Empfindung. Wenn diese nicht zu den gleichgülti- gen gehöret, wenn sie afficirt, wenn sie uns gefällt oder mißfällt, so ist sie, von dieser Seite betrachtet, was nach dem gewöhnlichsten Gebrauch des Worts Em- pfindniß oder eine Rührung genennet wird. Herr Bonnet nennet die Empfindung, wenn sie eine Em- pfindniß ist, Sensation. Die gleichgültige Empfin- dung, das bloße Aufnehmen des Eindrucks mit dem Aktus des Fühlens zusammen, heißt bey ihm die Per- ception.*) An die Bonnetische Art, sich auszudrücken erinnere ich hier, weil ich glaube, daß man oft Gelegen- heiten haben werde, seine Begriffe mit den meinigen zu vergleichen.
Der sinnliche gefühlte Eindruck von der Sonne wird zu einer Nachempfindung und Empfindungs- vorstellung. (Man sehe Abth. V. des vorhergehenden Versuchs über die Vorstellungen.) Alsdenn ist es eine Perception, und das Empfinden ist ein Percipi- ren eines gegenwärtigen Objekts. Die Perception ist es, zu der sich die Apperception, das Unterscheiden, oder der Gedanke: dieß ist etwas unterschiedenes; es ist eine besondere Modifikation; es ist ein besonders Objekt, hin- zugesellet. Alsdenn ist man sich des Gefühls und der Sache bewußt, man nimmt sie gewahr. Die Empfindungsvorstellung wird eine Jdee des Em- pfundenen(sentiment) und die Empfindung ist eine klare Empfindung.
Die Wörter Gefühl und Fühlen haben jetzo bey- nahe einen so ausgedehnten Umfang erhalten, als die Wörter: Empfindung und Empfinden. Aber doch scheinet noch einiger Unterschied zwischen ihnen statt zu finden. Fühlen gehet mehr auf den Aktus des Em- pfindens, als auf den Gegenstand desselben, und Ge-
fühle,
*)Essai Analytique §. 196.
L 4
uͤber Empfindungen u. Empfindniſſe.
Empfindung. Wenn dieſe nicht zu den gleichguͤlti- gen gehoͤret, wenn ſie afficirt, wenn ſie uns gefaͤllt oder mißfaͤllt, ſo iſt ſie, von dieſer Seite betrachtet, was nach dem gewoͤhnlichſten Gebrauch des Worts Em- pfindniß oder eine Ruͤhrung genennet wird. Herr Bonnet nennet die Empfindung, wenn ſie eine Em- pfindniß iſt, Senſation. Die gleichguͤltige Empfin- dung, das bloße Aufnehmen des Eindrucks mit dem Aktus des Fuͤhlens zuſammen, heißt bey ihm die Per- ception.*) An die Bonnetiſche Art, ſich auszudruͤcken erinnere ich hier, weil ich glaube, daß man oft Gelegen- heiten haben werde, ſeine Begriffe mit den meinigen zu vergleichen.
Der ſinnliche gefuͤhlte Eindruck von der Sonne wird zu einer Nachempfindung und Empfindungs- vorſtellung. (Man ſehe Abth. V. des vorhergehenden Verſuchs uͤber die Vorſtellungen.) Alsdenn iſt es eine Perception, und das Empfinden iſt ein Percipi- ren eines gegenwaͤrtigen Objekts. Die Perception iſt es, zu der ſich die Apperception, das Unterſcheiden, oder der Gedanke: dieß iſt etwas unterſchiedenes; es iſt eine beſondere Modifikation; es iſt ein beſonders Objekt, hin- zugeſellet. Alsdenn iſt man ſich des Gefuͤhls und der Sache bewußt, man nimmt ſie gewahr. Die Empfindungsvorſtellung wird eine Jdee des Em- pfundenen(ſentiment) und die Empfindung iſt eine klare Empfindung.
Die Woͤrter Gefuͤhl und Fuͤhlen haben jetzo bey- nahe einen ſo ausgedehnten Umfang erhalten, als die Woͤrter: Empfindung und Empfinden. Aber doch ſcheinet noch einiger Unterſchied zwiſchen ihnen ſtatt zu finden. Fuͤhlen gehet mehr auf den Aktus des Em- pfindens, als auf den Gegenſtand deſſelben, und Ge-
fuͤhle,
*)Eſſai Analytique §. 196.
L 4
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uͤber Empfindungen u. Empfindniſſe.
Empfindung. Wenn dieſe nicht zu den gleichguͤlti-
gen gehoͤret, wenn ſie afficirt, wenn ſie uns gefaͤllt oder
mißfaͤllt, ſo iſt ſie, von dieſer Seite betrachtet, was
nach dem gewoͤhnlichſten Gebrauch des Worts Em-
pfindniß oder eine Ruͤhrung genennet wird. Herr
Bonnet nennet die Empfindung, wenn ſie eine Em-
pfindniß iſt, Senſation. Die gleichguͤltige Empfin-
dung, das bloße Aufnehmen des Eindrucks mit dem
Aktus des Fuͤhlens zuſammen, heißt bey ihm die Per-
ception. *) An die Bonnetiſche Art, ſich auszudruͤcken
erinnere ich hier, weil ich glaube, daß man oft Gelegen-
heiten haben werde, ſeine Begriffe mit den meinigen zu
vergleichen.
Der ſinnliche gefuͤhlte Eindruck von der Sonne wird
zu einer Nachempfindung und Empfindungs-
vorſtellung. (Man ſehe Abth. V. des vorhergehenden
Verſuchs uͤber die Vorſtellungen.) Alsdenn iſt es eine
Perception, und das Empfinden iſt ein Percipi-
ren eines gegenwaͤrtigen Objekts. Die Perception iſt
es, zu der ſich die Apperception, das Unterſcheiden, oder
der Gedanke: dieß iſt etwas unterſchiedenes; es iſt eine
beſondere Modifikation; es iſt ein beſonders Objekt, hin-
zugeſellet. Alsdenn iſt man ſich des Gefuͤhls und
der Sache bewußt, man nimmt ſie gewahr.
Die Empfindungsvorſtellung wird eine Jdee des Em-
pfundenen (ſentiment) und die Empfindung iſt eine
klare Empfindung.
Die Woͤrter Gefuͤhl und Fuͤhlen haben jetzo bey-
nahe einen ſo ausgedehnten Umfang erhalten, als die
Woͤrter: Empfindung und Empfinden. Aber
doch ſcheinet noch einiger Unterſchied zwiſchen ihnen ſtatt
zu finden. Fuͤhlen gehet mehr auf den Aktus des Em-
pfindens, als auf den Gegenſtand deſſelben, und Ge-
fuͤhle,
*) Eſſai Analytique §. 196.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/227>, abgerufen am 22.12.2024.
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