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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Haben Sie Nachricht -- wissen Sie, wo das Kind ist? rief lebhaft der sonst unerschütterliche, gleichmüthige Greis.

Zuverläßige Nachricht habe ich wohl; doch weiß ich ihren Aufenthalt noch nicht. Um Ihr ganzes Interesse zu contentiren, muß ich ein wenig weit ausholen. -- Es war vor beinahe drei Monaten, just um die Zeit, wo die Jevrouv Galinda unter den Händen des seitdem in Kummer sich abgrämenden Herrn Sachtervanst entführt worden, da trat eines Abends ein junger, schöner Mensch in meine Stube und ging mich mit der dringenden Bitte an, ihn als Freilehrling für meine freie Kunst anzunehmen. Ich muß gestehen, Mynheer, daß ich mich bei diesem Anliegen und dem Vertrauen des jungen Mannes geschmeichelt fühlte; denn ich kannte diesen kühnen Trotzkopf; er hatte mir die Braut in Gouda abgehackt -- kurz, es war der junge Bertold Zorg.

Was Sie sagen! -- Warum theilten Sie mir das nicht auf der Stelle mit? -- Sie hätten mir viel Kummer erspart -- und Galinda?

Sie sei gut aufgehoben, versicherte mein Freilehrling; mehr konnte ich bis jetzt über diesen Punkt von ihm nicht herausbringen. Aber daß er wahr spricht, beweis't der Umstand, daß er aus reiner Liebe zu dem Mädchen, und um sie gewiß zu kriegen -- ein Freimeister werden will.

Ich verstehe nicht recht; erklären Sie mir deutlicher -- der junge Mensch scheint ein verstockter

Haben Sie Nachricht — wissen Sie, wo das Kind ist? rief lebhaft der sonst unerschütterliche, gleichmüthige Greis.

Zuverläßige Nachricht habe ich wohl; doch weiß ich ihren Aufenthalt noch nicht. Um Ihr ganzes Interesse zu contentiren, muß ich ein wenig weit ausholen. — Es war vor beinahe drei Monaten, just um die Zeit, wo die Jevrouv Galinda unter den Händen des seitdem in Kummer sich abgrämenden Herrn Sachtervanst entführt worden, da trat eines Abends ein junger, schöner Mensch in meine Stube und ging mich mit der dringenden Bitte an, ihn als Freilehrling für meine freie Kunst anzunehmen. Ich muß gestehen, Mynheer, daß ich mich bei diesem Anliegen und dem Vertrauen des jungen Mannes geschmeichelt fühlte; denn ich kannte diesen kühnen Trotzkopf; er hatte mir die Braut in Gouda abgehackt — kurz, es war der junge Bertold Zorg.

Was Sie sagen! — Warum theilten Sie mir das nicht auf der Stelle mit? — Sie hätten mir viel Kummer erspart — und Galinda?

Sie sei gut aufgehoben, versicherte mein Freilehrling; mehr konnte ich bis jetzt über diesen Punkt von ihm nicht herausbringen. Aber daß er wahr spricht, beweis't der Umstand, daß er aus reiner Liebe zu dem Mädchen, und um sie gewiß zu kriegen — ein Freimeister werden will.

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[0082] Haben Sie Nachricht — wissen Sie, wo das Kind ist? rief lebhaft der sonst unerschütterliche, gleichmüthige Greis. Zuverläßige Nachricht habe ich wohl; doch weiß ich ihren Aufenthalt noch nicht. Um Ihr ganzes Interesse zu contentiren, muß ich ein wenig weit ausholen. — Es war vor beinahe drei Monaten, just um die Zeit, wo die Jevrouv Galinda unter den Händen des seitdem in Kummer sich abgrämenden Herrn Sachtervanst entführt worden, da trat eines Abends ein junger, schöner Mensch in meine Stube und ging mich mit der dringenden Bitte an, ihn als Freilehrling für meine freie Kunst anzunehmen. Ich muß gestehen, Mynheer, daß ich mich bei diesem Anliegen und dem Vertrauen des jungen Mannes geschmeichelt fühlte; denn ich kannte diesen kühnen Trotzkopf; er hatte mir die Braut in Gouda abgehackt — kurz, es war der junge Bertold Zorg. Was Sie sagen! — Warum theilten Sie mir das nicht auf der Stelle mit? — Sie hätten mir viel Kummer erspart — und Galinda? Sie sei gut aufgehoben, versicherte mein Freilehrling; mehr konnte ich bis jetzt über diesen Punkt von ihm nicht herausbringen. Aber daß er wahr spricht, beweis't der Umstand, daß er aus reiner Liebe zu dem Mädchen, und um sie gewiß zu kriegen — ein Freimeister werden will. Ich verstehe nicht recht; erklären Sie mir deutlicher — der junge Mensch scheint ein verstockter

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/82>, abgerufen am 14.05.2024.