V. Vergleichung der entwickelten höhern Kennt- nisse des Verstandes mit den unentwickelten sinnlichen Kenntnissen, in Hinsicht der See- lenvermögen, welche dabey wirksam sind.
Wenn man nun noch einmal auf der einen Seite die entwickelten Vernunftkenntnisse, die all- gemeinen Spekulationen und Theorien des Verstandes in den Wissenschaften hinstellet, und auf der andern die sinnlichen Kenntnisse des unentwickelten gemeinen Menschenverstandes gegenüber, und alsdenn aus der Beziehung dieser Wirkungen auf einander auf die Be- ziehung der Seelenvermögen fortschließet, durch welche sie bewirket werden, so ist es zuerst klar, daß die höhern Kenntnisse nichts mehr, als dieselbigen Seelenvermögen erfodern, die schon in den gemeinen sinnlichen Kenntnis- sen sich wirksam bewiesen haben. Dieselbige Denkkraft vergleichet Empfindungsvorstellungen, Einbildungen, und allgemeine Bilder, und urtheilet über die Beziehun- gen und Verhältnisse bey diesen, wie bey jenen. Kein Seelenvermögen wirket in den höhern Wissenschaften mehr, als in den niedern.*) Nur wirken sie in ver- schiedenen Graden! Die allgemeinen Bilder wer- den sorgfältiger gegen einander gehalten; ihre Verschie- denheit wird genauer bemerket; ihre Theile, ihre einzel- ne Züge werden verglichen. Die Jdeen werden deutli- cher, feiner, und mehr der Gewalt der Seele un- terworfen. Die Erkenntniß wird, so zu sagen, mehr Erkenntniß, indem die Denkkraft sich weiter und inni- ger durch die Vorstellungen verbreitet, und mit ihnen verbindet. Also sind auch die Wirkungsgesetze einerley,
und
*)Vierter Versuch.II.Sechster Versuch.I. 1. II. 1.
der hoͤhern Kenntniſſe ⁊c.
V. Vergleichung der entwickelten hoͤhern Kennt- niſſe des Verſtandes mit den unentwickelten ſinnlichen Kenntniſſen, in Hinſicht der See- lenvermoͤgen, welche dabey wirkſam ſind.
Wenn man nun noch einmal auf der einen Seite die entwickelten Vernunftkenntniſſe, die all- gemeinen Spekulationen und Theorien des Verſtandes in den Wiſſenſchaften hinſtellet, und auf der andern die ſinnlichen Kenntniſſe des unentwickelten gemeinen Menſchenverſtandes gegenuͤber, und alsdenn aus der Beziehung dieſer Wirkungen auf einander auf die Be- ziehung der Seelenvermoͤgen fortſchließet, durch welche ſie bewirket werden, ſo iſt es zuerſt klar, daß die hoͤhern Kenntniſſe nichts mehr, als dieſelbigen Seelenvermoͤgen erfodern, die ſchon in den gemeinen ſinnlichen Kenntniſ- ſen ſich wirkſam bewieſen haben. Dieſelbige Denkkraft vergleichet Empfindungsvorſtellungen, Einbildungen, und allgemeine Bilder, und urtheilet uͤber die Beziehun- gen und Verhaͤltniſſe bey dieſen, wie bey jenen. Kein Seelenvermoͤgen wirket in den hoͤhern Wiſſenſchaften mehr, als in den niedern.*) Nur wirken ſie in ver- ſchiedenen Graden! Die allgemeinen Bilder wer- den ſorgfaͤltiger gegen einander gehalten; ihre Verſchie- denheit wird genauer bemerket; ihre Theile, ihre einzel- ne Zuͤge werden verglichen. Die Jdeen werden deutli- cher, feiner, und mehr der Gewalt der Seele un- terworfen. Die Erkenntniß wird, ſo zu ſagen, mehr Erkenntniß, indem die Denkkraft ſich weiter und inni- ger durch die Vorſtellungen verbreitet, und mit ihnen verbindet. Alſo ſind auch die Wirkungsgeſetze einerley,
und
*)Vierter Verſuch.II.Sechſter Verſuch.I. 1. II. 1.
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der hoͤhern Kenntniſſe ⁊c.
V.
Vergleichung der entwickelten hoͤhern Kennt-
niſſe des Verſtandes mit den unentwickelten
ſinnlichen Kenntniſſen, in Hinſicht der See-
lenvermoͤgen, welche dabey wirkſam ſind.
Wenn man nun noch einmal auf der einen Seite
die entwickelten Vernunftkenntniſſe, die all-
gemeinen Spekulationen und Theorien des Verſtandes
in den Wiſſenſchaften hinſtellet, und auf der andern die
ſinnlichen Kenntniſſe des unentwickelten gemeinen
Menſchenverſtandes gegenuͤber, und alsdenn aus der
Beziehung dieſer Wirkungen auf einander auf die Be-
ziehung der Seelenvermoͤgen fortſchließet, durch welche
ſie bewirket werden, ſo iſt es zuerſt klar, daß die hoͤhern
Kenntniſſe nichts mehr, als dieſelbigen Seelenvermoͤgen
erfodern, die ſchon in den gemeinen ſinnlichen Kenntniſ-
ſen ſich wirkſam bewieſen haben. Dieſelbige Denkkraft
vergleichet Empfindungsvorſtellungen, Einbildungen,
und allgemeine Bilder, und urtheilet uͤber die Beziehun-
gen und Verhaͤltniſſe bey dieſen, wie bey jenen. Kein
Seelenvermoͤgen wirket in den hoͤhern Wiſſenſchaften
mehr, als in den niedern. *) Nur wirken ſie in ver-
ſchiedenen Graden! Die allgemeinen Bilder wer-
den ſorgfaͤltiger gegen einander gehalten; ihre Verſchie-
denheit wird genauer bemerket; ihre Theile, ihre einzel-
ne Zuͤge werden verglichen. Die Jdeen werden deutli-
cher, feiner, und mehr der Gewalt der Seele un-
terworfen. Die Erkenntniß wird, ſo zu ſagen, mehr
Erkenntniß, indem die Denkkraft ſich weiter und inni-
ger durch die Vorſtellungen verbreitet, und mit ihnen
verbindet. Alſo ſind auch die Wirkungsgeſetze einerley,
und
*) Vierter Verſuch. II. Sechſter Verſuch. I. 1. II. 1.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/647>, abgerufen am 22.12.2024.
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