ebenfalls eine neue Modifikation, sie wird wie andere, nicht nur aufgenommen und in dem Aufnehmen gefühlet, sondern reizet auch zu einer selbstthätigen Reaktion, gegen die Vorstellungen selbst. Dadurch entstehet ein- mal die weitere selbstthätige Bearbeitung der Vorstellun- gen, die das Beziehen derselben ist, wodurch sie so gestellet werden, wie man sie findet, wenn ihr Verhält- niß gedacht wird; und dann zweytens das eigentliche Gewahrnehmen oder Denken, das ist, diejenige Kraft- äußerung, woraus der Gedanke von den Verhältnissen hervorgehet, der die Bilder oder Vorstellungen zu Jdeen, und ihre Beziehungen zu Urtheilen und Schlüssen macht.
Also noch einmal. Der Denkaktus ist eine Aktion der vorstellenden Kraft und des Vermögens, womit der Uebergang von einer Vorstellung zur andern gefühlet wird, zusammen; und die letztere ist es, wodurch der Verhältnißgedanke bewirket wird, da jene die Beziehung der Vorstellungen ausmacht.
Dieser Denkaktus ist von dem bloßen Gefühl so un- terschieden, wie Thun vom Leiden. Bloßes Fühlen ist also nicht Denken, und kann es nicht werden, durch keine Erhöhung oder Verfeinerung. Es lässet sich ein Wesen von dem zartesten und feinsten leidentlichen Gefühl vor- stellen, dem deß ohngeachtet die thätige Denkkraft gänz- lich mangelt. Aber wenn sein fühlendes Princip Selbst- thätigkeit besitzet, so kommt es nur auf einen gehörigen Grad dieser innern Selbstmacht an, um ein denkendes Wesen zu werden.
Auch machen die Thätigkeiten der vorstellen- den Kraft das ganze Denken nicht aus. Der eigent- liche Aktus des Gewahrnehmens, wovon der Verhält- nißgedanke abhängt, ist wesentlich von allen Thätigkei- ten der vorstellenden Kraft unterschieden. Das Vermö- gen, Vorstellungen zu haben, ist zwar ebenfalls eine Folge von einer innern Selbstthätigkeit in dem Gefühl,
oder
Q q 3
des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.
ebenfalls eine neue Modifikation, ſie wird wie andere, nicht nur aufgenommen und in dem Aufnehmen gefuͤhlet, ſondern reizet auch zu einer ſelbſtthaͤtigen Reaktion, gegen die Vorſtellungen ſelbſt. Dadurch entſtehet ein- mal die weitere ſelbſtthaͤtige Bearbeitung der Vorſtellun- gen, die das Beziehen derſelben iſt, wodurch ſie ſo geſtellet werden, wie man ſie findet, wenn ihr Verhaͤlt- niß gedacht wird; und dann zweytens das eigentliche Gewahrnehmen oder Denken, das iſt, diejenige Kraft- aͤußerung, woraus der Gedanke von den Verhaͤltniſſen hervorgehet, der die Bilder oder Vorſtellungen zu Jdeen, und ihre Beziehungen zu Urtheilen und Schluͤſſen macht.
Alſo noch einmal. Der Denkaktus iſt eine Aktion der vorſtellenden Kraft und des Vermoͤgens, womit der Uebergang von einer Vorſtellung zur andern gefuͤhlet wird, zuſammen; und die letztere iſt es, wodurch der Verhaͤltnißgedanke bewirket wird, da jene die Beziehung der Vorſtellungen ausmacht.
Dieſer Denkaktus iſt von dem bloßen Gefuͤhl ſo un- terſchieden, wie Thun vom Leiden. Bloßes Fuͤhlen iſt alſo nicht Denken, und kann es nicht werden, durch keine Erhoͤhung oder Verfeinerung. Es laͤſſet ſich ein Weſen von dem zarteſten und feinſten leidentlichen Gefuͤhl vor- ſtellen, dem deß ohngeachtet die thaͤtige Denkkraft gaͤnz- lich mangelt. Aber wenn ſein fuͤhlendes Princip Selbſt- thaͤtigkeit beſitzet, ſo kommt es nur auf einen gehoͤrigen Grad dieſer innern Selbſtmacht an, um ein denkendes Weſen zu werden.
