schwinden eher, als die Nachempfindungen des Gesichts, wie ich oben schon bemerket habe. Die Nachempfin- dungen des Gehörs haben eine mittlere Dauer. Wenn diese Verschiedenheit auch weiter keine Folgen hätte, als daß der Reflexion dadurch eine längere oder kürzere Zeit verstattet wird, um die Empfindung zu beob- achten und Denkungsthätigkeiten mit ihr zu verbinden; so ist auch dieß schon so erheblich, daß es Aufmerksam- keit verdienet.
Aber dieselbigen Erfahrungen, woraus wir diesen Vorzug der Gesichtsempfindungen erlernen, sind zugleich der offenbarste Beweis, daß es dergleichen einige Mo- mente in uns bestehende Nachempfindungen auch bey den Empfindungen des Gehörs und des Gefühls gebe. Man kann, ohne viele künstliche Veranstaltungen zu machen, ein kleines Rad schnell herumdrehen, und ver- mittelst eines feinen biegsamen elastischen Draths, bey jedem Umlauf, die Hand oder das Gesicht auf eine sanf- te aber bemerkbare Art berühren lassen. Wenn die Ge- schwindigkeit des Umlaufs bis zu einer gewissen Größe kommt; so wird die Empfindung in eines fortgehend zu seyn scheinen, ohnerachtet es doch gewiß ist, daß die Eindrücke von außen eine unterbrochene Reihe aus- machen, und durch eine Zwischenzeit von einander abge- sondert sind, welche so groß ist, als die Zeit, in der das Rad umlauft, und der Drath die Hand wiederum be- rühren kann, nachdem er sie das nächste mal berühret hat. Daß es bey den Empfindungen des Gehörs auf die nemliche Art sich verhalte, nehme ich hier an, als etwas, das schon bekannt ist.
Die Einbildungen der Töne, der verschiedenen Ge- ruchsarten u. s. f. beweisen es unwidersprechlich, daß aus den ersten Empfindungen in uns etwas zurückgeblie- ben sey. Es mag so wenig seyn, als es wolle; so kann es durch eine innere Ursache in uns, ohne den empfun-
denen
I. Verſuch. Ueber die Natur
ſchwinden eher, als die Nachempfindungen des Geſichts, wie ich oben ſchon bemerket habe. Die Nachempfin- dungen des Gehoͤrs haben eine mittlere Dauer. Wenn dieſe Verſchiedenheit auch weiter keine Folgen haͤtte, als daß der Reflexion dadurch eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit verſtattet wird, um die Empfindung zu beob- achten und Denkungsthaͤtigkeiten mit ihr zu verbinden; ſo iſt auch dieß ſchon ſo erheblich, daß es Aufmerkſam- keit verdienet.
Aber dieſelbigen Erfahrungen, woraus wir dieſen Vorzug der Geſichtsempfindungen erlernen, ſind zugleich der offenbarſte Beweis, daß es dergleichen einige Mo- mente in uns beſtehende Nachempfindungen auch bey den Empfindungen des Gehoͤrs und des Gefuͤhls gebe. Man kann, ohne viele kuͤnſtliche Veranſtaltungen zu machen, ein kleines Rad ſchnell herumdrehen, und ver- mittelſt eines feinen biegſamen elaſtiſchen Draths, bey jedem Umlauf, die Hand oder das Geſicht auf eine ſanf- te aber bemerkbare Art beruͤhren laſſen. Wenn die Ge- ſchwindigkeit des Umlaufs bis zu einer gewiſſen Groͤße kommt; ſo wird die Empfindung in eines fortgehend zu ſeyn ſcheinen, ohnerachtet es doch gewiß iſt, daß die Eindruͤcke von außen eine unterbrochene Reihe aus- machen, und durch eine Zwiſchenzeit von einander abge- ſondert ſind, welche ſo groß iſt, als die Zeit, in der das Rad umlauft, und der Drath die Hand wiederum be- ruͤhren kann, nachdem er ſie das naͤchſte mal beruͤhret hat. Daß es bey den Empfindungen des Gehoͤrs auf die nemliche Art ſich verhalte, nehme ich hier an, als etwas, das ſchon bekannt iſt.
Die Einbildungen der Toͤne, der verſchiedenen Ge- ruchsarten u. ſ. f. beweiſen es unwiderſprechlich, daß aus den erſten Empfindungen in uns etwas zuruͤckgeblie- ben ſey. Es mag ſo wenig ſeyn, als es wolle; ſo kann es durch eine innere Urſache in uns, ohne den empfun-
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I. Verſuch. Ueber die Natur
ſchwinden eher, als die Nachempfindungen des Geſichts,
wie ich oben ſchon bemerket habe. Die Nachempfin-
dungen des Gehoͤrs haben eine mittlere Dauer.
Wenn dieſe Verſchiedenheit auch weiter keine Folgen
haͤtte, als daß der Reflexion dadurch eine laͤngere oder
kuͤrzere Zeit verſtattet wird, um die Empfindung zu beob-
achten und Denkungsthaͤtigkeiten mit ihr zu verbinden;
ſo iſt auch dieß ſchon ſo erheblich, daß es Aufmerkſam-
keit verdienet.
Aber dieſelbigen Erfahrungen, woraus wir dieſen
Vorzug der Geſichtsempfindungen erlernen, ſind zugleich
der offenbarſte Beweis, daß es dergleichen einige Mo-
mente in uns beſtehende Nachempfindungen auch bey
den Empfindungen des Gehoͤrs und des Gefuͤhls gebe.
Man kann, ohne viele kuͤnſtliche Veranſtaltungen zu
machen, ein kleines Rad ſchnell herumdrehen, und ver-
mittelſt eines feinen biegſamen elaſtiſchen Draths, bey
jedem Umlauf, die Hand oder das Geſicht auf eine ſanf-
te aber bemerkbare Art beruͤhren laſſen. Wenn die Ge-
ſchwindigkeit des Umlaufs bis zu einer gewiſſen Groͤße
kommt; ſo wird die Empfindung in eines fortgehend
zu ſeyn ſcheinen, ohnerachtet es doch gewiß iſt, daß die
Eindruͤcke von außen eine unterbrochene Reihe aus-
machen, und durch eine Zwiſchenzeit von einander abge-
ſondert ſind, welche ſo groß iſt, als die Zeit, in der das
Rad umlauft, und der Drath die Hand wiederum be-
ruͤhren kann, nachdem er ſie das naͤchſte mal beruͤhret
hat. Daß es bey den Empfindungen des Gehoͤrs auf
die nemliche Art ſich verhalte, nehme ich hier an, als
etwas, das ſchon bekannt iſt.
Die Einbildungen der Toͤne, der verſchiedenen Ge-
ruchsarten u. ſ. f. beweiſen es unwiderſprechlich, daß
aus den erſten Empfindungen in uns etwas zuruͤckgeblie-
ben ſey. Es mag ſo wenig ſeyn, als es wolle; ſo kann
es durch eine innere Urſache in uns, ohne den empfun-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/102>, abgerufen am 22.12.2024.
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