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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Starrkopf zu sein; aber er mochte an meinem Sinne brechen.

Sie wissen, Mynheer, fuhr der Scharfrichter in begütigendem Tone fort, daß wir Freimeister ein Privilegium haben, wonach wir berechtigt sind, jedes uneheliche Mädchen -- und wenn es von der allervornehmsten Familie wäre -- zu heirathen. Ein uneheliches Mädchen dürfen die Eltern einem Freimeister nicht versagen, wenn anders das Mädchen selbst in die Heirath willigt; denn wo sollten wir Freimeister sonst wohl Frauen hernehmen? Auf Grund dieses Rechts habe ich auch bei Mynheer um Ihr Pflegekind Galinda geworben.

Sie halten das Mädchen doch nicht für mein Kind? scherzte der ehrenfeste Kaufherr.

Das kann ich schon deßhalb unmöglich vermuthen, versetzte der Freimeister mit einem beobachtenden Blicke, dessen Schärfe Jenen in Verlegenheit setzte, weil Mynheer Ihre Tochter nicht unter Bauern aufwachsen lassen möchten. Aber es giebt Leute, welche mit Bertold und dem alten Baas Zorg glauben, daß die schöne Galinda aus Italien her Ihnen nahe verwandt ist und Mynheer vielleicht Großvaterstelle bei dem Mädchen vertreten.

Das sind alberne Märchen! Sie, lieber Meister, wissen doch, daß meine einzige Tochter Gertrud gerade an dem Tage, wo Galinda geboren wurd, sich hier in meinem Hause mit Mynheer van Eernswaard vermählte. Meine Galinda kann mithin unmöglich meine Enkelin sein. -- Aber das gehört nicht hierher. -- Darf ich

Starrkopf zu sein; aber er mochte an meinem Sinne brechen.

Sie wissen, Mynheer, fuhr der Scharfrichter in begütigendem Tone fort, daß wir Freimeister ein Privilegium haben, wonach wir berechtigt sind, jedes uneheliche Mädchen — und wenn es von der allervornehmsten Familie wäre — zu heirathen. Ein uneheliches Mädchen dürfen die Eltern einem Freimeister nicht versagen, wenn anders das Mädchen selbst in die Heirath willigt; denn wo sollten wir Freimeister sonst wohl Frauen hernehmen? Auf Grund dieses Rechts habe ich auch bei Mynheer um Ihr Pflegekind Galinda geworben.

Sie halten das Mädchen doch nicht für mein Kind? scherzte der ehrenfeste Kaufherr.

Das kann ich schon deßhalb unmöglich vermuthen, versetzte der Freimeister mit einem beobachtenden Blicke, dessen Schärfe Jenen in Verlegenheit setzte, weil Mynheer Ihre Tochter nicht unter Bauern aufwachsen lassen möchten. Aber es giebt Leute, welche mit Bertold und dem alten Baas Zorg glauben, daß die schöne Galinda aus Italien her Ihnen nahe verwandt ist und Mynheer vielleicht Großvaterstelle bei dem Mädchen vertreten.

Das sind alberne Märchen! Sie, lieber Meister, wissen doch, daß meine einzige Tochter Gertrud gerade an dem Tage, wo Galinda geboren wurd, sich hier in meinem Hause mit Mynheer van Eernswaard vermählte. Meine Galinda kann mithin unmöglich meine Enkelin sein. — Aber das gehört nicht hierher. — Darf ich

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[0083] Starrkopf zu sein; aber er mochte an meinem Sinne brechen. Sie wissen, Mynheer, fuhr der Scharfrichter in begütigendem Tone fort, daß wir Freimeister ein Privilegium haben, wonach wir berechtigt sind, jedes uneheliche Mädchen — und wenn es von der allervornehmsten Familie wäre — zu heirathen. Ein uneheliches Mädchen dürfen die Eltern einem Freimeister nicht versagen, wenn anders das Mädchen selbst in die Heirath willigt; denn wo sollten wir Freimeister sonst wohl Frauen hernehmen? Auf Grund dieses Rechts habe ich auch bei Mynheer um Ihr Pflegekind Galinda geworben. Sie halten das Mädchen doch nicht für mein Kind? scherzte der ehrenfeste Kaufherr. Das kann ich schon deßhalb unmöglich vermuthen, versetzte der Freimeister mit einem beobachtenden Blicke, dessen Schärfe Jenen in Verlegenheit setzte, weil Mynheer Ihre Tochter nicht unter Bauern aufwachsen lassen möchten. Aber es giebt Leute, welche mit Bertold und dem alten Baas Zorg glauben, daß die schöne Galinda aus Italien her Ihnen nahe verwandt ist und Mynheer vielleicht Großvaterstelle bei dem Mädchen vertreten. Das sind alberne Märchen! Sie, lieber Meister, wissen doch, daß meine einzige Tochter Gertrud gerade an dem Tage, wo Galinda geboren wurd, sich hier in meinem Hause mit Mynheer van Eernswaard vermählte. Meine Galinda kann mithin unmöglich meine Enkelin sein. — Aber das gehört nicht hierher. — Darf ich

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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/83>, abgerufen am 14.05.2024.