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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nein, das ist er nicht! rief Bertold, sich vergessend, doch sogleich sich mäßigend: ich habe meinen Vater geziemend gebeten -- er weiß es, daß ich ohne Galinda nicht leben kann, und doch sagte er mit kaltem Blute, daß er mich lieber wie einen räudigen Hund aus seinem Hause jagen wolle, als darein willigen, daß ich die Galinda heirathe. So hat mich der Vater verstoßen und mich zum eigenen Herrn gemacht.

Junger Mensch, sagte der ehrwürdige Greis mit hohem Ernst, lernen Sie erst Ihrem Vater gehorchen, ehe Sie kindisch den Herrn spielen wollen.

Soll ich einem hartherzigen Vorurtheil unterliegen? Kann ich Achtung vor der Unvernunft haben, die lieber den Sohn umkommen lassen will, als ihn mit einem braven Mädchen glücklich zu machen, und die befiehlt, daß zwei Unschuldige für die Sünde ungesegneter Eltern büßen sollen?

Sie vergessen, Bertold, ermahnte der Freimeister, daß jeder vernünftige Mensch Rücksichten nehmen muß, die --

Die ich aber auf Unkosten meines Lebensglücks nicht nehmen will! rief der Jüngling entgegen; ich berücksichtige nur den Spruch, den mein Vater mich gelehrt: Thue recht und scheue Niemand.

Ist das auch recht, ein ehrloses Gewerbe ergreifen und ohne Scheu vor der ganzen Welt auf dem Schaffot mit dem Henkerbeil sich entehren? fragte der ehrwürdige Greis; er konnte jedoch ein Gefühl der Achtung

Nein, das ist er nicht! rief Bertold, sich vergessend, doch sogleich sich mäßigend: ich habe meinen Vater geziemend gebeten — er weiß es, daß ich ohne Galinda nicht leben kann, und doch sagte er mit kaltem Blute, daß er mich lieber wie einen räudigen Hund aus seinem Hause jagen wolle, als darein willigen, daß ich die Galinda heirathe. So hat mich der Vater verstoßen und mich zum eigenen Herrn gemacht.

Junger Mensch, sagte der ehrwürdige Greis mit hohem Ernst, lernen Sie erst Ihrem Vater gehorchen, ehe Sie kindisch den Herrn spielen wollen.

Soll ich einem hartherzigen Vorurtheil unterliegen? Kann ich Achtung vor der Unvernunft haben, die lieber den Sohn umkommen lassen will, als ihn mit einem braven Mädchen glücklich zu machen, und die befiehlt, daß zwei Unschuldige für die Sünde ungesegneter Eltern büßen sollen?

Sie vergessen, Bertold, ermahnte der Freimeister, daß jeder vernünftige Mensch Rücksichten nehmen muß, die —

Die ich aber auf Unkosten meines Lebensglücks nicht nehmen will! rief der Jüngling entgegen; ich berücksichtige nur den Spruch, den mein Vater mich gelehrt: Thue recht und scheue Niemand.

Ist das auch recht, ein ehrloses Gewerbe ergreifen und ohne Scheu vor der ganzen Welt auf dem Schaffot mit dem Henkerbeil sich entehren? fragte der ehrwürdige Greis; er konnte jedoch ein Gefühl der Achtung

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[0088] Nein, das ist er nicht! rief Bertold, sich vergessend, doch sogleich sich mäßigend: ich habe meinen Vater geziemend gebeten — er weiß es, daß ich ohne Galinda nicht leben kann, und doch sagte er mit kaltem Blute, daß er mich lieber wie einen räudigen Hund aus seinem Hause jagen wolle, als darein willigen, daß ich die Galinda heirathe. So hat mich der Vater verstoßen und mich zum eigenen Herrn gemacht. Junger Mensch, sagte der ehrwürdige Greis mit hohem Ernst, lernen Sie erst Ihrem Vater gehorchen, ehe Sie kindisch den Herrn spielen wollen. Soll ich einem hartherzigen Vorurtheil unterliegen? Kann ich Achtung vor der Unvernunft haben, die lieber den Sohn umkommen lassen will, als ihn mit einem braven Mädchen glücklich zu machen, und die befiehlt, daß zwei Unschuldige für die Sünde ungesegneter Eltern büßen sollen? Sie vergessen, Bertold, ermahnte der Freimeister, daß jeder vernünftige Mensch Rücksichten nehmen muß, die — Die ich aber auf Unkosten meines Lebensglücks nicht nehmen will! rief der Jüngling entgegen; ich berücksichtige nur den Spruch, den mein Vater mich gelehrt: Thue recht und scheue Niemand. Ist das auch recht, ein ehrloses Gewerbe ergreifen und ohne Scheu vor der ganzen Welt auf dem Schaffot mit dem Henkerbeil sich entehren? fragte der ehrwürdige Greis; er konnte jedoch ein Gefühl der Achtung

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/88>, abgerufen am 14.05.2024.