qualitates primariae. Bey andern Vorstellungen soll eine solche Aehnlichkeit mit ihren Objekten nicht statt ha- ben, und dann sind diese objektivischen Beschaffenheiten die so genannten qualitates secundariae.
Zu den qualitatibus primariis gehöret die Farbe, die Figur, die Ausdehnung, der Ort, die Bewegung, mit einem Wort, alle Vorstellungen, die wir durch das Gesicht und Gefühl erlangen, und die den Begrif vom Raum, von der Zeit, von der Bewegung zum Grunde haben. Bey diesen Dingen und Beschaffenheiten sind, sagt man, die Empfindungen oder die Eindrücke auf die Sinne, die wir von den Körpern empfangen, ganz verschieden von den Vorstellungen der Sachen, welche aus den Empfindungen gemacht werden. Wir em- pfinden nichts als Licht und Farben durch die Augen; die Vorstellungen aber von der Gestalt und Bewegung, sind Vorstellungen, die, nach Reids Philosophie, mit je- nen Eindrücken keine Aehnlichkeit haben; aber Vorstel- lungen von dem Objektivischen in den Dingen sind. Wir sehen sie immer an als Etwas außer uns, in den Ob- jekten selbst. Diese Vorstellungen sollen auch nach des genannten Philosophen Gedanken, aus den Empfin- dungen nicht entspringen, sondern unmittelbare Wirkun- gen des gemeinen Menschenverstandes als eines beson- dern Vermögens der menschlichen Seele seyn.
Jch will hier nur mit wenig Worten meine Mei- nung darüber sagen, davon die Gründe in den vorher beygebrachten Betrachtungen offenbar sind, so daß fast nur mit andern Ausdrücken noch einmal erinnert werden darf, was schon gesagt ist. Die Empfindungen der äußern Sinne von den qualitatibus primariis der Dinge sind Eindrücke, eben so wie die übrigen, nur mit dem Unterschied, daß sie, als Bilder betrachtet, deutlicher und auseinandergesetzter sind. Es ist also mehr in ihnen zu unterscheiden. Der Ton, der Geschmack ist eine
einfache
D d 4
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
qualitates primariae. Bey andern Vorſtellungen ſoll eine ſolche Aehnlichkeit mit ihren Objekten nicht ſtatt ha- ben, und dann ſind dieſe objektiviſchen Beſchaffenheiten die ſo genannten qualitates ſecundariae.
Zu den qualitatibus primariis gehoͤret die Farbe, die Figur, die Ausdehnung, der Ort, die Bewegung, mit einem Wort, alle Vorſtellungen, die wir durch das Geſicht und Gefuͤhl erlangen, und die den Begrif vom Raum, von der Zeit, von der Bewegung zum Grunde haben. Bey dieſen Dingen und Beſchaffenheiten ſind, ſagt man, die Empfindungen oder die Eindruͤcke auf die Sinne, die wir von den Koͤrpern empfangen, ganz verſchieden von den Vorſtellungen der Sachen, welche aus den Empfindungen gemacht werden. Wir em- pfinden nichts als Licht und Farben durch die Augen; die Vorſtellungen aber von der Geſtalt und Bewegung, ſind Vorſtellungen, die, nach Reids Philoſophie, mit je- nen Eindruͤcken keine Aehnlichkeit haben; aber Vorſtel- lungen von dem Objektiviſchen in den Dingen ſind. Wir ſehen ſie immer an als Etwas außer uns, in den Ob- jekten ſelbſt. Dieſe Vorſtellungen ſollen auch nach des genannten Philoſophen Gedanken, aus den Empfin- dungen nicht entſpringen, ſondern unmittelbare Wirkun- gen des gemeinen Menſchenverſtandes als eines beſon- dern Vermoͤgens der menſchlichen Seele ſeyn.
