er auf die Denkkraft in dem Augenblick, in welchem diese den Verhältnißgedanken hervorbringet, so ist es auch unmöglich, daß die Kraft anders denken könnte, als wie sie denket. Dieß ist sehr einleuchtend, und diese Nothwendigkeit enthält so viel, daß wir kein Vermögen haben, unter den gesagten Umständen, anders zu ur- theilen, als wir urtheilen, woferne nicht etwas von dem vorhergehenden völlig bestimmten Grunde geändert wird.
Aber wie viel oder wie wenig begreift man unter dem vorausgesetzten völlig bestimmenden Grunde? Man hat einen bekannten Unterschied zwischen den so genannten nothwendigen Urtheilen, wo außer den Vorstellungen oder Jdeen von den Objekten, nichts weiter vorhanden ist, wodurch die wirksame Denkkraft zu dem Urtheile bestimmet wird; und zwischen andern zufälligen Urtheilen, wenn die Aktion der urtheilenden Kraft noch überdieß von einem andern gegenwärtigen, mit den Jdeen des Subjekts und des Prädikats verbun- denen, Umstande, abhänget.
Wenn außer den Vorstellungen der Dinge noch et- was bestimmendes mehr vorhanden ist, das mit jenen nur als zugleich vorhanden in der Jmagination associiret wird; oder wenn etwas vorhanden ist, was mit der Denkthätigkeit selbst auf solche Weise associiret wird, so begreifet man leicht, wie die Vorstellungen und Jdeen dieselbigen bleiben können, die sie sind, und wie dennoch der Verhältnißgedanke verändert werden kann, wenn jene Nebenumstände sich absondern lassen. Wenn gleich die Gewohnheit, zwey Dinge zugleich neben einander, auf eine gewisse Weise koexistirend, zu denken, sehr stark ist; so sind doch diese beiden Jdeen an sich wiederum von einan- der trennbar; vorausgesetzt, daß sie keinen weitern Grund ihrer Verbindung haben, als die Koexistenz, und die davon abhangende Association in der Phantasie; daß sie nemlich nicht einerley mit einander sind, oder auch son-
sten
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
er auf die Denkkraft in dem Augenblick, in welchem dieſe den Verhaͤltnißgedanken hervorbringet, ſo iſt es auch unmoͤglich, daß die Kraft anders denken koͤnnte, als wie ſie denket. Dieß iſt ſehr einleuchtend, und dieſe Nothwendigkeit enthaͤlt ſo viel, daß wir kein Vermoͤgen haben, unter den geſagten Umſtaͤnden, anders zu ur- theilen, als wir urtheilen, woferne nicht etwas von dem vorhergehenden voͤllig beſtimmten Grunde geaͤndert wird.
Aber wie viel oder wie wenig begreift man unter dem vorausgeſetzten voͤllig beſtimmenden Grunde? Man hat einen bekannten Unterſchied zwiſchen den ſo genannten nothwendigen Urtheilen, wo außer den Vorſtellungen oder Jdeen von den Objekten, nichts weiter vorhanden iſt, wodurch die wirkſame Denkkraft zu dem Urtheile beſtimmet wird; und zwiſchen andern zufaͤlligen Urtheilen, wenn die Aktion der urtheilenden Kraft noch uͤberdieß von einem andern gegenwaͤrtigen, mit den Jdeen des Subjekts und des Praͤdikats verbun- denen, Umſtande, abhaͤnget.
Wenn außer den Vorſtellungen der Dinge noch et- was beſtimmendes mehr vorhanden iſt, das mit jenen nur als zugleich vorhanden in der Jmagination aſſociiret wird; oder wenn etwas vorhanden iſt, was mit der Denkthaͤtigkeit ſelbſt auf ſolche Weiſe aſſociiret wird, ſo begreifet man leicht, wie die Vorſtellungen und Jdeen dieſelbigen bleiben koͤnnen, die ſie ſind, und wie dennoch der Verhaͤltnißgedanke veraͤndert werden kann, wenn jene Nebenumſtaͤnde ſich abſondern laſſen. Wenn gleich die Gewohnheit, zwey Dinge zugleich neben einander, auf eine gewiſſe Weiſe koexiſtirend, zu denken, ſehr ſtark iſt; ſo ſind doch dieſe beiden Jdeen an ſich wiederum von einan- der trennbar; vorausgeſetzt, daß ſie keinen weitern Grund ihrer Verbindung haben, als die Koexiſtenz, und die davon abhangende Aſſociation in der Phantaſie; daß ſie nemlich nicht einerley mit einander ſind, oder auch ſon-
ſten
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
er auf die Denkkraft in dem Augenblick, in welchem dieſe
den Verhaͤltnißgedanken hervorbringet, ſo iſt es auch
unmoͤglich, daß die Kraft anders denken koͤnnte, als
wie ſie denket. Dieß iſt ſehr einleuchtend, und dieſe
Nothwendigkeit enthaͤlt ſo viel, daß wir kein Vermoͤgen
haben, unter den geſagten Umſtaͤnden, anders zu ur-
theilen, als wir urtheilen, woferne nicht etwas von dem
vorhergehenden voͤllig beſtimmten Grunde geaͤndert wird.
Aber wie viel oder wie wenig begreift man unter
dem vorausgeſetzten voͤllig beſtimmenden Grunde?
Man hat einen bekannten Unterſchied zwiſchen den ſo
genannten nothwendigen Urtheilen, wo außer den
Vorſtellungen oder Jdeen von den Objekten, nichts
weiter vorhanden iſt, wodurch die wirkſame Denkkraft
zu dem Urtheile beſtimmet wird; und zwiſchen andern
zufaͤlligen Urtheilen, wenn die Aktion der urtheilenden
Kraft noch uͤberdieß von einem andern gegenwaͤrtigen,
mit den Jdeen des Subjekts und des Praͤdikats verbun-
denen, Umſtande, abhaͤnget.
Wenn außer den Vorſtellungen der Dinge noch et-
was beſtimmendes mehr vorhanden iſt, das mit jenen
nur als zugleich vorhanden in der Jmagination aſſociiret
wird; oder wenn etwas vorhanden iſt, was mit der
Denkthaͤtigkeit ſelbſt auf ſolche Weiſe aſſociiret wird,
ſo begreifet man leicht, wie die Vorſtellungen und Jdeen
dieſelbigen bleiben koͤnnen, die ſie ſind, und wie dennoch
der Verhaͤltnißgedanke veraͤndert werden kann, wenn
jene Nebenumſtaͤnde ſich abſondern laſſen. Wenn gleich die
Gewohnheit, zwey Dinge zugleich neben einander, auf
eine gewiſſe Weiſe koexiſtirend, zu denken, ſehr ſtark iſt; ſo
ſind doch dieſe beiden Jdeen an ſich wiederum von einan-
der trennbar; vorausgeſetzt, daß ſie keinen weitern Grund
ihrer Verbindung haben, als die Koexiſtenz, und die
davon abhangende Aſſociation in der Phantaſie; daß ſie
nemlich nicht einerley mit einander ſind, oder auch ſon-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/544>, abgerufen am 22.12.2024.
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