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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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VII. Versuch. Von der Nothwendigkeit
den; Kenntnisse also und Urtheile, die bey der Verglei-
chung der Sachen entstehen, wenn wir sie in ihren Jdeen
vor uns stellen, und sie aufmerksam beschauen, oder
auch wohl mit andern, aber ohne Entwickelung der Ge-
meinbegriffe, vergleichen; alle diese, und alle dazu ge-
hörige Vermögen, Thätigkeiten und Wirkungsarten
gehören zu dem Umfang des Menschenverstandes;
die Kenntnisse selbst als die Wirkungen desselben.

Dieser Menschenverstand ist also nichts anders,
als die Denkkraft, in so ferne diese aus einer unmit-
telbaren Beziehung
über die Dinge urtheilet. Löset
man ihn also in seine Bestandtheile auf, so erhält man
das Beziehungsvermögen oder die Denkkraft, in Verei-
nigung mit dem Gefühl und der Vorstellungskraft. Hie-
von darf ich den anderswo gegebenen Beweis nicht wie-
derholen.

Es ist begreiflich, daß der Menschenverstand in die-
ser Bedeutung, verschiedene Stufen der Entwicke-
lung,
der innern Größe und Stärke, und also auch
in Hinsicht des Umfangs der Kenntnisse, die seine Wir-
kungen sind, haben müsse. Von diesen Stufen können
einige besonders bemerket, und mit eigenen Namen un-
terschieden werden.

Da in dem Vermögen "nach unmittelbaren Be-
ziehungen der Dinge, ihre Verhältnisse zu denken," die-
selbigen Stufen vorkommen, welche oben bey dem Be-
ziehungsvermögen überhaupt beobachtet sind, *) so kön-
nen auch hier die drey Grade, nemlich, das ursprüng-
liche Beziehungsvermögen;
die sinnliche Urtheils-
kraft,
und die deutliche Urtheilskraft unterschieden
werden. Einige haben es so gemacht, und die erste
Stuse des Menschenverstandes den gemeinen Men-
schensinn
genennet.

Aber
*) Vierter Versuch. VII.

VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
den; Kenntniſſe alſo und Urtheile, die bey der Verglei-
chung der Sachen entſtehen, wenn wir ſie in ihren Jdeen
vor uns ſtellen, und ſie aufmerkſam beſchauen, oder
auch wohl mit andern, aber ohne Entwickelung der Ge-
meinbegriffe, vergleichen; alle dieſe, und alle dazu ge-
hoͤrige Vermoͤgen, Thaͤtigkeiten und Wirkungsarten
gehoͤren zu dem Umfang des Menſchenverſtandes;
die Kenntniſſe ſelbſt als die Wirkungen deſſelben.

Dieſer Menſchenverſtand iſt alſo nichts anders,
als die Denkkraft, in ſo ferne dieſe aus einer unmit-
telbaren Beziehung
uͤber die Dinge urtheilet. Loͤſet
man ihn alſo in ſeine Beſtandtheile auf, ſo erhaͤlt man
das Beziehungsvermoͤgen oder die Denkkraft, in Verei-
nigung mit dem Gefuͤhl und der Vorſtellungskraft. Hie-
von darf ich den anderswo gegebenen Beweis nicht wie-
derholen.

Es iſt begreiflich, daß der Menſchenverſtand in die-
ſer Bedeutung, verſchiedene Stufen der Entwicke-
lung,
der innern Groͤße und Staͤrke, und alſo auch
in Hinſicht des Umfangs der Kenntniſſe, die ſeine Wir-
kungen ſind, haben muͤſſe. Von dieſen Stufen koͤnnen
einige beſonders bemerket, und mit eigenen Namen un-
terſchieden werden.

Da in dem Vermoͤgen „nach unmittelbaren Be-
ziehungen der Dinge, ihre Verhaͤltniſſe zu denken,‟ die-
ſelbigen Stufen vorkommen, welche oben bey dem Be-
ziehungsvermoͤgen uͤberhaupt beobachtet ſind, *) ſo koͤn-
nen auch hier die drey Grade, nemlich, das urſpruͤng-
liche Beziehungsvermoͤgen;
die ſinnliche Urtheils-
kraft,
und die deutliche Urtheilskraft unterſchieden
werden. Einige haben es ſo gemacht, und die erſte
Stuſe des Menſchenverſtandes den gemeinen Men-
ſchenſinn
genennet.

Aber
*) Vierter Verſuch. VII.
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[522/0582] VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit den; Kenntniſſe alſo und Urtheile, die bey der Verglei- chung der Sachen entſtehen, wenn wir ſie in ihren Jdeen vor uns ſtellen, und ſie aufmerkſam beſchauen, oder auch wohl mit andern, aber ohne Entwickelung der Ge- meinbegriffe, vergleichen; alle dieſe, und alle dazu ge- hoͤrige Vermoͤgen, Thaͤtigkeiten und Wirkungsarten gehoͤren zu dem Umfang des Menſchenverſtandes; die Kenntniſſe ſelbſt als die Wirkungen deſſelben. Dieſer Menſchenverſtand iſt alſo nichts anders, als die Denkkraft, in ſo ferne dieſe aus einer unmit- telbaren Beziehung uͤber die Dinge urtheilet. Loͤſet man ihn alſo in ſeine Beſtandtheile auf, ſo erhaͤlt man das Beziehungsvermoͤgen oder die Denkkraft, in Verei- nigung mit dem Gefuͤhl und der Vorſtellungskraft. Hie- von darf ich den anderswo gegebenen Beweis nicht wie- derholen. Es iſt begreiflich, daß der Menſchenverſtand in die- ſer Bedeutung, verſchiedene Stufen der Entwicke- lung, der innern Groͤße und Staͤrke, und alſo auch in Hinſicht des Umfangs der Kenntniſſe, die ſeine Wir- kungen ſind, haben muͤſſe. Von dieſen Stufen koͤnnen einige beſonders bemerket, und mit eigenen Namen un- terſchieden werden. Da in dem Vermoͤgen „nach unmittelbaren Be- ziehungen der Dinge, ihre Verhaͤltniſſe zu denken,‟ die- ſelbigen Stufen vorkommen, welche oben bey dem Be- ziehungsvermoͤgen uͤberhaupt beobachtet ſind, *) ſo koͤn- nen auch hier die drey Grade, nemlich, das urſpruͤng- liche Beziehungsvermoͤgen; die ſinnliche Urtheils- kraft, und die deutliche Urtheilskraft unterſchieden werden. Einige haben es ſo gemacht, und die erſte Stuſe des Menſchenverſtandes den gemeinen Men- ſchenſinn genennet. Aber *) Vierter Verſuch. VII.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/582>, abgerufen am 22.12.2024.