Diese Anmerkungen sind Grundsätze in der Optik des Gemüths. Wenden wir uns mit ihnen versehen nunmehr zu den Erscheinungen, in der Absicht, die Em- pfindungen, die ihrer Natur nach und ursprünglich Empfindnisse sind, auszumerken; so zeiget sich bald, daß die körperlichen äußern Empfindungen der Zeitordnung nach bey dem Menschen die Ersten unter ihnen sind. Gefühl, Geschmack sind bey dem Kinde die Sinne, deren Empfindungen zuerst angenehm oder wi- drig sind. Es beweiset sich dieses in ihren Bestrebun- gen, von einigen Dingen sich zu entfernen, und zu andern sich hinzu zu nähern. Der Geruch ist ein Sinn, der schon weniger bestimmt ist, und vielleicht, ehe er durch Uebung verfeinert wird, der gleichgültigste. Diese Em- pfindungen sind auch die gröbsten, dunkelsten und stärk- sten. Auf die Eindrücke, die das Gehör und das Ge- sicht empfangen, wird das Kind schon mehr durch die Amme von außen her aufmerksam gemacht, indem sie ihm allerley glänzende Gegenstände vorhält, und durch einen lebhaften Ausdruck ihres eigenen Vergnügens oder Verdrußes, zu einer ähnlichen sympathetischen Empfind- niß es zu reizen suchet. Eben so machet man es mit ge- wissen Schallarten der Klapperbüchse und Schellen. Und dann sieht man erst nachher, daß das Kind eine Auswahl anstellet, und dadurch zu erkennen giebt, daß ihm eine Art von Bildern und von Tönen angenehmer geworden sey, als eine andere.
Das innere Selbstgefühl, das Gefühl eige- ner Thätigkeiten, der Phantasie, der Denkkraft, des Herzens u. s. f. entwickelt sich zwar zwischendurch mit den äußern Sinnen, aber es ist doch immer, so zu sagen, um einen Schritt zurück. Da es schon bey den feinern Empfindungen der äußern Sinne erfodert wird,
durch
II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
4.
Dieſe Anmerkungen ſind Grundſaͤtze in der Optik des Gemuͤths. Wenden wir uns mit ihnen verſehen nunmehr zu den Erſcheinungen, in der Abſicht, die Em- pfindungen, die ihrer Natur nach und urſpruͤnglich Empfindniſſe ſind, auszumerken; ſo zeiget ſich bald, daß die koͤrperlichen aͤußern Empfindungen der Zeitordnung nach bey dem Menſchen die Erſten unter ihnen ſind. Gefuͤhl, Geſchmack ſind bey dem Kinde die Sinne, deren Empfindungen zuerſt angenehm oder wi- drig ſind. Es beweiſet ſich dieſes in ihren Beſtrebun- gen, von einigen Dingen ſich zu entfernen, und zu andern ſich hinzu zu naͤhern. Der Geruch iſt ein Sinn, der ſchon weniger beſtimmt iſt, und vielleicht, ehe er durch Uebung verfeinert wird, der gleichguͤltigſte. Dieſe Em- pfindungen ſind auch die groͤbſten, dunkelſten und ſtaͤrk- ſten. Auf die Eindruͤcke, die das Gehoͤr und das Ge- ſicht empfangen, wird das Kind ſchon mehr durch die Amme von außen her aufmerkſam gemacht, indem ſie ihm allerley glaͤnzende Gegenſtaͤnde vorhaͤlt, und durch einen lebhaften Ausdruck ihres eigenen Vergnuͤgens oder Verdrußes, zu einer aͤhnlichen ſympathetiſchen Empfind- niß es zu reizen ſuchet. Eben ſo machet man es mit ge- wiſſen Schallarten der Klapperbuͤchſe und Schellen. Und dann ſieht man erſt nachher, daß das Kind eine Auswahl anſtellet, und dadurch zu erkennen giebt, daß ihm eine Art von Bildern und von Toͤnen angenehmer geworden ſey, als eine andere.
Das innere Selbſtgefuͤhl, das Gefuͤhl eige- ner Thaͤtigkeiten, der Phantaſie, der Denkkraft, des Herzens u. ſ. f. entwickelt ſich zwar zwiſchendurch mit den aͤußern Sinnen, aber es iſt doch immer, ſo zu ſagen, um einen Schritt zuruͤck. Da es ſchon bey den feinern Empfindungen der aͤußern Sinne erfodert wird,
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II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
4.
Dieſe Anmerkungen ſind Grundſaͤtze in der Optik
des Gemuͤths. Wenden wir uns mit ihnen verſehen
nunmehr zu den Erſcheinungen, in der Abſicht, die Em-
pfindungen, die ihrer Natur nach und urſpruͤnglich
Empfindniſſe ſind, auszumerken; ſo zeiget ſich bald,
daß die koͤrperlichen aͤußern Empfindungen der
Zeitordnung nach bey dem Menſchen die Erſten unter
ihnen ſind. Gefuͤhl, Geſchmack ſind bey dem Kinde die
Sinne, deren Empfindungen zuerſt angenehm oder wi-
drig ſind. Es beweiſet ſich dieſes in ihren Beſtrebun-
gen, von einigen Dingen ſich zu entfernen, und zu andern
ſich hinzu zu naͤhern. Der Geruch iſt ein Sinn, der
ſchon weniger beſtimmt iſt, und vielleicht, ehe er durch
Uebung verfeinert wird, der gleichguͤltigſte. Dieſe Em-
pfindungen ſind auch die groͤbſten, dunkelſten und ſtaͤrk-
ſten. Auf die Eindruͤcke, die das Gehoͤr und das Ge-
ſicht empfangen, wird das Kind ſchon mehr durch die
Amme von außen her aufmerkſam gemacht, indem ſie
ihm allerley glaͤnzende Gegenſtaͤnde vorhaͤlt, und durch
einen lebhaften Ausdruck ihres eigenen Vergnuͤgens oder
Verdrußes, zu einer aͤhnlichen ſympathetiſchen Empfind-
niß es zu reizen ſuchet. Eben ſo machet man es mit ge-
wiſſen Schallarten der Klapperbuͤchſe und Schellen.
Und dann ſieht man erſt nachher, daß das Kind eine
Auswahl anſtellet, und dadurch zu erkennen giebt, daß
ihm eine Art von Bildern und von Toͤnen angenehmer
geworden ſey, als eine andere.
Das innere Selbſtgefuͤhl, das Gefuͤhl eige-
ner Thaͤtigkeiten, der Phantaſie, der Denkkraft, des
Herzens u. ſ. f. entwickelt ſich zwar zwiſchendurch mit
den aͤußern Sinnen, aber es iſt doch immer, ſo zu
ſagen, um einen Schritt zuruͤck. Da es ſchon bey den
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/298>, abgerufen am 22.12.2024.
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