einfache verwirrte Empfindung, wie vor den Augen ein verwirrter heller Flecken ist. Aber die Gesichtseindrücke sind deutlich, und geben viel zu unterscheiden. Beide Arten von Empfindungen, so wohl von den secundariis qualitatibus, als von den primariis, sind entsprechende Zeichen von ihren Gegenständen und den Beschaffenhei- ten, mit dem Unterschied, daß jene nur allein Zeichen, die letztern aber bildliche Zeichen, und Vorstellungen in einer engern Bedeutung sind. Die Gesichtsempfindung von einem Punkt ist, in so ferne sie nichts deutliches ent- hält, nicht mehr Vorstellung von einem Punkt, als das Gefühl von einer Nadelspitze eine Vorstellung von ihm ist.
Die Vorstellungen von den qualitatibus primariis sind so, wie wir sie in uns gewahrnehmen, Jdeen, das ist, mit der Denkkraft bearbeitete Vorstellungen; und das, was die Denkkraft hinzugesetzt hat, diese Ver- hältnisse und Beziehungen der Theile gegen einander, ist das vornehmste in ihnen, beträgt das meiste, und ziehet unsere Aufmerksamkeit mehr auf sich, als das blos empfundene. Jn den undeutlichen Empfindungen ver- hält sich die Sache anders.
Aus der gegebenen Regel, nach der wir die Objekte der Vorstellungen in uns, oder außer uns, in dieses oder jenes Sinnglied, oder außer dem Körper hinsetzen, wird man begreifen, warum die herrschende Deutlichkeit in den Eindrücken des Gesichts und des Gefühls, die nicht schmerzhaft oder kitzelnd sind, mit unter die Ursa- chen gehöre, daß wir ihnen äußere Subjekte unterle- gen. Denn da sie deutlicher und schwächer sind, als an- dere Empfindungsvorstellungen, so reizen sie auch mehr die Denkkraft zur Beschauung, zum Vergleichen, zum Denken, als das Gefühl, die Empfindsamkeit und die Triebe zum Empfinden und zum Handeln. Es sind
das
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
einfache verwirrte Empfindung, wie vor den Augen ein verwirrter heller Flecken iſt. Aber die Geſichtseindruͤcke ſind deutlich, und geben viel zu unterſcheiden. Beide Arten von Empfindungen, ſo wohl von den ſecundariis qualitatibus, als von den primariis, ſind entſprechende Zeichen von ihren Gegenſtaͤnden und den Beſchaffenhei- ten, mit dem Unterſchied, daß jene nur allein Zeichen, die letztern aber bildliche Zeichen, und Vorſtellungen in einer engern Bedeutung ſind. Die Geſichtsempfindung von einem Punkt iſt, in ſo ferne ſie nichts deutliches ent- haͤlt, nicht mehr Vorſtellung von einem Punkt, als das Gefuͤhl von einer Nadelſpitze eine Vorſtellung von ihm iſt.
Die Vorſtellungen von den qualitatibus primariis ſind ſo, wie wir ſie in uns gewahrnehmen, Jdeen, das iſt, mit der Denkkraft bearbeitete Vorſtellungen; und das, was die Denkkraft hinzugeſetzt hat, dieſe Ver- haͤltniſſe und Beziehungen der Theile gegen einander, iſt das vornehmſte in ihnen, betraͤgt das meiſte, und ziehet unſere Aufmerkſamkeit mehr auf ſich, als das blos empfundene. Jn den undeutlichen Empfindungen ver- haͤlt ſich die Sache anders.
Aus der gegebenen Regel, nach der wir die Objekte der Vorſtellungen in uns, oder außer uns, in dieſes oder jenes Sinnglied, oder außer dem Koͤrper hinſetzen, wird man begreifen, warum die herrſchende Deutlichkeit in den Eindruͤcken des Geſichts und des Gefuͤhls, die nicht ſchmerzhaft oder kitzelnd ſind, mit unter die Urſa- chen gehoͤre, daß wir ihnen aͤußere Subjekte unterle- gen. Denn da ſie deutlicher und ſchwaͤcher ſind, als an- dere Empfindungsvorſtellungen, ſo reizen ſie auch mehr die Denkkraft zur Beſchauung, zum Vergleichen, zum Denken, als das Gefuͤhl, die Empfindſamkeit und die Triebe zum Empfinden und zum Handeln. Es ſind
das
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
einfache verwirrte Empfindung, wie vor den Augen ein
verwirrter heller Flecken iſt. Aber die Geſichtseindruͤcke
ſind deutlich, und geben viel zu unterſcheiden. Beide
Arten von Empfindungen, ſo wohl von den ſecundariis
qualitatibus, als von den primariis, ſind entſprechende
Zeichen von ihren Gegenſtaͤnden und den Beſchaffenhei-
ten, mit dem Unterſchied, daß jene nur allein Zeichen,
die letztern aber bildliche Zeichen, und Vorſtellungen in
einer engern Bedeutung ſind. Die Geſichtsempfindung
von einem Punkt iſt, in ſo ferne ſie nichts deutliches ent-
haͤlt, nicht mehr Vorſtellung von einem Punkt, als das
Gefuͤhl von einer Nadelſpitze eine Vorſtellung von ihm iſt.
Die Vorſtellungen von den qualitatibus primariis
ſind ſo, wie wir ſie in uns gewahrnehmen, Jdeen,
das iſt, mit der Denkkraft bearbeitete Vorſtellungen;
und das, was die Denkkraft hinzugeſetzt hat, dieſe Ver-
haͤltniſſe und Beziehungen der Theile gegen einander, iſt
das vornehmſte in ihnen, betraͤgt das meiſte, und
ziehet unſere Aufmerkſamkeit mehr auf ſich, als das blos
empfundene. Jn den undeutlichen Empfindungen ver-
haͤlt ſich die Sache anders.
Aus der gegebenen Regel, nach der wir die Objekte
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jenes Sinnglied, oder außer dem Koͤrper hinſetzen, wird
man begreifen, warum die herrſchende Deutlichkeit
in den Eindruͤcken des Geſichts und des Gefuͤhls, die
nicht ſchmerzhaft oder kitzelnd ſind, mit unter die Urſa-
chen gehoͤre, daß wir ihnen aͤußere Subjekte unterle-
gen. Denn da ſie deutlicher und ſchwaͤcher ſind, als an-
dere Empfindungsvorſtellungen, ſo reizen ſie auch mehr
die Denkkraft zur Beſchauung, zum Vergleichen, zum
Denken, als das Gefuͤhl, die Empfindſamkeit und die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/484>, abgerufen am 22.12.2024.
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