Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.konnte nicht umhin, dieses Eisläuferinnen-Costüm mit Wohlgefallen zu betrachten. Doch der kurze Tag und die bevorstehende Entscheidung drängten zum Aufbruch; Galinda drückte einen warmen grauen Kastorhut mit flatternden Bändern auf die schwarzen Locken und geleitete mit Piet den Papa Sachtervanst zum wartenden Schlitten. Während der alte Herr sich bequem zurechtsetzte, schnallten Piet und Linda sich die Schlittschuhe an, und im Fluge waren Alle den Augen der nachschauenden Mutter Lora entschwunden. Es war beschlossen, daß der Buchhalter zuvor allein in den Zorgenhof fahren und den alten Baas zur Versöhnung geneigt stimmen sollte. Also trennten sie sich mitten auf dem See, und Baldus schaute mit Vergnügen dem Paare nach, wie es auf dem Spiegel-Eise in anmuthigen Schwingungen, wie zum Tanze einander gefaßt und Schritt haltend auf die Zelle zulief. Hier war viel munteres Getümmel und reich bewegtes Leben; die schöne Welt und rüstiges Volk, Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen, Alle auf Schlittschuhen, fuhren, liefen und tummelten sich durcheinander; denn es sollte in einigen Tagen das große Wettlaufen auf dem See gefeiert werden; dazu wurden immer lange vorher Uebungen und Lustfahrten gehalten und für die Erquickung der Läufer viele bunte Zelte wie zu einem Feldlager aufgeschlagen. -- Die Franzosen, deren Auge nicht gewöhnt war, Frauen auf konnte nicht umhin, dieses Eisläuferinnen-Costüm mit Wohlgefallen zu betrachten. Doch der kurze Tag und die bevorstehende Entscheidung drängten zum Aufbruch; Galinda drückte einen warmen grauen Kastorhut mit flatternden Bändern auf die schwarzen Locken und geleitete mit Piet den Papa Sachtervanst zum wartenden Schlitten. Während der alte Herr sich bequem zurechtsetzte, schnallten Piet und Linda sich die Schlittschuhe an, und im Fluge waren Alle den Augen der nachschauenden Mutter Lora entschwunden. Es war beschlossen, daß der Buchhalter zuvor allein in den Zorgenhof fahren und den alten Baas zur Versöhnung geneigt stimmen sollte. Also trennten sie sich mitten auf dem See, und Baldus schaute mit Vergnügen dem Paare nach, wie es auf dem Spiegel-Eise in anmuthigen Schwingungen, wie zum Tanze einander gefaßt und Schritt haltend auf die Zelle zulief. Hier war viel munteres Getümmel und reich bewegtes Leben; die schöne Welt und rüstiges Volk, Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen, Alle auf Schlittschuhen, fuhren, liefen und tummelten sich durcheinander; denn es sollte in einigen Tagen das große Wettlaufen auf dem See gefeiert werden; dazu wurden immer lange vorher Uebungen und Lustfahrten gehalten und für die Erquickung der Läufer viele bunte Zelte wie zu einem Feldlager aufgeschlagen. — Die Franzosen, deren Auge nicht gewöhnt war, Frauen auf <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0107"/> konnte nicht umhin, dieses Eisläuferinnen-Costüm mit Wohlgefallen zu betrachten.</p><lb/> <p>Doch der kurze Tag und die bevorstehende Entscheidung drängten zum Aufbruch; Galinda drückte einen warmen grauen Kastorhut mit flatternden Bändern auf die schwarzen Locken und geleitete mit Piet den Papa Sachtervanst zum wartenden Schlitten. Während der alte Herr sich bequem zurechtsetzte, schnallten Piet und Linda sich die Schlittschuhe an, und im Fluge waren Alle den Augen der nachschauenden Mutter Lora entschwunden.</p><lb/> <p>Es war beschlossen, daß der Buchhalter zuvor allein in den Zorgenhof fahren und den alten Baas zur Versöhnung geneigt stimmen sollte. Also trennten sie sich mitten auf dem See, und Baldus schaute mit Vergnügen dem Paare nach, wie es auf dem Spiegel-Eise in anmuthigen Schwingungen, wie zum Tanze einander gefaßt und Schritt haltend auf die Zelle zulief.</p><lb/> <p>Hier war viel munteres Getümmel und reich bewegtes Leben; die schöne Welt und rüstiges Volk, Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen, Alle auf Schlittschuhen, fuhren, liefen und tummelten sich durcheinander; denn es sollte in einigen Tagen das große Wettlaufen auf dem See gefeiert werden; dazu wurden immer lange vorher Uebungen und Lustfahrten gehalten und für die Erquickung der Läufer viele bunte Zelte wie zu einem Feldlager aufgeschlagen. — Die Franzosen, deren Auge nicht gewöhnt war, Frauen auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
konnte nicht umhin, dieses Eisläuferinnen-Costüm mit Wohlgefallen zu betrachten.
Doch der kurze Tag und die bevorstehende Entscheidung drängten zum Aufbruch; Galinda drückte einen warmen grauen Kastorhut mit flatternden Bändern auf die schwarzen Locken und geleitete mit Piet den Papa Sachtervanst zum wartenden Schlitten. Während der alte Herr sich bequem zurechtsetzte, schnallten Piet und Linda sich die Schlittschuhe an, und im Fluge waren Alle den Augen der nachschauenden Mutter Lora entschwunden.
Es war beschlossen, daß der Buchhalter zuvor allein in den Zorgenhof fahren und den alten Baas zur Versöhnung geneigt stimmen sollte. Also trennten sie sich mitten auf dem See, und Baldus schaute mit Vergnügen dem Paare nach, wie es auf dem Spiegel-Eise in anmuthigen Schwingungen, wie zum Tanze einander gefaßt und Schritt haltend auf die Zelle zulief.
Hier war viel munteres Getümmel und reich bewegtes Leben; die schöne Welt und rüstiges Volk, Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen, Alle auf Schlittschuhen, fuhren, liefen und tummelten sich durcheinander; denn es sollte in einigen Tagen das große Wettlaufen auf dem See gefeiert werden; dazu wurden immer lange vorher Uebungen und Lustfahrten gehalten und für die Erquickung der Läufer viele bunte Zelte wie zu einem Feldlager aufgeschlagen. — Die Franzosen, deren Auge nicht gewöhnt war, Frauen auf
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/107>, abgerufen am 16.07.2024. |