dieß außer Zweifel; denn Aehnlichkeit und Verschieden- heit ist nur ein Gedanke in dem Verstande. Jn Hin- sicht der Beziehungen aus der Art der Koexistenz der Dinge und der ursachlichen Verknüpfung ist es so offen- bar nicht. Aber zugegeben, daß es so sey, so würde nur folgen, daß alle Gedanken und also auch alle Wahr- heiten in so weit etwas subjektivisches sind, als nur eine Denkkraft ihrer empfänglich ist. Hievon, glaube ich, sey gar nicht die Rede.
Es ließe sich noch dieß sagen. Die Verhältnisse, welche unser Verstand in den Dingen gewahrnimmt, mögen vielleicht selbst andere Verhältnißarten seyn, als diejenigen, welche eine andere Denkkraft fasset. Aehn- lichkeit und Verschiedenheit, beyeinander seyn, und von einander abhangen, das sind Denkarten unsers Verstan- des. Sind es auch Denkarten eines jedweden andern Verstandes? Also ist es unmöglich auszumachen, ob un- sere Denkarten über die Gegenstände, auch die Denkar- ten eines Engels oder gar des göttlichen Verstandes sind? Also sind auch die Verhältnisse, die wir in unsern Jmpressionen gewahrnehmen, schlechthin nur Gedanken vor uns, und nur Wahrheiten vor uns.
Hierauf kann man antworten. Es werde das erste Ziel verlassen, und ein anders gesteckt. Wir haben kei- nen Begrif von einem Verstande, der nicht solche Ver- hältnisse in den Jdeen gewahrnimmt, als wir gewahr- nehmen. Giebt es also eine Denkkraft, die so sehr hete- rogen ist von der unsrigen, daß die Verhältnisse und Be- ziehungen, welche sie hervorbringet, mit den unsrigen un- vergleichbar sind, so ist das etwas, das vielleicht als ein Analogon eines Verstandes, oder wenn es eine größere Vortreflichkeit ist, als unsere Denkkraft, als ein Ver- stand per eminentiam angesehen werden kann; aber ein eigentlicher Verstand und eine Denkkraft, davon wir ei- nen Begrif haben, ist es nicht. Und solche eigentliche
Denk-
der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
dieß außer Zweifel; denn Aehnlichkeit und Verſchieden- heit iſt nur ein Gedanke in dem Verſtande. Jn Hin- ſicht der Beziehungen aus der Art der Koexiſtenz der Dinge und der urſachlichen Verknuͤpfung iſt es ſo offen- bar nicht. Aber zugegeben, daß es ſo ſey, ſo wuͤrde nur folgen, daß alle Gedanken und alſo auch alle Wahr- heiten in ſo weit etwas ſubjektiviſches ſind, als nur eine Denkkraft ihrer empfaͤnglich iſt. Hievon, glaube ich, ſey gar nicht die Rede.
Es ließe ſich noch dieß ſagen. Die Verhaͤltniſſe, welche unſer Verſtand in den Dingen gewahrnimmt, moͤgen vielleicht ſelbſt andere Verhaͤltnißarten ſeyn, als diejenigen, welche eine andere Denkkraft faſſet. Aehn- lichkeit und Verſchiedenheit, beyeinander ſeyn, und von einander abhangen, das ſind Denkarten unſers Verſtan- des. Sind es auch Denkarten eines jedweden andern Verſtandes? Alſo iſt es unmoͤglich auszumachen, ob un- ſere Denkarten uͤber die Gegenſtaͤnde, auch die Denkar- ten eines Engels oder gar des goͤttlichen Verſtandes ſind? Alſo ſind auch die Verhaͤltniſſe, die wir in unſern Jmpreſſionen gewahrnehmen, ſchlechthin nur Gedanken vor uns, und nur Wahrheiten vor uns.
Hierauf kann man antworten. Es werde das erſte Ziel verlaſſen, und ein anders geſteckt. Wir haben kei- nen Begrif von einem Verſtande, der nicht ſolche Ver- haͤltniſſe in den Jdeen gewahrnimmt, als wir gewahr- nehmen. Giebt es alſo eine Denkkraft, die ſo ſehr hete- rogen iſt von der unſrigen, daß die Verhaͤltniſſe und Be- ziehungen, welche ſie hervorbringet, mit den unſrigen un- vergleichbar ſind, ſo iſt das etwas, das vielleicht als ein Analogon eines Verſtandes, oder wenn es eine groͤßere Vortreflichkeit iſt, als unſere Denkkraft, als ein Ver- ſtand per eminentiam angeſehen werden kann; aber ein eigentlicher Verſtand und eine Denkkraft, davon wir ei- nen Begrif haben, iſt es nicht. Und ſolche eigentliche
Denk-
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
dieß außer Zweifel; denn Aehnlichkeit und Verſchieden-
heit iſt nur ein Gedanke in dem Verſtande. Jn Hin-
ſicht der Beziehungen aus der Art der Koexiſtenz der
Dinge und der urſachlichen Verknuͤpfung iſt es ſo offen-
bar nicht. Aber zugegeben, daß es ſo ſey, ſo wuͤrde
nur folgen, daß alle Gedanken und alſo auch alle Wahr-
heiten in ſo weit etwas ſubjektiviſches ſind, als nur eine
Denkkraft ihrer empfaͤnglich iſt. Hievon, glaube ich, ſey
gar nicht die Rede.
Es ließe ſich noch dieß ſagen. Die Verhaͤltniſſe,
welche unſer Verſtand in den Dingen gewahrnimmt,
moͤgen vielleicht ſelbſt andere Verhaͤltnißarten ſeyn, als
diejenigen, welche eine andere Denkkraft faſſet. Aehn-
lichkeit und Verſchiedenheit, beyeinander ſeyn, und von
einander abhangen, das ſind Denkarten unſers Verſtan-
des. Sind es auch Denkarten eines jedweden andern
Verſtandes? Alſo iſt es unmoͤglich auszumachen, ob un-
ſere Denkarten uͤber die Gegenſtaͤnde, auch die Denkar-
ten eines Engels oder gar des goͤttlichen Verſtandes
ſind? Alſo ſind auch die Verhaͤltniſſe, die wir in unſern
Jmpreſſionen gewahrnehmen, ſchlechthin nur Gedanken
vor uns, und nur Wahrheiten vor uns.
Hierauf kann man antworten. Es werde das erſte
Ziel verlaſſen, und ein anders geſteckt. Wir haben kei-
nen Begrif von einem Verſtande, der nicht ſolche Ver-
haͤltniſſe in den Jdeen gewahrnimmt, als wir gewahr-
nehmen. Giebt es alſo eine Denkkraft, die ſo ſehr hete-
rogen iſt von der unſrigen, daß die Verhaͤltniſſe und Be-
ziehungen, welche ſie hervorbringet, mit den unſrigen un-
vergleichbar ſind, ſo iſt das etwas, das vielleicht als ein
Analogon eines Verſtandes, oder wenn es eine groͤßere
Vortreflichkeit iſt, als unſere Denkkraft, als ein Ver-
ſtand per eminentiam angeſehen werden kann; aber ein
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/599>, abgerufen am 22.12.2024.
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