Aehnlichkeit mit andern fest, nemlich mit solchen, welche mit demselbigen Worte benennet sind. Und dieß letztere ist die Wirkung einer angestellten Vergleichung. Wenn ich mich also des simpeln Ausdrucks: ist, nur bediene, und sage: das Papier ist weiß, so gebe ich schon so viel an, daß die gegenwärtige Beziehung der Jdee von der weißen Farbe, auf die Jdee von dem Pa- pier dieselbige sey, welche allenthalben vorkommt, wo wir sagen: ein Ding ist dieß, oder jenes, ich sage; sie ist die Beziehung einer Beschaffenheit auf eine Sache, oder die Beziehung eines Dinges auf ein anders, in wel- chem oder bey welchem jenes als eine Beschaffenheit ist.
Ob ein Urtheil richtig ist oder unrichtig, das hängt also theils von der gegenwärtigen Beziehung der Jdeen ab; theils von der Richtigkeit des Gewahrnehmens, ob die gegenwärtige Beziehung eben dieselbige sey, als die- jenige, mit deren Jdee sie zusammen fällt, und durch welche sie gewahrgenommen wird. Die erste Beziehung kann schon unrichtig gemacht seyn; aber auch die Ver- gleichung, welche das Gewahrnehmen befördert, kann falsch seyn; wenn nach dem Gesetz der Phantasie das Halbähnliche als völlig ähnlich zusammenfällt.
Jn so weit kann die getadelte Erklärung von dem Urtheil, daß es auf eine Vergleichung der Jdeen des Subjekts und des Prädikats beruhe, geduldet werden, wenn man alle Verhältnisse zwischen den Jdeen außer dem Seyn und Nichtseyn, in die Jdeen des Prädikats hineinbringt. Aber dennoch stellt diese Erklärung die Sache etwas verschoben dar. Beziehung der Jdeen, und eine Gewahrnehmung dieser Beziehung oder der ihr entsprechenden objektivischen Verhältnisse machen die Form oder das Wesen des Urthells aus. Jn dem logi- schen Satz aber als einem ausgedruckten Urtheil, kommt noch die Beziehung dieses gewahrgenommenen Verhältnisses durch ein allgemeines Zeichen hinzu, wo-
durch
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Aehnlichkeit mit andern feſt, nemlich mit ſolchen, welche mit demſelbigen Worte benennet ſind. Und dieß letztere iſt die Wirkung einer angeſtellten Vergleichung. Wenn ich mich alſo des ſimpeln Ausdrucks: iſt, nur bediene, und ſage: das Papier iſt weiß, ſo gebe ich ſchon ſo viel an, daß die gegenwaͤrtige Beziehung der Jdee von der weißen Farbe, auf die Jdee von dem Pa- pier dieſelbige ſey, welche allenthalben vorkommt, wo wir ſagen: ein Ding iſt dieß, oder jenes, ich ſage; ſie iſt die Beziehung einer Beſchaffenheit auf eine Sache, oder die Beziehung eines Dinges auf ein anders, in wel- chem oder bey welchem jenes als eine Beſchaffenheit iſt.
Ob ein Urtheil richtig iſt oder unrichtig, das haͤngt alſo theils von der gegenwaͤrtigen Beziehung der Jdeen ab; theils von der Richtigkeit des Gewahrnehmens, ob die gegenwaͤrtige Beziehung eben dieſelbige ſey, als die- jenige, mit deren Jdee ſie zuſammen faͤllt, und durch welche ſie gewahrgenommen wird. Die erſte Beziehung kann ſchon unrichtig gemacht ſeyn; aber auch die Ver- gleichung, welche das Gewahrnehmen befoͤrdert, kann falſch ſeyn; wenn nach dem Geſetz der Phantaſie das Halbaͤhnliche als voͤllig aͤhnlich zuſammenfaͤllt.
