diese mich vielleicht wirklich bestimmt haben, wenn sie mir in ihrer dermaligen Lage in mir mehr gefallen hätte, oder wenn es mir gefallen hätte, noch vorher mehr die Sache zu überdenken.
Jst eine Jdee mir gar nicht gegenwärtig, so kann ich auch unmittelbar ihr Objekt nicht wollen. Aber wenn ich auf Eine meiner gegenwärtigen Empfindungen oder Vorstellungen gewirkt hätte, oder stärker gewirkt hätte, so würde sich jene Vorstellung dargestellt haben. Jch sehe etwas nicht, das vor mir liegt, aber wenn ich auf eine andere Empfindung zurückgewirkt hätte, so würde mein Auge in die Lage gekommen seyn, es gewahr zu nehmen.
Mich deucht, es sey in diesen Fällen deutlich, daß es mit den unmittelbaren Vermögen, mich zu etwas anders zu bestimmen, eine solche Beschaffenheit habe, als ich vorher schon angezeiget. Wenn, um die mir fehlende Vorstellung zu erlangen, nichts mehr erfoder- lich gewesen wäre, als daß ich unter den gegenwärtigen Vorstellungen, als so vielen Saiten der Seele, eine an- dere gerührt hätte, als diejenige war, die ich wirklich rührte, und wenn ich ein selbstthätiges Vermögen ge- habt habe, jenes zu thun, wenn es nämlich bloß daran lag, weil es mir nicht gefiel, so habe ich auch ein Ver- mögen gehabt, mittelbar mich auf die nun nicht ge- genwärtige Vorstellung zu bestimmen. Das wesentli- che Erfoderniß ist aber immer dasselbige. Es mußte nichts, als nur allein das Nichtgefallen die Ursache seyn, daß ich die dazu erfoderliche Richtung meiner Kraft nicht wirklich gab. Dieses mittelbare Vermögen, sich selbst zu bestimmen, vermischt unser Gefühl oft genug mit dem unmittelbaren. Aber ich will sie hier bey Seite setzen. Sie machen im Anfange die Betrach- tung nur verwirrt, und in der Folge erklären sie sich von selbst.
Alle
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
dieſe mich vielleicht wirklich beſtimmt haben, wenn ſie mir in ihrer dermaligen Lage in mir mehr gefallen haͤtte, oder wenn es mir gefallen haͤtte, noch vorher mehr die Sache zu uͤberdenken.
Jſt eine Jdee mir gar nicht gegenwaͤrtig, ſo kann ich auch unmittelbar ihr Objekt nicht wollen. Aber wenn ich auf Eine meiner gegenwaͤrtigen Empfindungen oder Vorſtellungen gewirkt haͤtte, oder ſtaͤrker gewirkt haͤtte, ſo wuͤrde ſich jene Vorſtellung dargeſtellt haben. Jch ſehe etwas nicht, das vor mir liegt, aber wenn ich auf eine andere Empfindung zuruͤckgewirkt haͤtte, ſo wuͤrde mein Auge in die Lage gekommen ſeyn, es gewahr zu nehmen.
Mich deucht, es ſey in dieſen Faͤllen deutlich, daß es mit den unmittelbaren Vermoͤgen, mich zu etwas anders zu beſtimmen, eine ſolche Beſchaffenheit habe, als ich vorher ſchon angezeiget. Wenn, um die mir fehlende Vorſtellung zu erlangen, nichts mehr erfoder- lich geweſen waͤre, als daß ich unter den gegenwaͤrtigen Vorſtellungen, als ſo vielen Saiten der Seele, eine an- dere geruͤhrt haͤtte, als diejenige war, die ich wirklich ruͤhrte, und wenn ich ein ſelbſtthaͤtiges Vermoͤgen ge- habt habe, jenes zu thun, wenn es naͤmlich bloß daran lag, weil es mir nicht gefiel, ſo habe ich auch ein Ver- moͤgen gehabt, mittelbar mich auf die nun nicht ge- genwaͤrtige Vorſtellung zu beſtimmen. Das weſentli- che Erfoderniß iſt aber immer daſſelbige. Es mußte nichts, als nur allein das Nichtgefallen die Urſache ſeyn, daß ich die dazu erfoderliche Richtung meiner Kraft nicht wirklich gab. Dieſes mittelbare Vermoͤgen, ſich ſelbſt zu beſtimmen, vermiſcht unſer Gefuͤhl oft genug mit dem unmittelbaren. Aber ich will ſie hier bey Seite ſetzen. Sie machen im Anfange die Betrach- tung nur verwirrt, und in der Folge erklaͤren ſie ſich von ſelbſt.
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
dieſe mich vielleicht wirklich beſtimmt haben, wenn ſie
mir in ihrer dermaligen Lage in mir mehr gefallen haͤtte,
oder wenn es mir gefallen haͤtte, noch vorher mehr die
Sache zu uͤberdenken.
Jſt eine Jdee mir gar nicht gegenwaͤrtig, ſo kann
ich auch unmittelbar ihr Objekt nicht wollen. Aber
wenn ich auf Eine meiner gegenwaͤrtigen Empfindungen
oder Vorſtellungen gewirkt haͤtte, oder ſtaͤrker gewirkt
haͤtte, ſo wuͤrde ſich jene Vorſtellung dargeſtellt haben.
Jch ſehe etwas nicht, das vor mir liegt, aber wenn ich
auf eine andere Empfindung zuruͤckgewirkt haͤtte, ſo
wuͤrde mein Auge in die Lage gekommen ſeyn, es gewahr
zu nehmen.
Mich deucht, es ſey in dieſen Faͤllen deutlich, daß
es mit den unmittelbaren Vermoͤgen, mich zu etwas
anders zu beſtimmen, eine ſolche Beſchaffenheit habe,
als ich vorher ſchon angezeiget. Wenn, um die mir
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lich geweſen waͤre, als daß ich unter den gegenwaͤrtigen
Vorſtellungen, als ſo vielen Saiten der Seele, eine an-
dere geruͤhrt haͤtte, als diejenige war, die ich wirklich
ruͤhrte, und wenn ich ein ſelbſtthaͤtiges Vermoͤgen ge-
habt habe, jenes zu thun, wenn es naͤmlich bloß daran
lag, weil es mir nicht gefiel, ſo habe ich auch ein Ver-
moͤgen gehabt, mittelbar mich auf die nun nicht ge-
genwaͤrtige Vorſtellung zu beſtimmen. Das weſentli-
che Erfoderniß iſt aber immer daſſelbige. Es mußte
nichts, als nur allein das Nichtgefallen die Urſache ſeyn,
daß ich die dazu erfoderliche Richtung meiner Kraft
nicht wirklich gab. Dieſes mittelbare Vermoͤgen,
ſich ſelbſt zu beſtimmen, vermiſcht unſer Gefuͤhl oft genug
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/142>, abgerufen am 29.11.2024.
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