und ihnen eine innere Selbstthätigkeit beylegen. Und in diesen Fällen kann man sichs auch nicht erwehren, so zu urtheilen, wenn man anders selbst einmal ihre Be- wegungen aufmerksam betrachtet hat, ob es gleich an sich nicht unmöglich wäre, daß unser Urtheil falsch seyn konnte. Denn es ist darauf zu wetten, daß manche Personen die Theilchen des fein geriebenen Eisens, die man auf dem Papier durch einen Magneten in Bewe- gung setzen, fortgehen, stille stehen, sich umdrehen und wieder zurückspringen lassen kann, ebenfalls für leben- dige Wesen ansehen würden, wenn man ihnen solche zum erstenmale vorzeigte und die Hand mit dem Ma- gneten versteckte, durch deren Wendungen jene Bewe- gungen verursacht werden. Doch, weil doch auch in die- sem letztern Beyspiel wirklich eine selbstthätige Kraft vorhanden ist, diejenige nämlich, welche die Hand und den Magneten regiert, so kann solches unsere Ue- berzeugung von der Animalität der sogenannten mikro- skopischen Thiere nicht schwächen.
Wir haben auch Charaktere der Willkür und der Freyheit in den äußern Wirkungen, aber es ist nicht zu verwundern, daß sie schwerer zu entdecken sind. Da- her bedienen wir uns ihrer nicht auf dieselbige Art, son- dern schließen solche vielmehr nur aus andern bekannten Aehnlichkeiten der Thiere und Menschen mit uns selbst in unserm Stande der Besinnung. Es würde vortreff- lich seyn, wenn wir die äußern Abdrücke der Freyheit in den freyen Handlungen genauer und deutlicher ange- ben könnten. Dieß müßte, nur Eins zu sagen, wenn es auf die Betrachtung über die Natur angewendet würde, die höchste Freyheit des Schöpfers eben so sichtbar in seinen Werken machen, als seine Macht und Weisheit es ist.
XV. Ver-
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
und ihnen eine innere Selbſtthaͤtigkeit beylegen. Und in dieſen Faͤllen kann man ſichs auch nicht erwehren, ſo zu urtheilen, wenn man anders ſelbſt einmal ihre Be- wegungen aufmerkſam betrachtet hat, ob es gleich an ſich nicht unmoͤglich waͤre, daß unſer Urtheil falſch ſeyn konnte. Denn es iſt darauf zu wetten, daß manche Perſonen die Theilchen des fein geriebenen Eiſens, die man auf dem Papier durch einen Magneten in Bewe- gung ſetzen, fortgehen, ſtille ſtehen, ſich umdrehen und wieder zuruͤckſpringen laſſen kann, ebenfalls fuͤr leben- dige Weſen anſehen wuͤrden, wenn man ihnen ſolche zum erſtenmale vorzeigte und die Hand mit dem Ma- gneten verſteckte, durch deren Wendungen jene Bewe- gungen verurſacht werden. Doch, weil doch auch in die- ſem letztern Beyſpiel wirklich eine ſelbſtthaͤtige Kraft vorhanden iſt, diejenige naͤmlich, welche die Hand und den Magneten regiert, ſo kann ſolches unſere Ue- berzeugung von der Animalitaͤt der ſogenannten mikro- ſkopiſchen Thiere nicht ſchwaͤchen.
Wir haben auch Charaktere der Willkuͤr und der Freyheit in den aͤußern Wirkungen, aber es iſt nicht zu verwundern, daß ſie ſchwerer zu entdecken ſind. Da- her bedienen wir uns ihrer nicht auf dieſelbige Art, ſon- dern ſchließen ſolche vielmehr nur aus andern bekannten Aehnlichkeiten der Thiere und Menſchen mit uns ſelbſt in unſerm Stande der Beſinnung. Es wuͤrde vortreff- lich ſeyn, wenn wir die aͤußern Abdruͤcke der Freyheit in den freyen Handlungen genauer und deutlicher ange- ben koͤnnten. Dieß muͤßte, nur Eins zu ſagen, wenn es auf die Betrachtung uͤber die Natur angewendet wuͤrde, die hoͤchſte Freyheit des Schoͤpfers eben ſo ſichtbar in ſeinen Werken machen, als ſeine Macht und Weisheit es iſt.
XV. Ver-
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
und ihnen eine innere Selbſtthaͤtigkeit beylegen. Und
in dieſen Faͤllen kann man ſichs auch nicht erwehren, ſo
zu urtheilen, wenn man anders ſelbſt einmal ihre Be-
wegungen aufmerkſam betrachtet hat, ob es gleich an
ſich nicht unmoͤglich waͤre, daß unſer Urtheil falſch ſeyn
konnte. Denn es iſt darauf zu wetten, daß manche
Perſonen die Theilchen des fein geriebenen Eiſens, die
man auf dem Papier durch einen Magneten in Bewe-
gung ſetzen, fortgehen, ſtille ſtehen, ſich umdrehen und
wieder zuruͤckſpringen laſſen kann, ebenfalls fuͤr leben-
dige Weſen anſehen wuͤrden, wenn man ihnen ſolche
zum erſtenmale vorzeigte und die Hand mit dem Ma-
gneten verſteckte, durch deren Wendungen jene Bewe-
gungen verurſacht werden. Doch, weil doch auch in die-
ſem letztern Beyſpiel wirklich eine ſelbſtthaͤtige Kraft
vorhanden iſt, diejenige naͤmlich, welche die Hand
und den Magneten regiert, ſo kann ſolches unſere Ue-
berzeugung von der Animalitaͤt der ſogenannten mikro-
ſkopiſchen Thiere nicht ſchwaͤchen.
Wir haben auch Charaktere der Willkuͤr und der
Freyheit in den aͤußern Wirkungen, aber es iſt nicht
zu verwundern, daß ſie ſchwerer zu entdecken ſind. Da-
her bedienen wir uns ihrer nicht auf dieſelbige Art, ſon-
dern ſchließen ſolche vielmehr nur aus andern bekannten
Aehnlichkeiten der Thiere und Menſchen mit uns ſelbſt
in unſerm Stande der Beſinnung. Es wuͤrde vortreff-
lich ſeyn, wenn wir die aͤußern Abdruͤcke der Freyheit
in den freyen Handlungen genauer und deutlicher ange-
ben koͤnnten. Dieß muͤßte, nur Eins zu ſagen, wenn es
auf die Betrachtung uͤber die Natur angewendet wuͤrde,
die hoͤchſte Freyheit des Schoͤpfers eben ſo ſichtbar in
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/158>, abgerufen am 28.11.2024.
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