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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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zu. Anfangs ging Alles gut. Sie kümmerte sich nicht um das Heulen des Sturmes, der durch die Eichen fuhr, und nicht um das Krächzen der Raben und Eulen, die überall um sie herflogen. Als sie aber die Spitze des Berges erreicht hatte, und so ganz allein da stand in dem furchtbaren Sturmwinde, in der Nähe der blutigen Räuberbande, und fern von aller menschlichen Hülfe, und als auf einmal dicht bei ihr die alte eiserne Fahne anfing zu knarren, daß es ihr durch Mark und Bein fuhr: da klopfte ihr das Herz, daß sie es hören konnte trotz dem Heulen des Windes, und sie gerieth in eine solche Angst, daß sie nur kaum noch zu der Fahne gelangen und das Tuch herum winden konnte.

In dem Augenblicke aber, als sie das that, hörte sie nahe bei sich ein lautes Horn, das furchtbare Horn der Räuber, das die Einwohner von Cöslin nur zu oft in manchen Nächten, wenn das Gesindel in die Nähe der Stadt gezogen kam, gehört hatten. Da vergingen der armen Dirne fast die Sinne, und sie sah keine Rettung, wie sie in der dunklen Nacht und mit ihren, vom Schrecken gelähmten Gliedern werde entfliehen könne. Auf einmal erblickte sie aber neben sich ein Roß, das an einen Baum gebunden war. Es war hoch und weiß von Gestalt, und hatte einen silbernen Zaum. Auf das eilet sie zu und löset es von dem Baume und schwingt sich hinauf. Und nun jagte sie vom Berge hinunter, was das Pferd nur laufen konnte. Allein die Räuber hatten sie schon gewahrt, das Horn hatte sie alle beisammen gerufen, und auf einmal hörte sie, wie ein großer Haufe auf schnellen Rossen, die alle silberne Schellen trugen hinter ihr herjagte und immer näher an sie herankam. Da trieb sie ihr Roß stärker an, und jagte blind zu, den Berg hinunter. Und als die Noth am größten war, und die Nächsten hinter ihr

zu. Anfangs ging Alles gut. Sie kümmerte sich nicht um das Heulen des Sturmes, der durch die Eichen fuhr, und nicht um das Krächzen der Raben und Eulen, die überall um sie herflogen. Als sie aber die Spitze des Berges erreicht hatte, und so ganz allein da stand in dem furchtbaren Sturmwinde, in der Nähe der blutigen Räuberbande, und fern von aller menschlichen Hülfe, und als auf einmal dicht bei ihr die alte eiserne Fahne anfing zu knarren, daß es ihr durch Mark und Bein fuhr: da klopfte ihr das Herz, daß sie es hören konnte trotz dem Heulen des Windes, und sie gerieth in eine solche Angst, daß sie nur kaum noch zu der Fahne gelangen und das Tuch herum winden konnte.

In dem Augenblicke aber, als sie das that, hörte sie nahe bei sich ein lautes Horn, das furchtbare Horn der Räuber, das die Einwohner von Cöslin nur zu oft in manchen Nächten, wenn das Gesindel in die Nähe der Stadt gezogen kam, gehört hatten. Da vergingen der armen Dirne fast die Sinne, und sie sah keine Rettung, wie sie in der dunklen Nacht und mit ihren, vom Schrecken gelähmten Gliedern werde entfliehen könne. Auf einmal erblickte sie aber neben sich ein Roß, das an einen Baum gebunden war. Es war hoch und weiß von Gestalt, und hatte einen silbernen Zaum. Auf das eilet sie zu und löset es von dem Baume und schwingt sich hinauf. Und nun jagte sie vom Berge hinunter, was das Pferd nur laufen konnte. Allein die Räuber hatten sie schon gewahrt, das Horn hatte sie alle beisammen gerufen, und auf einmal hörte sie, wie ein großer Haufe auf schnellen Rossen, die alle silberne Schellen trugen hinter ihr herjagte und immer näher an sie herankam. Da trieb sie ihr Roß stärker an, und jagte blind zu, den Berg hinunter. Und als die Noth am größten war, und die Nächsten hinter ihr

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zu. Anfangs ging Alles gut. Sie kümmerte sich nicht um das Heulen des Sturmes, der durch die Eichen fuhr, und nicht um das Krächzen der Raben und Eulen, die überall um sie herflogen. Als sie aber die Spitze des Berges erreicht hatte, und so ganz allein da stand in dem furchtbaren Sturmwinde, in der Nähe der blutigen Räuberbande, und fern von aller menschlichen Hülfe, und als auf einmal dicht bei ihr die alte eiserne Fahne anfing zu knarren, daß es ihr durch Mark und Bein fuhr: da klopfte ihr das Herz, daß sie es hören konnte trotz dem Heulen des Windes, und sie gerieth in eine solche Angst, daß sie nur kaum noch zu der Fahne gelangen und das Tuch herum winden konnte.</p>
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[197/0229] zu. Anfangs ging Alles gut. Sie kümmerte sich nicht um das Heulen des Sturmes, der durch die Eichen fuhr, und nicht um das Krächzen der Raben und Eulen, die überall um sie herflogen. Als sie aber die Spitze des Berges erreicht hatte, und so ganz allein da stand in dem furchtbaren Sturmwinde, in der Nähe der blutigen Räuberbande, und fern von aller menschlichen Hülfe, und als auf einmal dicht bei ihr die alte eiserne Fahne anfing zu knarren, daß es ihr durch Mark und Bein fuhr: da klopfte ihr das Herz, daß sie es hören konnte trotz dem Heulen des Windes, und sie gerieth in eine solche Angst, daß sie nur kaum noch zu der Fahne gelangen und das Tuch herum winden konnte. In dem Augenblicke aber, als sie das that, hörte sie nahe bei sich ein lautes Horn, das furchtbare Horn der Räuber, das die Einwohner von Cöslin nur zu oft in manchen Nächten, wenn das Gesindel in die Nähe der Stadt gezogen kam, gehört hatten. Da vergingen der armen Dirne fast die Sinne, und sie sah keine Rettung, wie sie in der dunklen Nacht und mit ihren, vom Schrecken gelähmten Gliedern werde entfliehen könne. Auf einmal erblickte sie aber neben sich ein Roß, das an einen Baum gebunden war. Es war hoch und weiß von Gestalt, und hatte einen silbernen Zaum. Auf das eilet sie zu und löset es von dem Baume und schwingt sich hinauf. Und nun jagte sie vom Berge hinunter, was das Pferd nur laufen konnte. Allein die Räuber hatten sie schon gewahrt, das Horn hatte sie alle beisammen gerufen, und auf einmal hörte sie, wie ein großer Haufe auf schnellen Rossen, die alle silberne Schellen trugen hinter ihr herjagte und immer näher an sie herankam. Da trieb sie ihr Roß stärker an, und jagte blind zu, den Berg hinunter. Und als die Noth am größten war, und die Nächsten hinter ihr

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/229>, abgerufen am 30.11.2024.