von ihrer Freyheit. Die Freyheit ist wie die Ver- nunft eine der spätesten Aeußerungen der zu ihrer Reife fortschreitenden menschlichen Natur. Daß aber die Freyheit in nichts anders bestehe, als in einer weiter ent- wickelten und erhöheten Selbstthätigkeit der Grundkraft, wie es von der Vernunft aus der vorhergehenden Ana- lysis sich gezeiget hat, verdienet noch eine weitere und eigene Untersuchung in dem folgenden.
Ob nicht auch der Körper des Menschen, wenn nicht Vorzüge an Macht und Stärke und Geschmeidigkeit, doch dergleichen an innerer Selbstthätigkeit und an Un- abhängigkeit von dem Einfluß der äußern Dinge, vor andern thierischen Körpern voraus habe, ist eine Frage, die wenigstens mit Wahrscheinlichkeit bejahet werden kann. Verräth sich nicht so etwas bey seiner Ernäh- rung und Erhaltung? Die äußere Luft und Nahrungs- mittel sind ihm zwar eben so unentbehrlich, als sie jed- weder Thierart sind; aber da kein anderes Thier in so verschiedenen Himmelsgegenden und bey so verschiedenen Nahrungsmitteln so gut sich erhalten, sich fortpflanzen, und sich vermehren kann, als das Menschenthier, so scheinet dieß doch eine größere Unabhängigkeit seiner Na- turkräfte von den besondern äußern Gegenständen zu be- weisen, welche auf eine größere innere Selbstthätigkeit seiner thierischen Kräfte zurückführt. Und diese würde vermuthlich wiederum auf die innere Stärke und Selbst- thätigkeit des Gehirns und der Seele, als auf seine Quelle zurücke weisen, wenn man nur die Fakta mit Sorgfalt sammlen und vergleichen wollte. Denn wenn man die Beyspiele von solchen Personen betrachtet, die auf Reisen in entfernten Ländern, dem Einfluß der ver- schiedenen Witterungen, des Klima und der Nahrungs- mittel widerstanden, und sich dabey munter und gesund erhalten haben, da andere ihnen untergelegen sind, so hat man Gründe zu glauben, daß jene diesen Vorzug
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der menſchlichen Seele ⁊c.
von ihrer Freyheit. Die Freyheit iſt wie die Ver- nunft eine der ſpaͤteſten Aeußerungen der zu ihrer Reife fortſchreitenden menſchlichen Natur. Daß aber die Freyheit in nichts anders beſtehe, als in einer weiter ent- wickelten und erhoͤheten Selbſtthaͤtigkeit der Grundkraft, wie es von der Vernunft aus der vorhergehenden Ana- lyſis ſich gezeiget hat, verdienet noch eine weitere und eigene Unterſuchung in dem folgenden.
Ob nicht auch der Koͤrper des Menſchen, wenn nicht Vorzuͤge an Macht und Staͤrke und Geſchmeidigkeit, doch dergleichen an innerer Selbſtthaͤtigkeit und an Un- abhaͤngigkeit von dem Einfluß der aͤußern Dinge, vor andern thieriſchen Koͤrpern voraus habe, iſt eine Frage, die wenigſtens mit Wahrſcheinlichkeit bejahet werden kann. Verraͤth ſich nicht ſo etwas bey ſeiner Ernaͤh- rung und Erhaltung? Die aͤußere Luft und Nahrungs- mittel ſind ihm zwar eben ſo unentbehrlich, als ſie jed- weder Thierart ſind; aber da kein anderes Thier in ſo verſchiedenen Himmelsgegenden und bey ſo verſchiedenen Nahrungsmitteln ſo gut ſich erhalten, ſich fortpflanzen, und ſich vermehren kann, als das Menſchenthier, ſo ſcheinet dieß doch eine groͤßere Unabhaͤngigkeit ſeiner Na- turkraͤfte von den beſondern aͤußern Gegenſtaͤnden zu be- weiſen, welche auf eine groͤßere innere Selbſtthaͤtigkeit ſeiner thieriſchen Kraͤfte zuruͤckfuͤhrt. Und dieſe wuͤrde vermuthlich wiederum auf die innere Staͤrke und Selbſt- thaͤtigkeit des Gehirns und der Seele, als auf ſeine Quelle zuruͤcke weiſen, wenn man nur die Fakta mit Sorgfalt ſammlen und vergleichen wollte. Denn wenn man die Beyſpiele von ſolchen Perſonen betrachtet, die auf Reiſen in entfernten Laͤndern, dem Einfluß der ver- ſchiedenen Witterungen, des Klima und der Nahrungs- mittel widerſtanden, und ſich dabey munter und geſund erhalten haben, da andere ihnen untergelegen ſind, ſo hat man Gruͤnde zu glauben, daß jene dieſen Vorzug
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der menſchlichen Seele ⁊c.
von ihrer Freyheit. Die Freyheit iſt wie die Ver-
nunft eine der ſpaͤteſten Aeußerungen der zu ihrer Reife
fortſchreitenden menſchlichen Natur. Daß aber die
Freyheit in nichts anders beſtehe, als in einer weiter ent-
wickelten und erhoͤheten Selbſtthaͤtigkeit der Grundkraft,
wie es von der Vernunft aus der vorhergehenden Ana-
lyſis ſich gezeiget hat, verdienet noch eine weitere und
eigene Unterſuchung in dem folgenden.
Ob nicht auch der Koͤrper des Menſchen, wenn nicht
Vorzuͤge an Macht und Staͤrke und Geſchmeidigkeit,
doch dergleichen an innerer Selbſtthaͤtigkeit und an Un-
abhaͤngigkeit von dem Einfluß der aͤußern Dinge, vor
andern thieriſchen Koͤrpern voraus habe, iſt eine Frage,
die wenigſtens mit Wahrſcheinlichkeit bejahet werden
kann. Verraͤth ſich nicht ſo etwas bey ſeiner Ernaͤh-
rung und Erhaltung? Die aͤußere Luft und Nahrungs-
mittel ſind ihm zwar eben ſo unentbehrlich, als ſie jed-
weder Thierart ſind; aber da kein anderes Thier in ſo
verſchiedenen Himmelsgegenden und bey ſo verſchiedenen
Nahrungsmitteln ſo gut ſich erhalten, ſich fortpflanzen,
und ſich vermehren kann, als das Menſchenthier, ſo
ſcheinet dieß doch eine groͤßere Unabhaͤngigkeit ſeiner Na-
turkraͤfte von den beſondern aͤußern Gegenſtaͤnden zu be-
weiſen, welche auf eine groͤßere innere Selbſtthaͤtigkeit
ſeiner thieriſchen Kraͤfte zuruͤckfuͤhrt. Und dieſe wuͤrde
vermuthlich wiederum auf die innere Staͤrke und Selbſt-
thaͤtigkeit des Gehirns und der Seele, als auf ſeine
Quelle zuruͤcke weiſen, wenn man nur die Fakta mit
Sorgfalt ſammlen und vergleichen wollte. Denn wenn
man die Beyſpiele von ſolchen Perſonen betrachtet, die
auf Reiſen in entfernten Laͤndern, dem Einfluß der ver-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/817>, abgerufen am 22.12.2024.
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