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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hofes mit ihren rothen Dächern wie aus einem weiten Meere hervorragten. Ein frischer Morgenhauch rollte den Nebel vor sich hin über den See und trieb die Ballen auf eine Reihe Windmühlen, die, mit ihren langen Flügeln arbeitend, gegen die Dunstmassen zu kämpfen schienen. Darüber leuchtete die aufsteigende Sonne aus wolkenleerem Himmel, dessen dunkle Bläue die weiß belegte Erde glänzend überwölbte und einen heitern Herbsttag verkündete. In dem wirthschaftlichen Zorgenhof herrschte schon die gewohnte regsame Thätigkeit. Viele Knechte schritten rüstig in langer Reihe über die Kanalbrücke in den Hof; sie trugen in glänzenden Messingkübeln, welche gleich Wagschalen an Tragbalken von den Schultern hingen, die frisch gemolkene Milch von den Triften herbei; denn hier verrichteten Knechte das Geschäft des Melkens. In dem geräumigen Milchhause liefen Mägde geschäftig hin und her, ohne daß irgend eine Verwirrung oder Stockung in dem emsigen Treiben störend eintrat. Die stämmigsten der Dirnen holten von jenen großen Haufen, welche gleich braunen Heuschobern den Hof umstanden, Torf, den sie in großen Körben auf dem Kopfe in das Milchhaus trugen. Hier schürten andere Dirnen die Glut unter ungeheuern Milchkesseln, während die Knechte die frisch gemolkene Milch aus den vollen Kübeln hinein stürzten. Der stattliche Polderwirth Hendrick Zorg und seine Hausfrau Sara führten selbst die Aufsicht über das wichtige Geschäft der Milchwärmung, indem sie mit sorglicher Kennermiene, öfter

hofes mit ihren rothen Dächern wie aus einem weiten Meere hervorragten. Ein frischer Morgenhauch rollte den Nebel vor sich hin über den See und trieb die Ballen auf eine Reihe Windmühlen, die, mit ihren langen Flügeln arbeitend, gegen die Dunstmassen zu kämpfen schienen. Darüber leuchtete die aufsteigende Sonne aus wolkenleerem Himmel, dessen dunkle Bläue die weiß belegte Erde glänzend überwölbte und einen heitern Herbsttag verkündete. In dem wirthschaftlichen Zorgenhof herrschte schon die gewohnte regsame Thätigkeit. Viele Knechte schritten rüstig in langer Reihe über die Kanalbrücke in den Hof; sie trugen in glänzenden Messingkübeln, welche gleich Wagschalen an Tragbalken von den Schultern hingen, die frisch gemolkene Milch von den Triften herbei; denn hier verrichteten Knechte das Geschäft des Melkens. In dem geräumigen Milchhause liefen Mägde geschäftig hin und her, ohne daß irgend eine Verwirrung oder Stockung in dem emsigen Treiben störend eintrat. Die stämmigsten der Dirnen holten von jenen großen Haufen, welche gleich braunen Heuschobern den Hof umstanden, Torf, den sie in großen Körben auf dem Kopfe in das Milchhaus trugen. Hier schürten andere Dirnen die Glut unter ungeheuern Milchkesseln, während die Knechte die frisch gemolkene Milch aus den vollen Kübeln hinein stürzten. Der stattliche Polderwirth Hendrick Zorg und seine Hausfrau Sara führten selbst die Aufsicht über das wichtige Geschäft der Milchwärmung, indem sie mit sorglicher Kennermiene, öfter

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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/24>, abgerufen am 28.04.2024.