Auch machen die Thaͤtigkeiten der vorſtellen- den Kraft das ganze Denken nicht aus. Der eigent- liche Aktus des Gewahrnehmens, wovon der Verhaͤlt- nißgedanke abhaͤngt, iſt weſentlich von allen Thaͤtigkei- ten der vorſtellenden Kraft unterſchieden. Das Vermoͤ- gen, Vorſtellungen zu haben, iſt zwar ebenfalls eine Folge von einer innern Selbſtthaͤtigkeit in dem Gefuͤhl,
oder
Q q 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0673"n="613"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.</hi></fw><lb/>
ebenfalls eine neue Modifikation, ſie wird wie andere,<lb/>
nicht nur aufgenommen und in dem Aufnehmen gefuͤhlet,<lb/>ſondern reizet auch zu einer <hirendition="#fr">ſelbſtthaͤtigen</hi> Reaktion,<lb/>
gegen die Vorſtellungen ſelbſt. Dadurch entſtehet ein-<lb/>
mal die weitere ſelbſtthaͤtige Bearbeitung der Vorſtellun-<lb/>
gen, die das <hirendition="#fr">Beziehen</hi> derſelben iſt, wodurch ſie ſo<lb/>
geſtellet werden, wie man ſie findet, wenn ihr Verhaͤlt-<lb/>
niß gedacht wird; und dann zweytens das eigentliche<lb/>
Gewahrnehmen oder Denken, das iſt, diejenige Kraft-<lb/>
aͤußerung, woraus der Gedanke von den Verhaͤltniſſen<lb/>
hervorgehet, der die Bilder oder Vorſtellungen zu Jdeen,<lb/>
und ihre Beziehungen zu Urtheilen und Schluͤſſen macht.</p><lb/><p>Alſo noch einmal. Der Denkaktus iſt eine Aktion<lb/>
der vorſtellenden Kraft und des Vermoͤgens, womit der<lb/>
Uebergang von einer Vorſtellung zur andern gefuͤhlet<lb/>
wird, zuſammen; und die letztere iſt es, wodurch der<lb/>
Verhaͤltnißgedanke bewirket wird, da jene die Beziehung<lb/>
der Vorſtellungen ausmacht.</p><lb/><p>Dieſer Denkaktus iſt von dem bloßen Gefuͤhl ſo un-<lb/>
terſchieden, wie Thun vom Leiden. Bloßes Fuͤhlen iſt<lb/>
alſo nicht Denken, und kann es nicht werden, durch keine<lb/>
Erhoͤhung oder Verfeinerung. Es laͤſſet ſich ein Weſen<lb/>
von dem zarteſten und feinſten leidentlichen Gefuͤhl vor-<lb/>ſtellen, dem deß ohngeachtet die thaͤtige Denkkraft gaͤnz-<lb/>
lich mangelt. Aber wenn ſein fuͤhlendes Princip <hirendition="#fr">Selbſt-<lb/>
thaͤtigkeit</hi> beſitzet, ſo kommt es nur auf einen gehoͤrigen<lb/>
Grad dieſer innern Selbſtmacht an, um ein denkendes<lb/>
Weſen zu werden.</p><lb/><p>Auch machen die <hirendition="#fr">Thaͤtigkeiten der vorſtellen-<lb/>
den Kraft</hi> das ganze Denken nicht aus. Der eigent-<lb/>
liche Aktus des Gewahrnehmens, wovon der Verhaͤlt-<lb/>
nißgedanke abhaͤngt, iſt weſentlich von allen Thaͤtigkei-<lb/>
ten der vorſtellenden Kraft unterſchieden. Das Vermoͤ-<lb/>
gen, Vorſtellungen zu haben, iſt zwar ebenfalls eine<lb/>
Folge von einer innern Selbſtthaͤtigkeit in dem Gefuͤhl,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q q 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">oder</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[613/0673]
des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.
ebenfalls eine neue Modifikation, ſie wird wie andere,
nicht nur aufgenommen und in dem Aufnehmen gefuͤhlet,
ſondern reizet auch zu einer ſelbſtthaͤtigen Reaktion,
gegen die Vorſtellungen ſelbſt. Dadurch entſtehet ein-
mal die weitere ſelbſtthaͤtige Bearbeitung der Vorſtellun-
gen, die das Beziehen derſelben iſt, wodurch ſie ſo
geſtellet werden, wie man ſie findet, wenn ihr Verhaͤlt-
niß gedacht wird; und dann zweytens das eigentliche
Gewahrnehmen oder Denken, das iſt, diejenige Kraft-
aͤußerung, woraus der Gedanke von den Verhaͤltniſſen
hervorgehet, der die Bilder oder Vorſtellungen zu Jdeen,
und ihre Beziehungen zu Urtheilen und Schluͤſſen macht.
Alſo noch einmal. Der Denkaktus iſt eine Aktion
der vorſtellenden Kraft und des Vermoͤgens, womit der
Uebergang von einer Vorſtellung zur andern gefuͤhlet
wird, zuſammen; und die letztere iſt es, wodurch der
Verhaͤltnißgedanke bewirket wird, da jene die Beziehung
der Vorſtellungen ausmacht.
Dieſer Denkaktus iſt von dem bloßen Gefuͤhl ſo un-
terſchieden, wie Thun vom Leiden. Bloßes Fuͤhlen iſt
alſo nicht Denken, und kann es nicht werden, durch keine
Erhoͤhung oder Verfeinerung. Es laͤſſet ſich ein Weſen
von dem zarteſten und feinſten leidentlichen Gefuͤhl vor-
ſtellen, dem deß ohngeachtet die thaͤtige Denkkraft gaͤnz-
lich mangelt. Aber wenn ſein fuͤhlendes Princip Selbſt-
thaͤtigkeit beſitzet, ſo kommt es nur auf einen gehoͤrigen
Grad dieſer innern Selbſtmacht an, um ein denkendes
Weſen zu werden.
Auch machen die Thaͤtigkeiten der vorſtellen-
den Kraft das ganze Denken nicht aus. Der eigent-
liche Aktus des Gewahrnehmens, wovon der Verhaͤlt-
nißgedanke abhaͤngt, iſt weſentlich von allen Thaͤtigkei-
ten der vorſtellenden Kraft unterſchieden. Das Vermoͤ-
gen, Vorſtellungen zu haben, iſt zwar ebenfalls eine
Folge von einer innern Selbſtthaͤtigkeit in dem Gefuͤhl,
oder
Q q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/673>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.