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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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derung; nach einer Pause trat aus dem Gedränge ein kurzer, gedrungener Mann von braunrothem Gesicht und rothen Haaren an den Block; an seiner Seite erschien eine niedrige, stämmige, dreist auftretende Frau von vollbackigem Gesicht, mit glänzendem Teint, kleinen verschmitzten Augen und mit goldenen Ketten, großen Ohrgehängen und bunten Bändern übertrieben herausgeputzt.

Es war der Scharfrichtermeister Balzer von Gouda, der sich hier, wahrscheinlich verabredet, auf die Ausforderung stellte. Gleichfalls seine rothseidene Börse auf den Block werfend, schrie er mit einer heiseren Gurgelstimme:

Wenn kein Einziger die Courage hat, für die Schönheit seiner Liebsten zu hacken, so thu' ich's! Hier liegen hundert Dukaten dafür, daß meine Frau die allerschönste und noch hübscher als die schöne Jevrouv Galinda vom Zorgenhof ist!

Herbei! Hierher, ihr Leute! schrie der Eigner des Blocks im Jubel über den ihm blühenden reichen Gewinn. Wer will Part halten und setzen für oder gegen die dicke Meisterfrau Balzer von Gouda und die feine Jevrouv Linda vom Zorgenhof?

Der Kreis neugieriger Zuschauer drängte sich enger um den Block. Viele betrachteten mit höhnischem Lächeln oder mitleidigen Blicken die schöne Galinda; doch Niemand wettete für sie; denn Keiner mochte für oder gegen die Geschicklichkeit eines Nachrichters pariren; es wäre

derung; nach einer Pause trat aus dem Gedränge ein kurzer, gedrungener Mann von braunrothem Gesicht und rothen Haaren an den Block; an seiner Seite erschien eine niedrige, stämmige, dreist auftretende Frau von vollbackigem Gesicht, mit glänzendem Teint, kleinen verschmitzten Augen und mit goldenen Ketten, großen Ohrgehängen und bunten Bändern übertrieben herausgeputzt.

Es war der Scharfrichtermeister Balzer von Gouda, der sich hier, wahrscheinlich verabredet, auf die Ausforderung stellte. Gleichfalls seine rothseidene Börse auf den Block werfend, schrie er mit einer heiseren Gurgelstimme:

Wenn kein Einziger die Courage hat, für die Schönheit seiner Liebsten zu hacken, so thu' ich's! Hier liegen hundert Dukaten dafür, daß meine Frau die allerschönste und noch hübscher als die schöne Jevrouv Galinda vom Zorgenhof ist!

Herbei! Hierher, ihr Leute! schrie der Eigner des Blocks im Jubel über den ihm blühenden reichen Gewinn. Wer will Part halten und setzen für oder gegen die dicke Meisterfrau Balzer von Gouda und die feine Jevrouv Linda vom Zorgenhof?

Der Kreis neugieriger Zuschauer drängte sich enger um den Block. Viele betrachteten mit höhnischem Lächeln oder mitleidigen Blicken die schöne Galinda; doch Niemand wettete für sie; denn Keiner mochte für oder gegen die Geschicklichkeit eines Nachrichters pariren; es wäre

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[0056] derung; nach einer Pause trat aus dem Gedränge ein kurzer, gedrungener Mann von braunrothem Gesicht und rothen Haaren an den Block; an seiner Seite erschien eine niedrige, stämmige, dreist auftretende Frau von vollbackigem Gesicht, mit glänzendem Teint, kleinen verschmitzten Augen und mit goldenen Ketten, großen Ohrgehängen und bunten Bändern übertrieben herausgeputzt. Es war der Scharfrichtermeister Balzer von Gouda, der sich hier, wahrscheinlich verabredet, auf die Ausforderung stellte. Gleichfalls seine rothseidene Börse auf den Block werfend, schrie er mit einer heiseren Gurgelstimme: Wenn kein Einziger die Courage hat, für die Schönheit seiner Liebsten zu hacken, so thu' ich's! Hier liegen hundert Dukaten dafür, daß meine Frau die allerschönste und noch hübscher als die schöne Jevrouv Galinda vom Zorgenhof ist! Herbei! Hierher, ihr Leute! schrie der Eigner des Blocks im Jubel über den ihm blühenden reichen Gewinn. Wer will Part halten und setzen für oder gegen die dicke Meisterfrau Balzer von Gouda und die feine Jevrouv Linda vom Zorgenhof? Der Kreis neugieriger Zuschauer drängte sich enger um den Block. Viele betrachteten mit höhnischem Lächeln oder mitleidigen Blicken die schöne Galinda; doch Niemand wettete für sie; denn Keiner mochte für oder gegen die Geschicklichkeit eines Nachrichters pariren; es wäre

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/56>, abgerufen am 14.05.2024.