Bewegungen wieder herausgehen. Jn diesem Ver- stande würde auch vielleicht Hr. Unzer,*) der sonsten die unvollkommenen Thiere für blos organisirte Körper hält, ihnen eine Seele beylegen können, wofern noch irgend ein Gehirn oder ein anderes die Stelle des Ge- hirns vertretendes Werkzeug da ist, das von den übrigen Theilen des organischen Ganzen unterschieden werden kann. Die letzte Stufe in den beseelten Wesen kann sich endlich in solche verlieren, die völlig nichts mehr als bloße organisirte Maschinen sind, bey welchen die Quelle der eigenmächtigen Lebensbewegungen, so ferne es der- gleichen giebt, mehr gleichförmig durch die Theile des Ganzen verbreitet ist, ohne daß ein besonderes sich aus- nehmendes Behältniß dieser innern wirksamen Lebens- kraft in ihnen vorhanden sey.
Ein solches Seelenwesen oder eine psychologische Seele, kann nun zwar als der Mittelpunkt der thieri- schen Natur und der thierischen Veränderungen vorhan- den, und also in so weit auch Regent des organisirten Ganzen seyn, aber auch hiebey so passiv sich verhalten, daß es bloß leidentlich die Eindrücke aufnimmt, wie sie ihm durch die Empfindungswerkzeuge zugeführetwerden, sie dann fühlet, und zurückwirket, nur in der Richtung, und mit der Kraft, die ihm von den organischen Kräften des Körpers beygebracht ist, wie eine Kugel sich dahin treiben lässet, und mit so vieler bewegenden Kraft fort- geht, wie es der Druck oder der Stoß auf sie mit sich bringet.
Solche Seelenwesen können wohl bloße Gefühle haben, ohne Vorstellungen zu machen. Bey den voll- kommenen Thieren finden wir die Seele bis auf einen gewissen Grad selbstthätig, nemlich bis dahin, daß sie empfangene Eindrücke von den äußern Gegenständen aus
Eigen-
*)Physiologie der eigentlich thierischen Natur.
B b b 2
der menſchlichen Seele ⁊c.
Bewegungen wieder herausgehen. Jn dieſem Ver- ſtande wuͤrde auch vielleicht Hr. Unzer,*) der ſonſten die unvollkommenen Thiere fuͤr blos organiſirte Koͤrper haͤlt, ihnen eine Seele beylegen koͤnnen, wofern noch irgend ein Gehirn oder ein anderes die Stelle des Ge- hirns vertretendes Werkzeug da iſt, das von den uͤbrigen Theilen des organiſchen Ganzen unterſchieden werden kann. Die letzte Stufe in den beſeelten Weſen kann ſich endlich in ſolche verlieren, die voͤllig nichts mehr als bloße organiſirte Maſchinen ſind, bey welchen die Quelle der eigenmaͤchtigen Lebensbewegungen, ſo ferne es der- gleichen giebt, mehr gleichfoͤrmig durch die Theile des Ganzen verbreitet iſt, ohne daß ein beſonderes ſich aus- nehmendes Behaͤltniß dieſer innern wirkſamen Lebens- kraft in ihnen vorhanden ſey.
Ein ſolches Seelenweſen oder eine pſychologiſche Seele, kann nun zwar als der Mittelpunkt der thieri- ſchen Natur und der thieriſchen Veraͤnderungen vorhan- den, und alſo in ſo weit auch Regent des organiſirten Ganzen ſeyn, aber auch hiebey ſo paſſiv ſich verhalten, daß es bloß leidentlich die Eindruͤcke aufnimmt, wie ſie ihm durch die Empfindungswerkzeuge zugefuͤhretwerden, ſie dann fuͤhlet, und zuruͤckwirket, nur in der Richtung, und mit der Kraft, die ihm von den organiſchen Kraͤften des Koͤrpers beygebracht iſt, wie eine Kugel ſich dahin treiben laͤſſet, und mit ſo vieler bewegenden Kraft fort- geht, wie es der Druck oder der Stoß auf ſie mit ſich bringet.
Solche Seelenweſen koͤnnen wohl bloße Gefuͤhle haben, ohne Vorſtellungen zu machen. Bey den voll- kommenen Thieren finden wir die Seele bis auf einen gewiſſen Grad ſelbſtthaͤtig, nemlich bis dahin, daß ſie empfangene Eindruͤcke von den aͤußern Gegenſtaͤnden aus
Eigen-
*)Phyſiologie der eigentlich thieriſchen Natur.
