den; Kenntnisse also und Urtheile, die bey der Verglei- chung der Sachen entstehen, wenn wir sie in ihren Jdeen vor uns stellen, und sie aufmerksam beschauen, oder auch wohl mit andern, aber ohne Entwickelung der Ge- meinbegriffe, vergleichen; alle diese, und alle dazu ge- hörige Vermögen, Thätigkeiten und Wirkungsarten gehören zu dem Umfang des Menschenverstandes; die Kenntnisse selbst als die Wirkungen desselben.
Dieser Menschenverstand ist also nichts anders, als die Denkkraft, in so ferne diese aus einer unmit- telbaren Beziehung über die Dinge urtheilet. Löset man ihn also in seine Bestandtheile auf, so erhält man das Beziehungsvermögen oder die Denkkraft, in Verei- nigung mit dem Gefühl und der Vorstellungskraft. Hie- von darf ich den anderswo gegebenen Beweis nicht wie- derholen.
Es ist begreiflich, daß der Menschenverstand in die- ser Bedeutung, verschiedene Stufen der Entwicke- lung, der innern Größe und Stärke, und also auch in Hinsicht des Umfangs der Kenntnisse, die seine Wir- kungen sind, haben müsse. Von diesen Stufen können einige besonders bemerket, und mit eigenen Namen un- terschieden werden.
Da in dem Vermögen "nach unmittelbaren Be- ziehungen der Dinge, ihre Verhältnisse zu denken," die- selbigen Stufen vorkommen, welche oben bey dem Be- ziehungsvermögen überhaupt beobachtet sind, *) so kön- nen auch hier die drey Grade, nemlich, das ursprüng- liche Beziehungsvermögen; die sinnliche Urtheils- kraft, und die deutliche Urtheilskraft unterschieden werden. Einige haben es so gemacht, und die erste Stuse des Menschenverstandes den gemeinen Men- schensinn genennet.
Aber
*) Vierter Versuch. VII.
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
den; Kenntniſſe alſo und Urtheile, die bey der Verglei- chung der Sachen entſtehen, wenn wir ſie in ihren Jdeen vor uns ſtellen, und ſie aufmerkſam beſchauen, oder auch wohl mit andern, aber ohne Entwickelung der Ge- meinbegriffe, vergleichen; alle dieſe, und alle dazu ge- hoͤrige Vermoͤgen, Thaͤtigkeiten und Wirkungsarten gehoͤren zu dem Umfang des Menſchenverſtandes; die Kenntniſſe ſelbſt als die Wirkungen deſſelben.
Dieſer Menſchenverſtand iſt alſo nichts anders, als die Denkkraft, in ſo ferne dieſe aus einer unmit- telbaren Beziehung uͤber die Dinge urtheilet. Loͤſet man ihn alſo in ſeine Beſtandtheile auf, ſo erhaͤlt man das Beziehungsvermoͤgen oder die Denkkraft, in Verei- nigung mit dem Gefuͤhl und der Vorſtellungskraft. Hie- von darf ich den anderswo gegebenen Beweis nicht wie- derholen.
Es iſt begreiflich, daß der Menſchenverſtand in die- ſer Bedeutung, verſchiedene Stufen der Entwicke- lung, der innern Groͤße und Staͤrke, und alſo auch in Hinſicht des Umfangs der Kenntniſſe, die ſeine Wir- kungen ſind, haben muͤſſe. Von dieſen Stufen koͤnnen einige beſonders bemerket, und mit eigenen Namen un- terſchieden werden.
Da in dem Vermoͤgen „nach unmittelbaren Be- ziehungen der Dinge, ihre Verhaͤltniſſe zu denken,‟ die- ſelbigen Stufen vorkommen, welche oben bey dem Be- ziehungsvermoͤgen uͤberhaupt beobachtet ſind, *) ſo koͤn- nen auch hier die drey Grade, nemlich, das urſpruͤng- liche Beziehungsvermoͤgen; die ſinnliche Urtheils- kraft, und die deutliche Urtheilskraft unterſchieden werden. Einige haben es ſo gemacht, und die erſte Stuſe des Menſchenverſtandes den gemeinen Men- ſchenſinn genennet.
Aber
*) Vierter Verſuch. VII.
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
den; Kenntniſſe alſo und Urtheile, die bey der Verglei-
chung der Sachen entſtehen, wenn wir ſie in ihren Jdeen
vor uns ſtellen, und ſie aufmerkſam beſchauen, oder
auch wohl mit andern, aber ohne Entwickelung der Ge-
meinbegriffe, vergleichen; alle dieſe, und alle dazu ge-
hoͤrige Vermoͤgen, Thaͤtigkeiten und Wirkungsarten
gehoͤren zu dem Umfang des Menſchenverſtandes;
die Kenntniſſe ſelbſt als die Wirkungen deſſelben.
Dieſer Menſchenverſtand iſt alſo nichts anders,
als die Denkkraft, in ſo ferne dieſe aus einer unmit-
telbaren Beziehung uͤber die Dinge urtheilet. Loͤſet
man ihn alſo in ſeine Beſtandtheile auf, ſo erhaͤlt man
das Beziehungsvermoͤgen oder die Denkkraft, in Verei-
nigung mit dem Gefuͤhl und der Vorſtellungskraft. Hie-
von darf ich den anderswo gegebenen Beweis nicht wie-
derholen.
Es iſt begreiflich, daß der Menſchenverſtand in die-
ſer Bedeutung, verſchiedene Stufen der Entwicke-
lung, der innern Groͤße und Staͤrke, und alſo auch
in Hinſicht des Umfangs der Kenntniſſe, die ſeine Wir-
kungen ſind, haben muͤſſe. Von dieſen Stufen koͤnnen
einige beſonders bemerket, und mit eigenen Namen un-
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Da in dem Vermoͤgen „nach unmittelbaren Be-
ziehungen der Dinge, ihre Verhaͤltniſſe zu denken,‟ die-
ſelbigen Stufen vorkommen, welche oben bey dem Be-
ziehungsvermoͤgen uͤberhaupt beobachtet ſind, *) ſo koͤn-
nen auch hier die drey Grade, nemlich, das urſpruͤng-
liche Beziehungsvermoͤgen; die ſinnliche Urtheils-
kraft, und die deutliche Urtheilskraft unterſchieden
werden. Einige haben es ſo gemacht, und die erſte
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Aber
*) Vierter Verſuch. VII.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/582>, abgerufen am 22.12.2024.
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