der, davon jedwedes einzelne einen fast glei- chen Antheil an dem ganzen regierenden Prin- cip hat; in diesem ist eine einzige Substanz, die als Jch die Herrschaft führt, oder doch we- nigstens überwiegende Vorzüge hat. Wenn der Mensch auf dieser äußersten Stufe stehet, so ist es wiederum der Analogie der Natur ge- mäß, nach welcher keine einzelne Beschaffen- heit Einer Gattung von Dingen allein zu- kommt, daß dieselbige Einheit einer Seele, als herrschenden Substanz, auch in noch mehrern Thierarten vorhanden sey, obgleich die Herr- schaft der Seele in ihnen mehr eingeschränkt ist, wobey eine unendliche Mannigfaltigkeit in Graden Statt finden kann.
So sorgfältig ich übrigens die Einmischung der Hypothesen unter den Erfahrungssätzen zu vermeiden gesucht, so habe ich deswegen mich doch nicht enthalten, Folgerungen und Schlüs- se aus den Beobachtungen zu ziehen, und sie dadurch zu verbinden. Auch habe ichs mir hie und da erlaubet, eine Anwendung von allge- meinen Betrachtungen zu machen. Die Er- fahrungen sind jedesmal von den Raisonne- ments die man über sie anstellet, zu unter- scheiden, aber es ist hier desto mehr erlaubet, sie darunter zu mischen, da man in der Psycho- logie an simpeln Aufzählungen der Begeben- heiten noch nicht so gewöhnt ist, als in der Na- turlehre. Zum Theil ist es hier auch schwe- rer, die Raisonnements so strenge abzusondern. Sollte eine völlige Umarbeitung der Seelen-
lehre
Vorrede.
der, davon jedwedes einzelne einen faſt glei- chen Antheil an dem ganzen regierenden Prin- cip hat; in dieſem iſt eine einzige Subſtanz, die als Jch die Herrſchaft fuͤhrt, oder doch we- nigſtens uͤberwiegende Vorzuͤge hat. Wenn der Menſch auf dieſer aͤußerſten Stufe ſtehet, ſo iſt es wiederum der Analogie der Natur ge- maͤß, nach welcher keine einzelne Beſchaffen- heit Einer Gattung von Dingen allein zu- kommt, daß dieſelbige Einheit einer Seele, als herrſchenden Subſtanz, auch in noch mehrern Thierarten vorhanden ſey, obgleich die Herr- ſchaft der Seele in ihnen mehr eingeſchraͤnkt iſt, wobey eine unendliche Mannigfaltigkeit in Graden Statt finden kann.
So ſorgfaͤltig ich uͤbrigens die Einmiſchung der Hypotheſen unter den Erfahrungsſaͤtzen zu vermeiden geſucht, ſo habe ich deswegen mich doch nicht enthalten, Folgerungen und Schluͤſ- ſe aus den Beobachtungen zu ziehen, und ſie dadurch zu verbinden. Auch habe ichs mir hie und da erlaubet, eine Anwendung von allge- meinen Betrachtungen zu machen. Die Er- fahrungen ſind jedesmal von den Raiſonne- ments die man uͤber ſie anſtellet, zu unter- ſcheiden, aber es iſt hier deſto mehr erlaubet, ſie darunter zu miſchen, da man in der Pſycho- logie an ſimpeln Aufzaͤhlungen der Begeben- heiten noch nicht ſo gewoͤhnt iſt, als in der Na- turlehre. Zum Theil iſt es hier auch ſchwe- rer, die Raiſonnements ſo ſtrenge abzuſondern. Sollte eine voͤllige Umarbeitung der Seelen-
lehre
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[XXIX/0033]
Vorrede.
der, davon jedwedes einzelne einen faſt glei-
chen Antheil an dem ganzen regierenden Prin-
cip hat; in dieſem iſt eine einzige Subſtanz,
die als Jch die Herrſchaft fuͤhrt, oder doch we-
nigſtens uͤberwiegende Vorzuͤge hat. Wenn
der Menſch auf dieſer aͤußerſten Stufe ſtehet,
ſo iſt es wiederum der Analogie der Natur ge-
maͤß, nach welcher keine einzelne Beſchaffen-
heit Einer Gattung von Dingen allein zu-
kommt, daß dieſelbige Einheit einer Seele, als
herrſchenden Subſtanz, auch in noch mehrern
Thierarten vorhanden ſey, obgleich die Herr-
ſchaft der Seele in ihnen mehr eingeſchraͤnkt iſt,
wobey eine unendliche Mannigfaltigkeit in
Graden Statt finden kann.
So ſorgfaͤltig ich uͤbrigens die Einmiſchung
der Hypotheſen unter den Erfahrungsſaͤtzen zu
vermeiden geſucht, ſo habe ich deswegen mich
doch nicht enthalten, Folgerungen und Schluͤſ-
ſe aus den Beobachtungen zu ziehen, und ſie
dadurch zu verbinden. Auch habe ichs mir hie
und da erlaubet, eine Anwendung von allge-
meinen Betrachtungen zu machen. Die Er-
fahrungen ſind jedesmal von den Raiſonne-
ments die man uͤber ſie anſtellet, zu unter-
ſcheiden, aber es iſt hier deſto mehr erlaubet,
ſie darunter zu miſchen, da man in der Pſycho-
logie an ſimpeln Aufzaͤhlungen der Begeben-
heiten noch nicht ſo gewoͤhnt iſt, als in der Na-
turlehre. Zum Theil iſt es hier auch ſchwe-
rer, die Raiſonnements ſo ſtrenge abzuſondern.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. XXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/33>, abgerufen am 22.12.2024.
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