B b b 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0815"n="755"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der menſchlichen Seele ⁊c.</hi></fw><lb/>
Bewegungen wieder herausgehen. Jn dieſem Ver-<lb/>ſtande wuͤrde auch vielleicht Hr. <hirendition="#fr">Unzer,</hi><noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#fr">Phyſiologie der eigentlich thieriſchen Natur.</hi></note> der ſonſten<lb/>
die unvollkommenen Thiere fuͤr blos organiſirte Koͤrper<lb/>
haͤlt, ihnen eine Seele beylegen koͤnnen, wofern noch<lb/>
irgend ein Gehirn oder ein anderes die Stelle des Ge-<lb/>
hirns vertretendes Werkzeug da iſt, das von den uͤbrigen<lb/>
Theilen des organiſchen Ganzen unterſchieden werden<lb/>
kann. Die letzte Stufe in den beſeelten Weſen kann ſich<lb/>
endlich in ſolche verlieren, die voͤllig nichts mehr als<lb/>
bloße organiſirte Maſchinen ſind, bey welchen die Quelle<lb/>
der eigenmaͤchtigen Lebensbewegungen, ſo ferne es der-<lb/>
gleichen giebt, mehr gleichfoͤrmig durch die Theile des<lb/>
Ganzen verbreitet iſt, ohne daß ein beſonderes ſich aus-<lb/>
nehmendes Behaͤltniß dieſer innern wirkſamen Lebens-<lb/>
kraft in ihnen vorhanden ſey.</p><lb/><p>Ein ſolches <hirendition="#fr">Seelenweſen</hi> oder eine <hirendition="#fr">pſychologiſche</hi><lb/>
Seele, kann nun zwar als der Mittelpunkt der thieri-<lb/>ſchen Natur und der thieriſchen Veraͤnderungen vorhan-<lb/>
den, und alſo in ſo weit auch Regent des organiſirten<lb/>
Ganzen ſeyn, aber auch hiebey ſo paſſiv ſich verhalten,<lb/>
daß es bloß leidentlich die Eindruͤcke aufnimmt, wie ſie<lb/>
ihm durch die Empfindungswerkzeuge zugefuͤhretwerden,<lb/>ſie dann fuͤhlet, und zuruͤckwirket, nur in der Richtung,<lb/>
und mit der Kraft, die ihm von den organiſchen Kraͤften<lb/>
des Koͤrpers beygebracht iſt, wie eine Kugel ſich dahin<lb/>
treiben laͤſſet, und mit ſo vieler bewegenden Kraft fort-<lb/>
geht, wie es der Druck oder der Stoß auf ſie mit ſich<lb/>
bringet.</p><lb/><p>Solche Seelenweſen koͤnnen wohl bloße <hirendition="#fr">Gefuͤhle</hi><lb/>
haben, ohne Vorſtellungen zu machen. Bey den voll-<lb/>
kommenen Thieren finden wir die Seele bis auf einen<lb/>
gewiſſen Grad ſelbſtthaͤtig, nemlich bis dahin, daß ſie<lb/>
empfangene Eindruͤcke von den aͤußern Gegenſtaͤnden aus<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b b 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Eigen-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[755/0815]
der menſchlichen Seele ⁊c.
Bewegungen wieder herausgehen. Jn dieſem Ver-
ſtande wuͤrde auch vielleicht Hr. Unzer, *) der ſonſten
die unvollkommenen Thiere fuͤr blos organiſirte Koͤrper
haͤlt, ihnen eine Seele beylegen koͤnnen, wofern noch
irgend ein Gehirn oder ein anderes die Stelle des Ge-
hirns vertretendes Werkzeug da iſt, das von den uͤbrigen
Theilen des organiſchen Ganzen unterſchieden werden
kann. Die letzte Stufe in den beſeelten Weſen kann ſich
endlich in ſolche verlieren, die voͤllig nichts mehr als
bloße organiſirte Maſchinen ſind, bey welchen die Quelle
der eigenmaͤchtigen Lebensbewegungen, ſo ferne es der-
gleichen giebt, mehr gleichfoͤrmig durch die Theile des
Ganzen verbreitet iſt, ohne daß ein beſonderes ſich aus-
nehmendes Behaͤltniß dieſer innern wirkſamen Lebens-
kraft in ihnen vorhanden ſey.
Ein ſolches Seelenweſen oder eine pſychologiſche
Seele, kann nun zwar als der Mittelpunkt der thieri-
ſchen Natur und der thieriſchen Veraͤnderungen vorhan-
den, und alſo in ſo weit auch Regent des organiſirten
Ganzen ſeyn, aber auch hiebey ſo paſſiv ſich verhalten,
daß es bloß leidentlich die Eindruͤcke aufnimmt, wie ſie
ihm durch die Empfindungswerkzeuge zugefuͤhretwerden,
ſie dann fuͤhlet, und zuruͤckwirket, nur in der Richtung,
und mit der Kraft, die ihm von den organiſchen Kraͤften
des Koͤrpers beygebracht iſt, wie eine Kugel ſich dahin
treiben laͤſſet, und mit ſo vieler bewegenden Kraft fort-
geht, wie es der Druck oder der Stoß auf ſie mit ſich
bringet.
Solche Seelenweſen koͤnnen wohl bloße Gefuͤhle
haben, ohne Vorſtellungen zu machen. Bey den voll-
kommenen Thieren finden wir die Seele bis auf einen
gewiſſen Grad ſelbſtthaͤtig, nemlich bis dahin, daß ſie
empfangene Eindruͤcke von den aͤußern Gegenſtaͤnden aus
Eigen-
*) Phyſiologie der eigentlich thieriſchen Natur.
B b b 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 755. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/815>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.