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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
"Ganzen, die Hauptsubstanz desselben, deren Beschaf-
"fenheiten und Aktionen das Wesentliche von dem aus-
"machen, was wir Empfinden, Denken und Wollen
"nennen, und der wir daher auch unsere Seelenbe-
"schaffenheiten und die Seelenkräfte und Seelenäuße-
"rungen als dem vornehmsten Wesen nicht unrecht bey-
"legen."

Zur Bestätigung des erstern Satzes hier etwas
hinzu zu setzen, ist überflüßig. Die Physiologie und
Psychologie hat nunmehr so viele Fakta gesammelt,
welche diese durchgängige Mitveränderung des Gehirns
zu allen Seelenveränderungen offenbar machen, daß sol-
che als außer Zweifel gesetzt angesehen werden kann.
Jeder Eindruck von außen, jedes innere Gefühl, jedes
Empfindniß, jede Vorstellung, jede Jdee, jedes Wol-
len oder Bestrebung und Thätigkeit, mit einem Wort,
jede Modifikation, jedes Thun und Leiden der Seele
hat eine gewisse Modifikation des Gehirns mit sich ver-
bunden, ohne welche jene nicht vorhanden ist, oder
doch wenigstens nicht so vorhanden ist, daß wir sie soll-
ten bemerken und gewahrnehmen können. Die Ge-
hirnsveränderungen dauren fort, so lange die Seelen-
veränderungen dauren, nehmen mit ihnen zu und ab,
und hören mit ihnen auf. Jhre Verbindung ist auch
nicht bloß einseitig, sondern sie ziehen einander wechsel-
seitig nach sich. Wenn die Seele mit einem Spieler,
und das Organ mit einem Jnstrument verglichen wer-
den sollte, so müßte man zu diesem Gleichnisse hinzu-
setzen, daß die Finger des Spielers ununterbrochen
dicht an die Klaves oder an die Saiten des Jnstru-
ments anliegen; und daß, wie jede Regung und Druck
von den Fingern in die Saiten des Jnstruments über-
gehet, sich auch dagegen jede Bewegung, jeder
Schwung, jedes Zittern in den Saiten des Jnstru-

ments

im Menſchen.
„Ganzen, die Hauptſubſtanz deſſelben, deren Beſchaf-
„fenheiten und Aktionen das Weſentliche von dem aus-
„machen, was wir Empfinden, Denken und Wollen
„nennen, und der wir daher auch unſere Seelenbe-
„ſchaffenheiten und die Seelenkraͤfte und Seelenaͤuße-
„rungen als dem vornehmſten Weſen nicht unrecht bey-
„legen.‟

Zur Beſtaͤtigung des erſtern Satzes hier etwas
hinzu zu ſetzen, iſt uͤberfluͤßig. Die Phyſiologie und
Pſychologie hat nunmehr ſo viele Fakta geſammelt,
welche dieſe durchgaͤngige Mitveraͤnderung des Gehirns
zu allen Seelenveraͤnderungen offenbar machen, daß ſol-
che als außer Zweifel geſetzt angeſehen werden kann.
Jeder Eindruck von außen, jedes innere Gefuͤhl, jedes
Empfindniß, jede Vorſtellung, jede Jdee, jedes Wol-
len oder Beſtrebung und Thaͤtigkeit, mit einem Wort,
jede Modifikation, jedes Thun und Leiden der Seele
hat eine gewiſſe Modifikation des Gehirns mit ſich ver-
bunden, ohne welche jene nicht vorhanden iſt, oder
doch wenigſtens nicht ſo vorhanden iſt, daß wir ſie ſoll-
ten bemerken und gewahrnehmen koͤnnen. Die Ge-
hirnsveraͤnderungen dauren fort, ſo lange die Seelen-
veraͤnderungen dauren, nehmen mit ihnen zu und ab,
und hoͤren mit ihnen auf. Jhre Verbindung iſt auch
nicht bloß einſeitig, ſondern ſie ziehen einander wechſel-
ſeitig nach ſich. Wenn die Seele mit einem Spieler,
und das Organ mit einem Jnſtrument verglichen wer-
den ſollte, ſo muͤßte man zu dieſem Gleichniſſe hinzu-
ſetzen, daß die Finger des Spielers ununterbrochen
dicht an die Klaves oder an die Saiten des Jnſtru-
ments anliegen; und daß, wie jede Regung und Druck
von den Fingern in die Saiten des Jnſtruments uͤber-
gehet, ſich auch dagegen jede Bewegung, jeder
Schwung, jedes Zittern in den Saiten des Jnſtru-

ments
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[159/0189] im Menſchen. „Ganzen, die Hauptſubſtanz deſſelben, deren Beſchaf- „fenheiten und Aktionen das Weſentliche von dem aus- „machen, was wir Empfinden, Denken und Wollen „nennen, und der wir daher auch unſere Seelenbe- „ſchaffenheiten und die Seelenkraͤfte und Seelenaͤuße- „rungen als dem vornehmſten Weſen nicht unrecht bey- „legen.‟ Zur Beſtaͤtigung des erſtern Satzes hier etwas hinzu zu ſetzen, iſt uͤberfluͤßig. Die Phyſiologie und Pſychologie hat nunmehr ſo viele Fakta geſammelt, welche dieſe durchgaͤngige Mitveraͤnderung des Gehirns zu allen Seelenveraͤnderungen offenbar machen, daß ſol- che als außer Zweifel geſetzt angeſehen werden kann. Jeder Eindruck von außen, jedes innere Gefuͤhl, jedes Empfindniß, jede Vorſtellung, jede Jdee, jedes Wol- len oder Beſtrebung und Thaͤtigkeit, mit einem Wort, jede Modifikation, jedes Thun und Leiden der Seele hat eine gewiſſe Modifikation des Gehirns mit ſich ver- bunden, ohne welche jene nicht vorhanden iſt, oder doch wenigſtens nicht ſo vorhanden iſt, daß wir ſie ſoll- ten bemerken und gewahrnehmen koͤnnen. Die Ge- hirnsveraͤnderungen dauren fort, ſo lange die Seelen- veraͤnderungen dauren, nehmen mit ihnen zu und ab, und hoͤren mit ihnen auf. Jhre Verbindung iſt auch nicht bloß einſeitig, ſondern ſie ziehen einander wechſel- ſeitig nach ſich. Wenn die Seele mit einem Spieler, und das Organ mit einem Jnſtrument verglichen wer- den ſollte, ſo muͤßte man zu dieſem Gleichniſſe hinzu- ſetzen, daß die Finger des Spielers ununterbrochen dicht an die Klaves oder an die Saiten des Jnſtru- ments anliegen; und daß, wie jede Regung und Druck von den Fingern in die Saiten des Jnſtruments uͤber- gehet, ſich auch dagegen jede Bewegung, jeder Schwung, jedes Zittern in den Saiten des Jnſtru- ments

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/189>, abgerufen am 25.11.2024.