Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Lora in ruhiger Zuversicht auf den unerschöpflichen Wasserreichthum ihres großen Goudasee's. Siehst du die weißen Stäbchen dort am Rasenufer? Die haben die Ingenieurs rings um die Insel gesteckt, als das Wasser anfing zu fallen, und bei schwerer Strafe ist es uns verboten, diese Stäbchen zu verrücken. Seitdem kommen die Herren alle Wochen herüber und messen und messen; aber der schwarze Streifen will schon seit drei Monaten nicht breiter werden. Das ärgert sie dann immer, und der Piet hat seine Lust daran. Doch was schwatze ich denn da ein Langes und Breites und lasse dich, mein Jungchen, mit trockenem Munde vor der Thüre stehen. Komm, du mußt mir erst ein bischen schnabeliren und dann erzählen, was dir so hart aufgegangen ist. Und als sei der hochgewachsene Jüngling noch wie vordem ein Knabe, faßte die Alte seine Hand und führte ihn in die Hütte. Diese enthielt neben der niedrigen Hausthür bloß zwei Stübchen; rechts haus'te der Piet mit all seinem Jagd- und Fischereikram, und links trat Bertold in Mutter Lora's wohlbekanntes Zimmerchen. Hier glänzte Alles in äußerst netter Reinlichkeit, welche den fehlenden Luxus und raffinirte Bequemlichkeiten ersetzte; dennoch würde ein exclusiver Engländer dieses Stübchen zu einem Stillleben höchst comfortable gefunden haben, weil jeder Eintretende sich darin augenblicklich heimisch und behaglich fühlte. Lora in ruhiger Zuversicht auf den unerschöpflichen Wasserreichthum ihres großen Goudasee's. Siehst du die weißen Stäbchen dort am Rasenufer? Die haben die Ingenieurs rings um die Insel gesteckt, als das Wasser anfing zu fallen, und bei schwerer Strafe ist es uns verboten, diese Stäbchen zu verrücken. Seitdem kommen die Herren alle Wochen herüber und messen und messen; aber der schwarze Streifen will schon seit drei Monaten nicht breiter werden. Das ärgert sie dann immer, und der Piet hat seine Lust daran. Doch was schwatze ich denn da ein Langes und Breites und lasse dich, mein Jungchen, mit trockenem Munde vor der Thüre stehen. Komm, du mußt mir erst ein bischen schnabeliren und dann erzählen, was dir so hart aufgegangen ist. Und als sei der hochgewachsene Jüngling noch wie vordem ein Knabe, faßte die Alte seine Hand und führte ihn in die Hütte. Diese enthielt neben der niedrigen Hausthür bloß zwei Stübchen; rechts haus'te der Piet mit all seinem Jagd- und Fischereikram, und links trat Bertold in Mutter Lora's wohlbekanntes Zimmerchen. Hier glänzte Alles in äußerst netter Reinlichkeit, welche den fehlenden Luxus und raffinirte Bequemlichkeiten ersetzte; dennoch würde ein exclusiver Engländer dieses Stübchen zu einem Stillleben höchst comfortable gefunden haben, weil jeder Eintretende sich darin augenblicklich heimisch und behaglich fühlte. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> Lora in ruhiger Zuversicht auf den unerschöpflichen Wasserreichthum ihres großen Goudasee's. Siehst du die weißen Stäbchen dort am Rasenufer? Die haben die Ingenieurs rings um die Insel gesteckt, als das Wasser anfing zu fallen, und bei schwerer Strafe ist es uns verboten, diese Stäbchen zu verrücken. Seitdem kommen die Herren alle Wochen herüber und messen und messen; aber der schwarze Streifen will schon seit drei Monaten nicht breiter werden. Das ärgert sie dann immer, und der Piet hat seine Lust daran. Doch was schwatze ich denn da ein Langes und Breites und lasse dich, mein Jungchen, mit trockenem Munde vor der Thüre stehen. Komm, du mußt mir erst ein bischen schnabeliren und dann erzählen, was dir so hart aufgegangen ist.</p><lb/> <p>Und als sei der hochgewachsene Jüngling noch wie vordem ein Knabe, faßte die Alte seine Hand und führte ihn in die Hütte.</p><lb/> <p>Diese enthielt neben der niedrigen Hausthür bloß zwei Stübchen; rechts haus'te der Piet mit all seinem Jagd- und Fischereikram, und links trat Bertold in Mutter Lora's wohlbekanntes Zimmerchen. Hier glänzte Alles in äußerst netter Reinlichkeit, welche den fehlenden Luxus und raffinirte Bequemlichkeiten ersetzte; dennoch würde ein exclusiver Engländer dieses Stübchen zu einem Stillleben höchst comfortable gefunden haben, weil jeder Eintretende sich darin augenblicklich heimisch und behaglich fühlte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Lora in ruhiger Zuversicht auf den unerschöpflichen Wasserreichthum ihres großen Goudasee's. Siehst du die weißen Stäbchen dort am Rasenufer? Die haben die Ingenieurs rings um die Insel gesteckt, als das Wasser anfing zu fallen, und bei schwerer Strafe ist es uns verboten, diese Stäbchen zu verrücken. Seitdem kommen die Herren alle Wochen herüber und messen und messen; aber der schwarze Streifen will schon seit drei Monaten nicht breiter werden. Das ärgert sie dann immer, und der Piet hat seine Lust daran. Doch was schwatze ich denn da ein Langes und Breites und lasse dich, mein Jungchen, mit trockenem Munde vor der Thüre stehen. Komm, du mußt mir erst ein bischen schnabeliren und dann erzählen, was dir so hart aufgegangen ist.
Und als sei der hochgewachsene Jüngling noch wie vordem ein Knabe, faßte die Alte seine Hand und führte ihn in die Hütte.
Diese enthielt neben der niedrigen Hausthür bloß zwei Stübchen; rechts haus'te der Piet mit all seinem Jagd- und Fischereikram, und links trat Bertold in Mutter Lora's wohlbekanntes Zimmerchen. Hier glänzte Alles in äußerst netter Reinlichkeit, welche den fehlenden Luxus und raffinirte Bequemlichkeiten ersetzte; dennoch würde ein exclusiver Engländer dieses Stübchen zu einem Stillleben höchst comfortable gefunden haben, weil jeder Eintretende sich darin augenblicklich heimisch und behaglich fühlte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:22:21Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:22:21Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |