Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
giebt besondere. Solche mit einiger Voll-
ständigkeit zu übersehen, dient die Spekulation
des Metaphysikers als das Eine Auge, und
die Beobachtung der Natur als das zweyte;
wenn gleich dieß letztere das fertigste ist, wo-
mit man am öftersten allein siehet. Es haben
doch auch die Logiker und Metaphysiker durch
ihre allgemeine Betrachtungen wirklich hierinn
etwas vorgearbeitet, und ich wollte nur bey-
läufig erinnern, daß man ihre Bemühungen
nicht für so ganz unbedeutend anzusehen habe.

Als ein Beyspiel einer besondern Maxime
bey dem Gebrauch der Analogie, wie Hr. Bon-
net
sie wünschte, kann vielleicht die nachstehen-
de Bemerkung dienen, die uns oft bey psycho-
logischen Beobachtungen an die Hand gegeben
wird. Schließt man nach der Analogie, so
wird vorausgesetzt, daß die Natur einförmig
und sich im Jnnern ähnlich sey, von der wir
doch auch zugleich wissen, daß sie die Abwech-
selung und Mannigfaltigkeit bis ins Unendli-
che liebet. Das letztere offenbaret sich am er-
sten und am häufigsten in den Größen, in
Graden und Stufen; die Einförmigkeit fin-
det mehr in den absoluten Qualitäten Statt.
Je mehr man die Wirkungen der Natur stu-
diert, je mehr nähert man sich der großen leib-
nitzischen
Jdee, die Mannigfaltigkeit in den
Dingen bestehe am Ende nur in einem Mehr
und Weniger in den Größen der Grundkräfte,
wobey die Kräfte selbst einerleyartig sind, und
dieselbigen allgemeinen Gesetze befolgen. Aber

bis

Vorrede.
giebt beſondere. Solche mit einiger Voll-
ſtaͤndigkeit zu uͤberſehen, dient die Spekulation
des Metaphyſikers als das Eine Auge, und
die Beobachtung der Natur als das zweyte;
wenn gleich dieß letztere das fertigſte iſt, wo-
mit man am oͤfterſten allein ſiehet. Es haben
doch auch die Logiker und Metaphyſiker durch
ihre allgemeine Betrachtungen wirklich hierinn
etwas vorgearbeitet, und ich wollte nur bey-
laͤufig erinnern, daß man ihre Bemuͤhungen
nicht fuͤr ſo ganz unbedeutend anzuſehen habe.

Als ein Beyſpiel einer beſondern Maxime
bey dem Gebrauch der Analogie, wie Hr. Bon-
net
ſie wuͤnſchte, kann vielleicht die nachſtehen-
de Bemerkung dienen, die uns oft bey pſycho-
logiſchen Beobachtungen an die Hand gegeben
wird. Schließt man nach der Analogie, ſo
wird vorausgeſetzt, daß die Natur einfoͤrmig
und ſich im Jnnern aͤhnlich ſey, von der wir
doch auch zugleich wiſſen, daß ſie die Abwech-
ſelung und Mannigfaltigkeit bis ins Unendli-
che liebet. Das letztere offenbaret ſich am er-
ſten und am haͤufigſten in den Groͤßen, in
Graden und Stufen; die Einfoͤrmigkeit fin-
det mehr in den abſoluten Qualitaͤten Statt.
Je mehr man die Wirkungen der Natur ſtu-
diert, je mehr naͤhert man ſich der großen leib-
nitziſchen
Jdee, die Mannigfaltigkeit in den
Dingen beſtehe am Ende nur in einem Mehr
und Weniger in den Groͤßen der Grundkraͤfte,
wobey die Kraͤfte ſelbſt einerleyartig ſind, und
dieſelbigen allgemeinen Geſetze befolgen. Aber

bis
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="XXIV"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/>
giebt <hi rendition="#fr">be&#x017F;ondere.</hi> Solche mit einiger Voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit zu u&#x0364;ber&#x017F;ehen, dient die Spekulation<lb/>
des Metaphy&#x017F;ikers als das Eine Auge, und<lb/>
die Beobachtung der Natur als das zweyte;<lb/>
wenn gleich dieß letztere das fertig&#x017F;te i&#x017F;t, wo-<lb/>
mit man am o&#x0364;fter&#x017F;ten allein &#x017F;iehet. Es haben<lb/>
doch auch die Logiker und Metaphy&#x017F;iker durch<lb/>
ihre allgemeine Betrachtungen wirklich hierinn<lb/>
etwas vorgearbeitet, und ich wollte nur bey-<lb/>
la&#x0364;ufig erinnern, daß man ihre Bemu&#x0364;hungen<lb/>
nicht fu&#x0364;r &#x017F;o ganz unbedeutend anzu&#x017F;ehen habe.</p><lb/>
        <p>Als ein Bey&#x017F;piel einer be&#x017F;ondern Maxime<lb/>
bey dem Gebrauch der Analogie, wie Hr. <hi rendition="#fr">Bon-<lb/>
net</hi> &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;chte, kann vielleicht die nach&#x017F;tehen-<lb/>
de Bemerkung dienen, die uns oft bey p&#x017F;ycho-<lb/>
logi&#x017F;chen Beobachtungen an die Hand gegeben<lb/>
wird. Schließt man nach der Analogie, &#x017F;o<lb/>
wird vorausge&#x017F;etzt, daß die Natur einfo&#x0364;rmig<lb/>
und &#x017F;ich im Jnnern a&#x0364;hnlich &#x017F;ey, von der wir<lb/>
doch auch zugleich wi&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie die Abwech-<lb/>
&#x017F;elung und Mannigfaltigkeit bis ins Unendli-<lb/>
che liebet. Das letztere offenbaret &#x017F;ich am er-<lb/>
&#x017F;ten und am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten in den <hi rendition="#fr">Gro&#x0364;ßen,</hi> in<lb/><hi rendition="#fr">Graden</hi> und <hi rendition="#fr">Stufen;</hi> die Einfo&#x0364;rmigkeit fin-<lb/>
det mehr in den <hi rendition="#fr">ab&#x017F;oluten Qualita&#x0364;ten</hi> Statt.<lb/>
Je mehr man die Wirkungen der Natur &#x017F;tu-<lb/>
diert, je mehr na&#x0364;hert man &#x017F;ich der großen <hi rendition="#fr">leib-<lb/>
nitzi&#x017F;chen</hi> Jdee, die Mannigfaltigkeit in den<lb/>
Dingen be&#x017F;tehe am Ende nur in einem <hi rendition="#fr">Mehr</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Weniger</hi> in den Gro&#x0364;ßen der Grundkra&#x0364;fte,<lb/>
wobey die Kra&#x0364;fte &#x017F;elb&#x017F;t einerleyartig &#x017F;ind, und<lb/>
die&#x017F;elbigen allgemeinen Ge&#x017F;etze befolgen. Aber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bis</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXIV/0028] Vorrede. giebt beſondere. Solche mit einiger Voll- ſtaͤndigkeit zu uͤberſehen, dient die Spekulation des Metaphyſikers als das Eine Auge, und die Beobachtung der Natur als das zweyte; wenn gleich dieß letztere das fertigſte iſt, wo- mit man am oͤfterſten allein ſiehet. Es haben doch auch die Logiker und Metaphyſiker durch ihre allgemeine Betrachtungen wirklich hierinn etwas vorgearbeitet, und ich wollte nur bey- laͤufig erinnern, daß man ihre Bemuͤhungen nicht fuͤr ſo ganz unbedeutend anzuſehen habe. Als ein Beyſpiel einer beſondern Maxime bey dem Gebrauch der Analogie, wie Hr. Bon- net ſie wuͤnſchte, kann vielleicht die nachſtehen- de Bemerkung dienen, die uns oft bey pſycho- logiſchen Beobachtungen an die Hand gegeben wird. Schließt man nach der Analogie, ſo wird vorausgeſetzt, daß die Natur einfoͤrmig und ſich im Jnnern aͤhnlich ſey, von der wir doch auch zugleich wiſſen, daß ſie die Abwech- ſelung und Mannigfaltigkeit bis ins Unendli- che liebet. Das letztere offenbaret ſich am er- ſten und am haͤufigſten in den Groͤßen, in Graden und Stufen; die Einfoͤrmigkeit fin- det mehr in den abſoluten Qualitaͤten Statt. Je mehr man die Wirkungen der Natur ſtu- diert, je mehr naͤhert man ſich der großen leib- nitziſchen Jdee, die Mannigfaltigkeit in den Dingen beſtehe am Ende nur in einem Mehr und Weniger in den Groͤßen der Grundkraͤfte, wobey die Kraͤfte ſelbſt einerleyartig ſind, und dieſelbigen allgemeinen Geſetze befolgen. Aber bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/28
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/28>, abgerufen am 02.05.2024.