letztern sind Wirkungen des Gefühls und der Denk- kraft, die zum wenigsten in Gedanken, von der Vor- stellung abgesondert werden können, wenn sie gleich in der Natur innig mit ihnen verbunden sind. Eine sol- che Sonderung in Gedanken ist nöthig, wenigstens im Anfange, um dasjenige, was die Vorstellungen allein angehet, desto ungestörter überlegen zu können. Die Seele mag Bilder von den Gegenständen haben, mag diese weglegen und wieder entwickeln, mag sie verbinden und trennen, und bearbeiten, wie sie will; so ist dieß alles noch etwas anders, als diese Bilder in sich ge- wahrnehmen, sie für das erkennen, was sie sind, und sie zu dem Zweck gebrauchen, zu dem sie bestimmet sind. Die Vorwürfe, die man solchen philosophischen Ab- straktionen der Seelenvermögen gemacht hat, werden hier, wie ich meyne, so wenig anpassen, als bey jeder andern philosophischen Untersuchung. Sie sind nichts als Aussonderungen irgend eines oder des andern Punkts zu einer besondern nähern Betrachtung. Sie sind un- entbehrlich für uns, sobald es nicht sowohl um glänzende und blendende Verwirrung, als um aufklärende Deut- lichkeit in der Erkenntniß zu thun ist.
Die bisher angeführten Sätze enthalten die ganze Lehre von den Vorstellungen in einem kurzen Entwurf. Die mehresten von ihnen sind eben so bekannt, als ge- wiß. Aber lässet sich dasselbige von allen sagen? Ei- nige Punkte bedürfen noch einer weitern Erläuterung, und diese will ich hinzusetzen. Wie viel oder wenig ei- nem oder dem andern meiner Leser noch undeutlich oder unbekannt seyn mag, das kann ich nicht wissen. Man- ches ist auch für sich etwas Bekanntes, aber nicht in sei- nem ganzen Umfange. Jch habe mich in dem, was ich noch sagen werde, nach meiner Absicht und nach dem Bedürfnisse gerichtet, das ich selbst in mir fand, als ich die psychologischen Schriften, die ich für klassisch ansehe,
durch-
der Vorſtellungen.
letztern ſind Wirkungen des Gefuͤhls und der Denk- kraft, die zum wenigſten in Gedanken, von der Vor- ſtellung abgeſondert werden koͤnnen, wenn ſie gleich in der Natur innig mit ihnen verbunden ſind. Eine ſol- che Sonderung in Gedanken iſt noͤthig, wenigſtens im Anfange, um dasjenige, was die Vorſtellungen allein angehet, deſto ungeſtoͤrter uͤberlegen zu koͤnnen. Die Seele mag Bilder von den Gegenſtaͤnden haben, mag dieſe weglegen und wieder entwickeln, mag ſie verbinden und trennen, und bearbeiten, wie ſie will; ſo iſt dieß alles noch etwas anders, als dieſe Bilder in ſich ge- wahrnehmen, ſie fuͤr das erkennen, was ſie ſind, und ſie zu dem Zweck gebrauchen, zu dem ſie beſtimmet ſind. Die Vorwuͤrfe, die man ſolchen philoſophiſchen Ab- ſtraktionen der Seelenvermoͤgen gemacht hat, werden hier, wie ich meyne, ſo wenig anpaſſen, als bey jeder andern philoſophiſchen Unterſuchung. Sie ſind nichts als Ausſonderungen irgend eines oder des andern Punkts zu einer beſondern naͤhern Betrachtung. Sie ſind un- entbehrlich fuͤr uns, ſobald es nicht ſowohl um glaͤnzende und blendende Verwirrung, als um aufklaͤrende Deut- lichkeit in der Erkenntniß zu thun iſt.
Die bisher angefuͤhrten Saͤtze enthalten die ganze Lehre von den Vorſtellungen in einem kurzen Entwurf. Die mehreſten von ihnen ſind eben ſo bekannt, als ge- wiß. Aber laͤſſet ſich daſſelbige von allen ſagen? Ei- nige Punkte beduͤrfen noch einer weitern Erlaͤuterung, und dieſe will ich hinzuſetzen. Wie viel oder wenig ei- nem oder dem andern meiner Leſer noch undeutlich oder unbekannt ſeyn mag, das kann ich nicht wiſſen. Man- ches iſt auch fuͤr ſich etwas Bekanntes, aber nicht in ſei- nem ganzen Umfange. Jch habe mich in dem, was ich noch ſagen werde, nach meiner Abſicht und nach dem Beduͤrfniſſe gerichtet, das ich ſelbſt in mir fand, als ich die pſychologiſchen Schriften, die ich fuͤr klaſſiſch anſehe,
durch-
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der Vorſtellungen.
letztern ſind Wirkungen des Gefuͤhls und der Denk-
kraft, die zum wenigſten in Gedanken, von der Vor-
ſtellung abgeſondert werden koͤnnen, wenn ſie gleich in
der Natur innig mit ihnen verbunden ſind. Eine ſol-
che Sonderung in Gedanken iſt noͤthig, wenigſtens im
Anfange, um dasjenige, was die Vorſtellungen allein
angehet, deſto ungeſtoͤrter uͤberlegen zu koͤnnen. Die
Seele mag Bilder von den Gegenſtaͤnden haben, mag
dieſe weglegen und wieder entwickeln, mag ſie verbinden
und trennen, und bearbeiten, wie ſie will; ſo iſt dieß
alles noch etwas anders, als dieſe Bilder in ſich ge-
wahrnehmen, ſie fuͤr das erkennen, was ſie ſind, und
ſie zu dem Zweck gebrauchen, zu dem ſie beſtimmet ſind.
Die Vorwuͤrfe, die man ſolchen philoſophiſchen Ab-
ſtraktionen der Seelenvermoͤgen gemacht hat, werden
hier, wie ich meyne, ſo wenig anpaſſen, als bey jeder
andern philoſophiſchen Unterſuchung. Sie ſind nichts
als Ausſonderungen irgend eines oder des andern Punkts
zu einer beſondern naͤhern Betrachtung. Sie ſind un-
entbehrlich fuͤr uns, ſobald es nicht ſowohl um glaͤnzende
und blendende Verwirrung, als um aufklaͤrende Deut-
lichkeit in der Erkenntniß zu thun iſt.
Die bisher angefuͤhrten Saͤtze enthalten die ganze
Lehre von den Vorſtellungen in einem kurzen Entwurf.
Die mehreſten von ihnen ſind eben ſo bekannt, als ge-
wiß. Aber laͤſſet ſich daſſelbige von allen ſagen? Ei-
nige Punkte beduͤrfen noch einer weitern Erlaͤuterung,
und dieſe will ich hinzuſetzen. Wie viel oder wenig ei-
nem oder dem andern meiner Leſer noch undeutlich oder
unbekannt ſeyn mag, das kann ich nicht wiſſen. Man-
ches iſt auch fuͤr ſich etwas Bekanntes, aber nicht in ſei-
nem ganzen Umfange. Jch habe mich in dem, was
ich noch ſagen werde, nach meiner Abſicht und nach dem
Beduͤrfniſſe gerichtet, das ich ſelbſt in mir fand, als ich
die pſychologiſchen Schriften, die ich fuͤr klaſſiſch anſehe,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/87>, abgerufen am 22.12.2024.
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