Vermögen, ob sie gleich von der Seite betrachtet, in so fern durch sie die Handlung verändert werden kann, nur todte Vermögen bleiben. Wir vermissen ihre Aeus- serungen in dem Affekt, wenn der Mensch hingerissen wird, und sich nicht mehr in seiner Gewalt hat. Ei- ne jedwede individuelle freye Aktion ist unendlich völli- ger, mannichfaltiger und vielseitiger, als sie uns dann erscheinet, wenn nur auf den einen Zug von ihr allein gesehen wird, der eine einzige Reihe von Veränderun- gen darstellt, die wir als die wesentlichen in der Hand- lung ansehen. Jn den unfreyen Handlungen fehlen alle diejenigen Beziehungen auf das Gegentheil, die in den freyen wahrgenommen werden, und aus dem regen Vermögen, sich anders zu bestimmen, entspringen.
Die Folgen und Wirkungen, welche das Vermö- gen zum Gegentheil hat, und die man mit den bloßen Pressionen in den Körpern vergleichen kann, gehen zu- nächst aus der Seele in unsern organisirten Körper über, und sind hier noch, wie schon erinnert ist, sichtlich. Es ist nothwendig, daß diese Folgen sich noch weiter heraus verbreiten, und auch in die äußern uns umgebenden Körper übergehen müssen, ob wir gleich hier ihre Spu- ren verlieren. Zuweilen lassen sie sich auch hier noch fühlen und empfinden, wenn gleich nicht mehr deutlich unterscheiden.
Wir haben äußere Kennzeichen der Spontanei- tät eines handelnden Wesens, und wir urtheilen nach denselben, ob wir uns gleich zuweilen dabey irren kön- nen. Veränderungen, Bewegungen, die aus den Ein- drücken von außen her, aus dem Stoße, oder dem Zu- ge, welche ein Körper empfängt, nicht begreiflich zu seyn scheinen, führen uns auf den Gedanken, daß in ihm ein inneres Princip als die Quelle seiner Aktion seyn müsse. Dieß ist der Grund, warum wir die klei- nen mikroskopischen Thierchen für wahre Thiere halten,
und
und Freyheit.
Vermoͤgen, ob ſie gleich von der Seite betrachtet, in ſo fern durch ſie die Handlung veraͤndert werden kann, nur todte Vermoͤgen bleiben. Wir vermiſſen ihre Aeuſ- ſerungen in dem Affekt, wenn der Menſch hingeriſſen wird, und ſich nicht mehr in ſeiner Gewalt hat. Ei- ne jedwede individuelle freye Aktion iſt unendlich voͤlli- ger, mannichfaltiger und vielſeitiger, als ſie uns dann erſcheinet, wenn nur auf den einen Zug von ihr allein geſehen wird, der eine einzige Reihe von Veraͤnderun- gen darſtellt, die wir als die weſentlichen in der Hand- lung anſehen. Jn den unfreyen Handlungen fehlen alle diejenigen Beziehungen auf das Gegentheil, die in den freyen wahrgenommen werden, und aus dem regen Vermoͤgen, ſich anders zu beſtimmen, entſpringen.
Die Folgen und Wirkungen, welche das Vermoͤ- gen zum Gegentheil hat, und die man mit den bloßen Preſſionen in den Koͤrpern vergleichen kann, gehen zu- naͤchſt aus der Seele in unſern organiſirten Koͤrper uͤber, und ſind hier noch, wie ſchon erinnert iſt, ſichtlich. Es iſt nothwendig, daß dieſe Folgen ſich noch weiter heraus verbreiten, und auch in die aͤußern uns umgebenden Koͤrper uͤbergehen muͤſſen, ob wir gleich hier ihre Spu- ren verlieren. Zuweilen laſſen ſie ſich auch hier noch fuͤhlen und empfinden, wenn gleich nicht mehr deutlich unterſcheiden.
Wir haben aͤußere Kennzeichen der Spontanei- taͤt eines handelnden Weſens, und wir urtheilen nach denſelben, ob wir uns gleich zuweilen dabey irren koͤn- nen. Veraͤnderungen, Bewegungen, die aus den Ein- druͤcken von außen her, aus dem Stoße, oder dem Zu- ge, welche ein Koͤrper empfaͤngt, nicht begreiflich zu ſeyn ſcheinen, fuͤhren uns auf den Gedanken, daß in ihm ein inneres Princip als die Quelle ſeiner Aktion ſeyn muͤſſe. Dieß iſt der Grund, warum wir die klei- nen mikroſkopiſchen Thierchen fuͤr wahre Thiere halten,
und
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und Freyheit.
Vermoͤgen, ob ſie gleich von der Seite betrachtet, in
ſo fern durch ſie die Handlung veraͤndert werden kann,
nur todte Vermoͤgen bleiben. Wir vermiſſen ihre Aeuſ-
ſerungen in dem Affekt, wenn der Menſch hingeriſſen
wird, und ſich nicht mehr in ſeiner Gewalt hat. Ei-
ne jedwede individuelle freye Aktion iſt unendlich voͤlli-
ger, mannichfaltiger und vielſeitiger, als ſie uns dann
erſcheinet, wenn nur auf den einen Zug von ihr allein
geſehen wird, der eine einzige Reihe von Veraͤnderun-
gen darſtellt, die wir als die weſentlichen in der Hand-
lung anſehen. Jn den unfreyen Handlungen fehlen
alle diejenigen Beziehungen auf das Gegentheil, die in
den freyen wahrgenommen werden, und aus dem regen
Vermoͤgen, ſich anders zu beſtimmen, entſpringen.
Die Folgen und Wirkungen, welche das Vermoͤ-
gen zum Gegentheil hat, und die man mit den bloßen
Preſſionen in den Koͤrpern vergleichen kann, gehen zu-
naͤchſt aus der Seele in unſern organiſirten Koͤrper uͤber,
und ſind hier noch, wie ſchon erinnert iſt, ſichtlich. Es
iſt nothwendig, daß dieſe Folgen ſich noch weiter heraus
verbreiten, und auch in die aͤußern uns umgebenden
Koͤrper uͤbergehen muͤſſen, ob wir gleich hier ihre Spu-
ren verlieren. Zuweilen laſſen ſie ſich auch hier noch
fuͤhlen und empfinden, wenn gleich nicht mehr deutlich
unterſcheiden.
Wir haben aͤußere Kennzeichen der Spontanei-
taͤt eines handelnden Weſens, und wir urtheilen nach
denſelben, ob wir uns gleich zuweilen dabey irren koͤn-
nen. Veraͤnderungen, Bewegungen, die aus den Ein-
druͤcken von außen her, aus dem Stoße, oder dem Zu-
ge, welche ein Koͤrper empfaͤngt, nicht begreiflich zu
ſeyn ſcheinen, fuͤhren uns auf den Gedanken, daß in
ihm ein inneres Princip als die Quelle ſeiner Aktion
ſeyn muͤſſe. Dieß iſt der Grund, warum wir die klei-
nen mikroſkopiſchen Thierchen fuͤr wahre Thiere halten,
und
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/157>, abgerufen am 28.11.2024.
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