Jch will hier nur mit wenig Worten meine Mei- nung daruͤber ſagen, davon die Gruͤnde in den vorher beygebrachten Betrachtungen offenbar ſind, ſo daß faſt nur mit andern Ausdruͤcken noch einmal erinnert werden darf, was ſchon geſagt iſt. Die Empfindungen der aͤußern Sinne von den qualitatibus primariis der Dinge ſind Eindruͤcke, eben ſo wie die uͤbrigen, nur mit dem Unterſchied, daß ſie, als Bilder betrachtet, deutlicher und auseinandergeſetzter ſind. Es iſt alſo mehr in ihnen zu unterſcheiden. Der Ton, der Geſchmack iſt eine
einfache
D d 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0483"n="423"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.</hi></fw><lb/><hirendition="#aq">qualitates primariae.</hi> Bey andern Vorſtellungen ſoll<lb/>
eine ſolche Aehnlichkeit mit ihren Objekten nicht ſtatt ha-<lb/>
ben, und dann ſind dieſe objektiviſchen Beſchaffenheiten<lb/>
die ſo genannten <hirendition="#aq">qualitates ſecundariae.</hi></p><lb/><p>Zu den <hirendition="#aq">qualitatibus primariis</hi> gehoͤret die Farbe,<lb/>
die Figur, die Ausdehnung, der Ort, die Bewegung,<lb/>
mit einem Wort, alle Vorſtellungen, die wir durch das<lb/>
Geſicht und Gefuͤhl erlangen, und die den Begrif vom<lb/>
Raum, von der Zeit, von der Bewegung zum Grunde<lb/>
haben. Bey dieſen Dingen und Beſchaffenheiten ſind,<lb/>ſagt man, die <hirendition="#fr">Empfindungen</hi> oder die Eindruͤcke auf<lb/>
die Sinne, die wir von den Koͤrpern empfangen, ganz<lb/>
verſchieden von den <hirendition="#fr">Vorſtellungen</hi> der Sachen, welche<lb/>
aus den Empfindungen gemacht werden. Wir em-<lb/>
pfinden nichts als Licht und Farben durch die Augen;<lb/>
die Vorſtellungen aber von der Geſtalt und Bewegung,<lb/>ſind Vorſtellungen, die, nach <hirendition="#fr">Reids</hi> Philoſophie, mit je-<lb/>
nen Eindruͤcken keine Aehnlichkeit haben; aber Vorſtel-<lb/>
lungen von dem Objektiviſchen in den Dingen ſind. Wir<lb/>ſehen ſie immer an als Etwas <hirendition="#fr">außer uns,</hi> in den Ob-<lb/>
jekten ſelbſt. Dieſe Vorſtellungen ſollen auch nach des<lb/>
genannten Philoſophen Gedanken, aus den Empfin-<lb/>
dungen nicht entſpringen, ſondern unmittelbare Wirkun-<lb/>
gen des gemeinen Menſchenverſtandes als eines beſon-<lb/>
dern Vermoͤgens der menſchlichen Seele ſeyn.</p><lb/><p>Jch will hier nur mit wenig Worten meine Mei-<lb/>
nung daruͤber ſagen, davon die Gruͤnde in den vorher<lb/>
beygebrachten Betrachtungen offenbar ſind, ſo daß faſt<lb/>
nur mit andern Ausdruͤcken noch einmal erinnert werden<lb/>
darf, was ſchon geſagt iſt. Die Empfindungen der<lb/>
aͤußern Sinne von den <hirendition="#aq">qualitatibus primariis</hi> der Dinge<lb/>ſind Eindruͤcke, eben ſo wie die uͤbrigen, nur mit dem<lb/>
Unterſchied, daß ſie, als <hirendition="#fr">Bilder</hi> betrachtet, deutlicher<lb/>
und auseinandergeſetzter ſind. Es iſt alſo mehr in ihnen<lb/>
zu unterſcheiden. Der Ton, der Geſchmack iſt eine<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">einfache</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[423/0483]
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
qualitates primariae. Bey andern Vorſtellungen ſoll
eine ſolche Aehnlichkeit mit ihren Objekten nicht ſtatt ha-
ben, und dann ſind dieſe objektiviſchen Beſchaffenheiten
die ſo genannten qualitates ſecundariae.
Zu den qualitatibus primariis gehoͤret die Farbe,
die Figur, die Ausdehnung, der Ort, die Bewegung,
mit einem Wort, alle Vorſtellungen, die wir durch das
Geſicht und Gefuͤhl erlangen, und die den Begrif vom
Raum, von der Zeit, von der Bewegung zum Grunde
haben. Bey dieſen Dingen und Beſchaffenheiten ſind,
ſagt man, die Empfindungen oder die Eindruͤcke auf
die Sinne, die wir von den Koͤrpern empfangen, ganz
verſchieden von den Vorſtellungen der Sachen, welche
aus den Empfindungen gemacht werden. Wir em-
pfinden nichts als Licht und Farben durch die Augen;
die Vorſtellungen aber von der Geſtalt und Bewegung,
ſind Vorſtellungen, die, nach Reids Philoſophie, mit je-
nen Eindruͤcken keine Aehnlichkeit haben; aber Vorſtel-
lungen von dem Objektiviſchen in den Dingen ſind. Wir
ſehen ſie immer an als Etwas außer uns, in den Ob-
jekten ſelbſt. Dieſe Vorſtellungen ſollen auch nach des
genannten Philoſophen Gedanken, aus den Empfin-
dungen nicht entſpringen, ſondern unmittelbare Wirkun-
gen des gemeinen Menſchenverſtandes als eines beſon-
dern Vermoͤgens der menſchlichen Seele ſeyn.
Jch will hier nur mit wenig Worten meine Mei-
nung daruͤber ſagen, davon die Gruͤnde in den vorher
beygebrachten Betrachtungen offenbar ſind, ſo daß faſt
nur mit andern Ausdruͤcken noch einmal erinnert werden
darf, was ſchon geſagt iſt. Die Empfindungen der
aͤußern Sinne von den qualitatibus primariis der Dinge
ſind Eindruͤcke, eben ſo wie die uͤbrigen, nur mit dem
Unterſchied, daß ſie, als Bilder betrachtet, deutlicher
und auseinandergeſetzter ſind. Es iſt alſo mehr in ihnen
zu unterſcheiden. Der Ton, der Geſchmack iſt eine
einfache
D d 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/483>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.