlich erwürgte. Da war es denn schrecklich anzusehen, wie der erwürgte Kornwucherer hinten an seinem eigenen Wagen hing, denn der Knecht, der immerzu fröhlich singend neben den Pferden ging, sah seinen todten Herrn nicht eher, denn als der Wagen in der Stadt angekommen war. Also sollte es allen Wucherern ergehen.

Kantzow, Pomerania, I. S. 417.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 270.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0162" n="130"/>
        <div n="2">
          <head>94. Der verzweifelte Kornwucherer.</head><lb/>
          <p>Zu einer Zeit, es ist schon lange über vierhundert Jahre her, war in Pommern eine große Theurung an Krone. Damals lebte in der Stadt Damgard ein Bürger, Pantlitz geheißen, der, obgleich er schon reich war, doch viel Korn zusammengekauft hatte, in der Hoffnung, daß es noch theurer werden sollte und er daran brav Geld verdienen werde. Für solchen Geiz traf ihn die sichtbare Strafe des Himmels. Denn als unser Herr Gott im nächsten Jahre des Segens genug gab, und Pantlitz eines Tages sein Korn selbst einfuhr, da fing sein Knecht, den er bei sich hatte, mit lauter Stimme an ein fröhliches Lied zu singen, also daß Pantlitz ihn fragte, warum er denn so fröhlich sey und singe? Dem antwortet der Knecht, er freue sich, daß unser Herr wieder so gute Zeit gegeben, daß die armen Leute wieder etwas zu essen hätten, und er sang immer zu. Darüber ärgerte sich Pantlitz in seinem geizigen Gemüthe, und es verdroß ihn, daß er so fröhlich war, und so ein gutes Jahr war geworden. Und wie er gerade oben auf dem Kornwagen saß, so nahm er in seinem Verdrusse das Seil, womit der Weichselbaum gebunden war, schnürte sich dasselbe um den Hals und sprang von dem Wagen, also daß er sich jämmerlich erwürgte. Da war es denn schrecklich anzusehen, wie der erwürgte Kornwucherer hinten an seinem eigenen Wagen hing, denn der Knecht, der immerzu fröhlich singend neben den Pferden ging, sah seinen todten Herrn nicht eher, denn als der Wagen in der Stadt angekommen war. Also sollte es allen Wucherern ergehen.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Kantzow, Pomerania, I. S. 417.</bibl><lb/>
            <bibl>Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 270.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0162] 94. Der verzweifelte Kornwucherer. Zu einer Zeit, es ist schon lange über vierhundert Jahre her, war in Pommern eine große Theurung an Krone. Damals lebte in der Stadt Damgard ein Bürger, Pantlitz geheißen, der, obgleich er schon reich war, doch viel Korn zusammengekauft hatte, in der Hoffnung, daß es noch theurer werden sollte und er daran brav Geld verdienen werde. Für solchen Geiz traf ihn die sichtbare Strafe des Himmels. Denn als unser Herr Gott im nächsten Jahre des Segens genug gab, und Pantlitz eines Tages sein Korn selbst einfuhr, da fing sein Knecht, den er bei sich hatte, mit lauter Stimme an ein fröhliches Lied zu singen, also daß Pantlitz ihn fragte, warum er denn so fröhlich sey und singe? Dem antwortet der Knecht, er freue sich, daß unser Herr wieder so gute Zeit gegeben, daß die armen Leute wieder etwas zu essen hätten, und er sang immer zu. Darüber ärgerte sich Pantlitz in seinem geizigen Gemüthe, und es verdroß ihn, daß er so fröhlich war, und so ein gutes Jahr war geworden. Und wie er gerade oben auf dem Kornwagen saß, so nahm er in seinem Verdrusse das Seil, womit der Weichselbaum gebunden war, schnürte sich dasselbe um den Hals und sprang von dem Wagen, also daß er sich jämmerlich erwürgte. Da war es denn schrecklich anzusehen, wie der erwürgte Kornwucherer hinten an seinem eigenen Wagen hing, denn der Knecht, der immerzu fröhlich singend neben den Pferden ging, sah seinen todten Herrn nicht eher, denn als der Wagen in der Stadt angekommen war. Also sollte es allen Wucherern ergehen. Kantzow, Pomerania, I. S. 417. Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 270.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/162
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/162>, abgerufen am 23.11.2024.