Jn ſo weit kann die getadelte Erklaͤrung von dem Urtheil, daß es auf eine Vergleichung der Jdeen des Subjekts und des Praͤdikats beruhe, geduldet werden, wenn man alle Verhaͤltniſſe zwiſchen den Jdeen außer dem Seyn und Nichtſeyn, in die Jdeen des Praͤdikats hineinbringt. Aber dennoch ſtellt dieſe Erklaͤrung die Sache etwas verſchoben dar. Beziehung der Jdeen, und eine Gewahrnehmung dieſer Beziehung oder der ihr entſprechenden objektiviſchen Verhaͤltniſſe machen die Form oder das Weſen des Urthells aus. Jn dem logi- ſchen Satz aber als einem ausgedruckten Urtheil, kommt noch die Beziehung dieſes gewahrgenommenen Verhaͤltniſſes durch ein allgemeines Zeichen hinzu, wo-
durch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0428"n="368"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Verſuch. Ueber die Denkkraft</hi></fw><lb/>
Aehnlichkeit mit andern feſt, nemlich mit ſolchen, welche<lb/>
mit demſelbigen Worte benennet ſind. Und dieß letztere<lb/>
iſt die Wirkung einer angeſtellten <hirendition="#fr">Vergleichung.</hi><lb/>
Wenn ich mich alſo des ſimpeln Ausdrucks: <hirendition="#fr">iſt,</hi> nur<lb/>
bediene, und ſage: das Papier <hirendition="#fr">iſt</hi> weiß, ſo gebe ich<lb/>ſchon ſo viel an, daß die gegenwaͤrtige Beziehung der<lb/>
Jdee von der weißen Farbe, auf die Jdee von dem Pa-<lb/>
pier dieſelbige ſey, welche allenthalben vorkommt, wo<lb/>
wir ſagen: ein Ding iſt dieß, oder jenes, ich ſage; ſie<lb/>
iſt die Beziehung einer Beſchaffenheit auf eine Sache,<lb/>
oder die Beziehung eines Dinges auf ein anders, in wel-<lb/>
chem oder bey welchem jenes als eine Beſchaffenheit iſt.</p><lb/><p>Ob ein Urtheil richtig iſt oder unrichtig, das haͤngt<lb/>
alſo theils von der gegenwaͤrtigen Beziehung der Jdeen<lb/>
ab; theils von der Richtigkeit des Gewahrnehmens, ob<lb/>
die gegenwaͤrtige Beziehung eben dieſelbige ſey, als die-<lb/>
jenige, mit deren Jdee ſie zuſammen faͤllt, und durch<lb/>
welche ſie gewahrgenommen wird. Die erſte Beziehung<lb/>
kann ſchon unrichtig gemacht ſeyn; aber auch die Ver-<lb/>
gleichung, welche das Gewahrnehmen befoͤrdert, kann<lb/>
falſch ſeyn; wenn nach dem Geſetz der Phantaſie das<lb/>
Halbaͤhnliche als voͤllig aͤhnlich zuſammenfaͤllt.</p><lb/><p>Jn ſo weit kann die getadelte Erklaͤrung von dem<lb/>
Urtheil, daß es auf eine Vergleichung der Jdeen des<lb/>
Subjekts und des Praͤdikats beruhe, geduldet werden,<lb/>
wenn man alle Verhaͤltniſſe zwiſchen den Jdeen außer<lb/>
dem Seyn und Nichtſeyn, in die Jdeen des Praͤdikats<lb/>
hineinbringt. Aber dennoch ſtellt dieſe Erklaͤrung die<lb/>
Sache etwas verſchoben dar. Beziehung der Jdeen,<lb/>
und eine Gewahrnehmung dieſer Beziehung oder der ihr<lb/>
entſprechenden objektiviſchen Verhaͤltniſſe machen die<lb/>
Form oder das Weſen des Urthells aus. Jn dem logi-<lb/>ſchen <hirendition="#fr">Satz</hi> aber als einem <hirendition="#fr">ausgedruckten Urtheil,</hi><lb/>
kommt noch die <hirendition="#fr">Beziehung</hi> dieſes gewahrgenommenen<lb/>
Verhaͤltniſſes durch ein allgemeines Zeichen hinzu, wo-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">durch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[368/0428]
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Aehnlichkeit mit andern feſt, nemlich mit ſolchen, welche
mit demſelbigen Worte benennet ſind. Und dieß letztere
iſt die Wirkung einer angeſtellten Vergleichung.
Wenn ich mich alſo des ſimpeln Ausdrucks: iſt, nur
bediene, und ſage: das Papier iſt weiß, ſo gebe ich
ſchon ſo viel an, daß die gegenwaͤrtige Beziehung der
Jdee von der weißen Farbe, auf die Jdee von dem Pa-
pier dieſelbige ſey, welche allenthalben vorkommt, wo
wir ſagen: ein Ding iſt dieß, oder jenes, ich ſage; ſie
iſt die Beziehung einer Beſchaffenheit auf eine Sache,
oder die Beziehung eines Dinges auf ein anders, in wel-
chem oder bey welchem jenes als eine Beſchaffenheit iſt.
Ob ein Urtheil richtig iſt oder unrichtig, das haͤngt
alſo theils von der gegenwaͤrtigen Beziehung der Jdeen
ab; theils von der Richtigkeit des Gewahrnehmens, ob
die gegenwaͤrtige Beziehung eben dieſelbige ſey, als die-
jenige, mit deren Jdee ſie zuſammen faͤllt, und durch
welche ſie gewahrgenommen wird. Die erſte Beziehung
kann ſchon unrichtig gemacht ſeyn; aber auch die Ver-
gleichung, welche das Gewahrnehmen befoͤrdert, kann
falſch ſeyn; wenn nach dem Geſetz der Phantaſie das
Halbaͤhnliche als voͤllig aͤhnlich zuſammenfaͤllt.
Jn ſo weit kann die getadelte Erklaͤrung von dem
Urtheil, daß es auf eine Vergleichung der Jdeen des
Subjekts und des Praͤdikats beruhe, geduldet werden,
wenn man alle Verhaͤltniſſe zwiſchen den Jdeen außer
dem Seyn und Nichtſeyn, in die Jdeen des Praͤdikats
hineinbringt. Aber dennoch ſtellt dieſe Erklaͤrung die
Sache etwas verſchoben dar. Beziehung der Jdeen,
und eine Gewahrnehmung dieſer Beziehung oder der ihr
entſprechenden objektiviſchen Verhaͤltniſſe machen die
Form oder das Weſen des Urthells aus. Jn dem logi-
ſchen Satz aber als einem ausgedruckten Urtheil,
kommt noch die Beziehung dieſes gewahrgenommenen
Verhaͤltniſſes durch ein allgemeines Zeichen hinzu, wo-
durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/428>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.