Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Schnitt, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen meldete mit gedämpfter Stimme:

Der Meister Jan von Amsterdam läßt um Vergunst bitten, Mynheer aufwarten zu dürfen.

So früh am kalten Morgen? bemerkte Mynheer mit leichtem Kopfschütteln. Der brave Meister Jan ist mir immer willkommen.

Der Diener verschwand und trat nach einigen Augenblicken hinter dem Angemeldeten wieder in das warme Gemach. Der Freimeister erschien in seiner schwarzen Kleidung, bleich, wie immer. -- Mynheer erhob sich und ging dem Eintretenden einige Schritte entgegen -- eine ehrende Achtung, welche der stolze Millionär nur Wenigen bewies. -- Nach dem Empfangsgruß befahl der ernste, freundliche Greis:

David, einen Sessel für den Herrn. Der Diener stellte gehorchend einen Sessel zum Kamin und schritt geräuschlos über den kostbaren bunten Fußteppich aus dem stillen Zimmer.

Hätt' ich doch kaum erwartet, unsern wackern Meister Jan sobald in meinem Hause wieder zu sehen, nachdem Sie mir einen Korb für mein unglückliches Pflegekind gegeben.

Aufrichtig gestanden, entgegnete der Scharfrichter, fürchtete ich mich, durch die fatale Erinnerung Mynheer unangenehm zu werden, und doch ist es gerade wieder meine verlorene Braut, um derentwillen ich so früh stören muß.

Schnitt, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen meldete mit gedämpfter Stimme:

Der Meister Jan von Amsterdam läßt um Vergunst bitten, Mynheer aufwarten zu dürfen.

So früh am kalten Morgen? bemerkte Mynheer mit leichtem Kopfschütteln. Der brave Meister Jan ist mir immer willkommen.

Der Diener verschwand und trat nach einigen Augenblicken hinter dem Angemeldeten wieder in das warme Gemach. Der Freimeister erschien in seiner schwarzen Kleidung, bleich, wie immer. — Mynheer erhob sich und ging dem Eintretenden einige Schritte entgegen — eine ehrende Achtung, welche der stolze Millionär nur Wenigen bewies. — Nach dem Empfangsgruß befahl der ernste, freundliche Greis:

David, einen Sessel für den Herrn. Der Diener stellte gehorchend einen Sessel zum Kamin und schritt geräuschlos über den kostbaren bunten Fußteppich aus dem stillen Zimmer.

Hätt' ich doch kaum erwartet, unsern wackern Meister Jan sobald in meinem Hause wieder zu sehen, nachdem Sie mir einen Korb für mein unglückliches Pflegekind gegeben.

Aufrichtig gestanden, entgegnete der Scharfrichter, fürchtete ich mich, durch die fatale Erinnerung Mynheer unangenehm zu werden, und doch ist es gerade wieder meine verlorene Braut, um derentwillen ich so früh stören muß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0081"/>
Schnitt, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen meldete mit gedämpfter Stimme:</p><lb/>
        <p>Der Meister Jan von Amsterdam läßt um Vergunst bitten, Mynheer aufwarten zu                dürfen.</p><lb/>
        <p>So früh am kalten Morgen? bemerkte Mynheer mit leichtem Kopfschütteln. Der brave                Meister Jan ist mir immer willkommen.</p><lb/>
        <p>Der Diener verschwand und trat nach einigen Augenblicken hinter dem Angemeldeten                wieder in das warme Gemach. Der Freimeister erschien in seiner schwarzen Kleidung,                bleich, wie immer. &#x2014; Mynheer erhob sich und ging dem Eintretenden einige Schritte                entgegen &#x2014; eine ehrende Achtung, welche der stolze Millionär nur Wenigen bewies. &#x2014;                Nach dem Empfangsgruß befahl der ernste, freundliche Greis:</p><lb/>
        <p>David, einen Sessel für den Herrn. Der Diener stellte gehorchend einen Sessel zum                Kamin und schritt geräuschlos über den kostbaren bunten Fußteppich aus dem stillen                Zimmer.</p><lb/>
        <p>Hätt' ich doch kaum erwartet, unsern wackern Meister Jan sobald in meinem Hause                wieder zu sehen, nachdem Sie mir einen Korb für mein unglückliches Pflegekind                gegeben.</p><lb/>
        <p>Aufrichtig gestanden, entgegnete der Scharfrichter, fürchtete ich mich, durch die                fatale Erinnerung Mynheer unangenehm zu werden, und doch ist es gerade wieder meine                verlorene Braut, um derentwillen ich so früh stören muß.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Schnitt, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen meldete mit gedämpfter Stimme: Der Meister Jan von Amsterdam läßt um Vergunst bitten, Mynheer aufwarten zu dürfen. So früh am kalten Morgen? bemerkte Mynheer mit leichtem Kopfschütteln. Der brave Meister Jan ist mir immer willkommen. Der Diener verschwand und trat nach einigen Augenblicken hinter dem Angemeldeten wieder in das warme Gemach. Der Freimeister erschien in seiner schwarzen Kleidung, bleich, wie immer. — Mynheer erhob sich und ging dem Eintretenden einige Schritte entgegen — eine ehrende Achtung, welche der stolze Millionär nur Wenigen bewies. — Nach dem Empfangsgruß befahl der ernste, freundliche Greis: David, einen Sessel für den Herrn. Der Diener stellte gehorchend einen Sessel zum Kamin und schritt geräuschlos über den kostbaren bunten Fußteppich aus dem stillen Zimmer. Hätt' ich doch kaum erwartet, unsern wackern Meister Jan sobald in meinem Hause wieder zu sehen, nachdem Sie mir einen Korb für mein unglückliches Pflegekind gegeben. Aufrichtig gestanden, entgegnete der Scharfrichter, fürchtete ich mich, durch die fatale Erinnerung Mynheer unangenehm zu werden, und doch ist es gerade wieder meine verlorene Braut, um derentwillen ich so früh stören muß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/81
Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/81>, abgerufen am 14.05.2024.