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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
den werden, und also einen solchen Schein hervorbrin-
gen können, als der ist, den wir von der Ausdehnung
haben? Wenn aber nichts mehr durch die ideelle Aus-
dehnung dem Einfachen beygeleget wird, als überhaupt
Mannichfaltigkeit in Einem: so wird diese Benennung
in einem transcendenten und allgemeinem Verstande ge-
nommen, in dem man so wohl eine Beschaffenheit der
Seele, als anderer einfachen Substanzen, daraus ma-
chen kann.

3.

Wenn wir auch nichts mehr, als diese Begriffe zur
Fertigkeit gebracht haben, so zeiget sich unmittelbar
aus den Beobachtungen eine gewisse Einheit unsers
Jchs, bey der es zwar noch nicht entschieden ist, daß sie
eine substanzielle Einheit sey, die aber doch für sich allein
schon eine fruchtbare Vorstellung giebt. Sie verdienet,
für sich erwogen zu werden.

Es ist ein so sehr erwiesener Beobachtungssatz, als
es sonsten einer seyn kann, "daß das Jch, welches
"siehet, das nämliche ist, welches höret, schmecket,
"riechet, fühlet, denket, will;" wenn wir auch nicht
wissen, worinn diese Aeußerungen der Seele bestehen,
und nur so verwirrte und relative Vorstellungen davon
haben, als unsere Scheine von den Körpern sind. Jch,
der ich fühle, denke, afficirt werde, leide, handle, bin
so sehr Eins und dasselbige Wesen, Ding oder Kraft,
wie man es nennen will, daß ich keinen Begriff von ei-
ner größern Jdentität habe, als diese Jdentität meines
Jchs ist. Jch kann mir nicht vorstellen, daß A mehr
einerley mit A, oder ein Ding mehr einerley mit sich
selbst seyn könne, als das Jch, welches denket, es
ist mit dem Jch, welches will.

Es mag wohl seyn, daß dieß Jch, wenn ich sehe,
in Verbindung mit den Augen wirket, das ist, mit ei-

nem

im Menſchen.
den werden, und alſo einen ſolchen Schein hervorbrin-
gen koͤnnen, als der iſt, den wir von der Ausdehnung
haben? Wenn aber nichts mehr durch die ideelle Aus-
dehnung dem Einfachen beygeleget wird, als uͤberhaupt
Mannichfaltigkeit in Einem: ſo wird dieſe Benennung
in einem tranſcendenten und allgemeinem Verſtande ge-
nommen, in dem man ſo wohl eine Beſchaffenheit der
Seele, als anderer einfachen Subſtanzen, daraus ma-
chen kann.

3.

Wenn wir auch nichts mehr, als dieſe Begriffe zur
Fertigkeit gebracht haben, ſo zeiget ſich unmittelbar
aus den Beobachtungen eine gewiſſe Einheit unſers
Jchs, bey der es zwar noch nicht entſchieden iſt, daß ſie
eine ſubſtanzielle Einheit ſey, die aber doch fuͤr ſich allein
ſchon eine fruchtbare Vorſtellung giebt. Sie verdienet,
fuͤr ſich erwogen zu werden.

Es iſt ein ſo ſehr erwieſener Beobachtungsſatz, als
es ſonſten einer ſeyn kann, „daß das Jch, welches
„ſiehet, das naͤmliche iſt, welches hoͤret, ſchmecket,
„riechet, fuͤhlet, denket, will;‟ wenn wir auch nicht
wiſſen, worinn dieſe Aeußerungen der Seele beſtehen,
und nur ſo verwirrte und relative Vorſtellungen davon
haben, als unſere Scheine von den Koͤrpern ſind. Jch,
der ich fuͤhle, denke, afficirt werde, leide, handle, bin
ſo ſehr Eins und daſſelbige Weſen, Ding oder Kraft,
wie man es nennen will, daß ich keinen Begriff von ei-
ner groͤßern Jdentitaͤt habe, als dieſe Jdentitaͤt meines
Jchs iſt. Jch kann mir nicht vorſtellen, daß A mehr
einerley mit A, oder ein Ding mehr einerley mit ſich
ſelbſt ſeyn koͤnne, als das Jch, welches denket, es
iſt mit dem Jch, welches will.

Es mag wohl ſeyn, daß dieß Jch, wenn ich ſehe,
in Verbindung mit den Augen wirket, das iſt, mit ei-

nem
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[191/0221] im Menſchen. den werden, und alſo einen ſolchen Schein hervorbrin- gen koͤnnen, als der iſt, den wir von der Ausdehnung haben? Wenn aber nichts mehr durch die ideelle Aus- dehnung dem Einfachen beygeleget wird, als uͤberhaupt Mannichfaltigkeit in Einem: ſo wird dieſe Benennung in einem tranſcendenten und allgemeinem Verſtande ge- nommen, in dem man ſo wohl eine Beſchaffenheit der Seele, als anderer einfachen Subſtanzen, daraus ma- chen kann. 3. Wenn wir auch nichts mehr, als dieſe Begriffe zur Fertigkeit gebracht haben, ſo zeiget ſich unmittelbar aus den Beobachtungen eine gewiſſe Einheit unſers Jchs, bey der es zwar noch nicht entſchieden iſt, daß ſie eine ſubſtanzielle Einheit ſey, die aber doch fuͤr ſich allein ſchon eine fruchtbare Vorſtellung giebt. Sie verdienet, fuͤr ſich erwogen zu werden. Es iſt ein ſo ſehr erwieſener Beobachtungsſatz, als es ſonſten einer ſeyn kann, „daß das Jch, welches „ſiehet, das naͤmliche iſt, welches hoͤret, ſchmecket, „riechet, fuͤhlet, denket, will;‟ wenn wir auch nicht wiſſen, worinn dieſe Aeußerungen der Seele beſtehen, und nur ſo verwirrte und relative Vorſtellungen davon haben, als unſere Scheine von den Koͤrpern ſind. Jch, der ich fuͤhle, denke, afficirt werde, leide, handle, bin ſo ſehr Eins und daſſelbige Weſen, Ding oder Kraft, wie man es nennen will, daß ich keinen Begriff von ei- ner groͤßern Jdentitaͤt habe, als dieſe Jdentitaͤt meines Jchs iſt. Jch kann mir nicht vorſtellen, daß A mehr einerley mit A, oder ein Ding mehr einerley mit ſich ſelbſt ſeyn koͤnne, als das Jch, welches denket, es iſt mit dem Jch, welches will. Es mag wohl ſeyn, daß dieß Jch, wenn ich ſehe, in Verbindung mit den Augen wirket, das iſt, mit ei- nem

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/221>, abgerufen am 23.11.2024.