darstellen. Jene Bemühung, die auf die lebendige Vorstellung geht, kennet er wohl, aber er ist es sich sehr gut bewußt, daß, um etwas hervorzubringen, noch eine andere Anstrengung der thätigen Kraft erfodert werde.
Aber hierauf kann man antworten. Es ist nicht die Vorstellung von dem Gegenstande, sondern die wie- dererneuerten Anfänge der ehemaligen Aktionen, die man alsdenn, wenn man etwas ausrichten will, zu einem solchen Grade von Stärke zu erheben sich bestrebet, daß sie in wahre wiederholte Aktionen übergehen. Der Maler, der sichs nur einbilden will, wie das Gemälde aussehen werde, wenn es verfertiget ist, sucht zwar die Jdee des Gegenstandes lebhaft zu machen, aber nicht die Vorstellungen von den Aktionen, die zum Malen er- fodert werden, und zwar die von dem Jnnern der Hand- lungen selbst. Denn die Aussenseite derselben könnte er sich gleichfalls lebhaft vorzustellen suchen, ohne daß dar- aus ein Bestreben wirklich Hand anzulegen hervorgienge.
Ferner muß dabey bemerket werden, daß nie eine Handlung, die wir willkührlich und nach einer Vorstel- lung verrichten, in aller Hinsicht dieser Vorstellung ge- mäß werde. So genau auch die Ausführung mit der vorgefaßten Jdee übereinstimmen mag, so ist doch kein Beyspiel da, in dem nicht noch etwas anders eingemischt wird, das nicht vorher vorgestellet war. Zu den Bestre- bungen, die Jdeen ehemaliger Aktionen zu reproduciren, gesellen sich also andere Triebe und Kraftäußerungen, die mit jenen nicht auf einerley Art entstehen können. So wie jeden Augenblick neue Empfindungen hinzukommen, und neue Empfindungsvorstellungen uns zugeführet werden, die keine Wirkungen der Phantasie noch der Dichtkraft sind, sondern aus neuen Gefühlen entsprin- gen, so giebt es auch in jeder Aktion etwas Neues, eine neue Anwendung der Kraft, die von allen nur wiedererweckten und aufs neue verbundenen vorhergegan-
genen
der Vorſtellungskraft ⁊c.
darſtellen. Jene Bemuͤhung, die auf die lebendige Vorſtellung geht, kennet er wohl, aber er iſt es ſich ſehr gut bewußt, daß, um etwas hervorzubringen, noch eine andere Anſtrengung der thaͤtigen Kraft erfodert werde.
Aber hierauf kann man antworten. Es iſt nicht die Vorſtellung von dem Gegenſtande, ſondern die wie- dererneuerten Anfaͤnge der ehemaligen Aktionen, die man alsdenn, wenn man etwas ausrichten will, zu einem ſolchen Grade von Staͤrke zu erheben ſich beſtrebet, daß ſie in wahre wiederholte Aktionen uͤbergehen. Der Maler, der ſichs nur einbilden will, wie das Gemaͤlde ausſehen werde, wenn es verfertiget iſt, ſucht zwar die Jdee des Gegenſtandes lebhaft zu machen, aber nicht die Vorſtellungen von den Aktionen, die zum Malen er- fodert werden, und zwar die von dem Jnnern der Hand- lungen ſelbſt. Denn die Auſſenſeite derſelben koͤnnte er ſich gleichfalls lebhaft vorzuſtellen ſuchen, ohne daß dar- aus ein Beſtreben wirklich Hand anzulegen hervorgienge.
Ferner muß dabey bemerket werden, daß nie eine Handlung, die wir willkuͤhrlich und nach einer Vorſtel- lung verrichten, in aller Hinſicht dieſer Vorſtellung ge- maͤß werde. So genau auch die Ausfuͤhrung mit der vorgefaßten Jdee uͤbereinſtimmen mag, ſo iſt doch kein Beyſpiel da, in dem nicht noch etwas anders eingemiſcht wird, das nicht vorher vorgeſtellet war. Zu den Beſtre- bungen, die Jdeen ehemaliger Aktionen zu reproduciren, geſellen ſich alſo andere Triebe und Kraftaͤußerungen, die mit jenen nicht auf einerley Art entſtehen koͤnnen. So wie jeden Augenblick neue Empfindungen hinzukommen, und neue Empfindungsvorſtellungen uns zugefuͤhret werden, die keine Wirkungen der Phantaſie noch der Dichtkraft ſind, ſondern aus neuen Gefuͤhlen entſprin- gen, ſo giebt es auch in jeder Aktion etwas Neues, eine neue Anwendung der Kraft, die von allen nur wiedererweckten und aufs neue verbundenen vorhergegan-
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
darſtellen. Jene Bemuͤhung, die auf die lebendige
Vorſtellung geht, kennet er wohl, aber er iſt es ſich ſehr
gut bewußt, daß, um etwas hervorzubringen, noch eine
andere Anſtrengung der thaͤtigen Kraft erfodert werde.
Aber hierauf kann man antworten. Es iſt nicht
die Vorſtellung von dem Gegenſtande, ſondern die wie-
dererneuerten Anfaͤnge der ehemaligen Aktionen, die man
alsdenn, wenn man etwas ausrichten will, zu einem
ſolchen Grade von Staͤrke zu erheben ſich beſtrebet, daß
ſie in wahre wiederholte Aktionen uͤbergehen. Der
Maler, der ſichs nur einbilden will, wie das Gemaͤlde
ausſehen werde, wenn es verfertiget iſt, ſucht zwar die
Jdee des Gegenſtandes lebhaft zu machen, aber nicht
die Vorſtellungen von den Aktionen, die zum Malen er-
fodert werden, und zwar die von dem Jnnern der Hand-
lungen ſelbſt. Denn die Auſſenſeite derſelben koͤnnte er
ſich gleichfalls lebhaft vorzuſtellen ſuchen, ohne daß dar-
aus ein Beſtreben wirklich Hand anzulegen hervorgienge.
Ferner muß dabey bemerket werden, daß nie eine
Handlung, die wir willkuͤhrlich und nach einer Vorſtel-
lung verrichten, in aller Hinſicht dieſer Vorſtellung ge-
maͤß werde. So genau auch die Ausfuͤhrung mit der
vorgefaßten Jdee uͤbereinſtimmen mag, ſo iſt doch kein
Beyſpiel da, in dem nicht noch etwas anders eingemiſcht
wird, das nicht vorher vorgeſtellet war. Zu den Beſtre-
bungen, die Jdeen ehemaliger Aktionen zu reproduciren,
geſellen ſich alſo andere Triebe und Kraftaͤußerungen, die
mit jenen nicht auf einerley Art entſtehen koͤnnen. So
wie jeden Augenblick neue Empfindungen hinzukommen,
und neue Empfindungsvorſtellungen uns zugefuͤhret
werden, die keine Wirkungen der Phantaſie noch der
Dichtkraft ſind, ſondern aus neuen Gefuͤhlen entſprin-
gen, ſo giebt es auch in jeder Aktion etwas Neues,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/761>, abgerufen am 22.12.2024.
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