innere Stärke derselben nicht gekannt, durch seine skepti- schen Vernünfteleyen sie wankend machen zu können, ge- glaubet hat.
Hume glaubte, gefunden zu haben, der Begrif von der Abhängigkeit der Wirkung von ihrer Ursache, oder, von der ursachlichen Verbindung, von der Verursachung u. s. w. wie man ihn benennen will, sey am Ende nichts, als eine Wirkung der Einbildungs- kraft, und seine ganze Entstehungsart lasse sich aus dem Gesetz der Association der Jdeen erklären. Die Beobach- tungen, auf welche dieser Philosoph sich zur Bestätigung seiner Meinung beruft, beweisen, mit wie scharfen Au- gen er in die Natur des menschlichen Verstandes gesehen habe; aber dennoch meine ich, er würde selbst seine Er- klärung unzulänglich gefunden haben, wenn nicht eine Seite der Operation des Verstandes allein ihn aufgehal- ten hätte, wenn er nicht andere übersehen, oder doch we- niger deutlich bemerket hätte.
Wir haben -- so ist das Raisonnement von ihm und andern, die ihm darinn gefolget sind -- die beiden Gegenstände, davon wir den Einen die Ursache, und den andern die Wirkung nennen, in unsern Em- pfindungen beständig mit einander in Verbindung ge- funden. Die Empfindung dessen, was wir die Ur- sache nennen, ist vorhergegangen, und die Empfin- dung der Wirkung ist nachgefolgt. Die Jdeen von ihnen sind also in dieser Ordnung und Verbindung ent- standen, in eben derselbigen wieder hervorgebracht, und uns fast allemal in der nämlichen Ordnung gegenwärtig gewesen. Wir haben z. B. eine Kugel mit einer Schnelligkeit auf eine andere zufahren, und an sie an- stoßen gesehen; alsdenn ist eine neue Bewegung in der letztern empfunden worden. Wir haben es alle Tage hell werden sehen, mit dem Aufgang der Sonne. Sol- che beständig einander begleitende und auf einander fol-
gende
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und uͤber das Denken.
innere Staͤrke derſelben nicht gekannt, durch ſeine ſkepti- ſchen Vernuͤnfteleyen ſie wankend machen zu koͤnnen, ge- glaubet hat.
Hume glaubte, gefunden zu haben, der Begrif von der Abhaͤngigkeit der Wirkung von ihrer Urſache, oder, von der urſachlichen Verbindung, von der Verurſachung u. ſ. w. wie man ihn benennen will, ſey am Ende nichts, als eine Wirkung der Einbildungs- kraft, und ſeine ganze Entſtehungsart laſſe ſich aus dem Geſetz der Aſſociation der Jdeen erklaͤren. Die Beobach- tungen, auf welche dieſer Philoſoph ſich zur Beſtaͤtigung ſeiner Meinung beruft, beweiſen, mit wie ſcharfen Au- gen er in die Natur des menſchlichen Verſtandes geſehen habe; aber dennoch meine ich, er wuͤrde ſelbſt ſeine Er- klaͤrung unzulaͤnglich gefunden haben, wenn nicht eine Seite der Operation des Verſtandes allein ihn aufgehal- ten haͤtte, wenn er nicht andere uͤberſehen, oder doch we- niger deutlich bemerket haͤtte.
Wir haben — ſo iſt das Raiſonnement von ihm und andern, die ihm darinn gefolget ſind — die beiden Gegenſtaͤnde, davon wir den Einen die Urſache, und den andern die Wirkung nennen, in unſern Em- pfindungen beſtaͤndig mit einander in Verbindung ge- funden. Die Empfindung deſſen, was wir die Ur- ſache nennen, iſt vorhergegangen, und die Empfin- dung der Wirkung iſt nachgefolgt. Die Jdeen von ihnen ſind alſo in dieſer Ordnung und Verbindung ent- ſtanden, in eben derſelbigen wieder hervorgebracht, und uns faſt allemal in der naͤmlichen Ordnung gegenwaͤrtig geweſen. Wir haben z. B. eine Kugel mit einer Schnelligkeit auf eine andere zufahren, und an ſie an- ſtoßen geſehen; alsdenn iſt eine neue Bewegung in der letztern empfunden worden. Wir haben es alle Tage hell werden ſehen, mit dem Aufgang der Sonne. Sol- che beſtaͤndig einander begleitende und auf einander fol-
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und uͤber das Denken.
innere Staͤrke derſelben nicht gekannt, durch ſeine ſkepti-
ſchen Vernuͤnfteleyen ſie wankend machen zu koͤnnen, ge-
glaubet hat.
Hume glaubte, gefunden zu haben, der Begrif von
der Abhaͤngigkeit der Wirkung von ihrer Urſache,
oder, von der urſachlichen Verbindung, von der
Verurſachung u. ſ. w. wie man ihn benennen will, ſey
am Ende nichts, als eine Wirkung der Einbildungs-
kraft, und ſeine ganze Entſtehungsart laſſe ſich aus dem
Geſetz der Aſſociation der Jdeen erklaͤren. Die Beobach-
tungen, auf welche dieſer Philoſoph ſich zur Beſtaͤtigung
ſeiner Meinung beruft, beweiſen, mit wie ſcharfen Au-
gen er in die Natur des menſchlichen Verſtandes geſehen
habe; aber dennoch meine ich, er wuͤrde ſelbſt ſeine Er-
klaͤrung unzulaͤnglich gefunden haben, wenn nicht eine
Seite der Operation des Verſtandes allein ihn aufgehal-
ten haͤtte, wenn er nicht andere uͤberſehen, oder doch we-
niger deutlich bemerket haͤtte.
Wir haben — ſo iſt das Raiſonnement von ihm
und andern, die ihm darinn gefolget ſind — die
beiden Gegenſtaͤnde, davon wir den Einen die Urſache,
und den andern die Wirkung nennen, in unſern Em-
pfindungen beſtaͤndig mit einander in Verbindung ge-
funden. Die Empfindung deſſen, was wir die Ur-
ſache nennen, iſt vorhergegangen, und die Empfin-
dung der Wirkung iſt nachgefolgt. Die Jdeen von
ihnen ſind alſo in dieſer Ordnung und Verbindung ent-
ſtanden, in eben derſelbigen wieder hervorgebracht, und
uns faſt allemal in der naͤmlichen Ordnung gegenwaͤrtig
geweſen. Wir haben z. B. eine Kugel mit einer
Schnelligkeit auf eine andere zufahren, und an ſie an-
ſtoßen geſehen; alsdenn iſt eine neue Bewegung in der
letztern empfunden worden. Wir haben es alle Tage
hell werden ſehen, mit dem Aufgang der Sonne. Sol-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/373>, abgerufen am 22.12.2024.
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