Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
im Menschen.

Hier ist der Unterscheidungscharakter zwischen ei-
nem einfachen Wesen, in welchem man sich eine
Mehrheit von verschiedenen substanziellen Theilen vor-
stellt, und zwischen einem aus reell unterschiedenen Sub-
stanzen zusammengesetztem Ganzen. Wenn gleich eine
Aktion des Einfachen ebenfalls eine Mannichfaltigkeit
in sich fassen, und gleichsam als aus so vielen Theilen
bestehend gedacht werden kann, als man substanzielle
Punkte in dem Ganzen sich gedenket: so ist doch diese
Aktion ein Kontinuum, das nicht aus reell verschie-
denen Theilen bestehet, und nur Eine Aktion in Ei-
nem
Wesen ausmachet. Die Kollektion der einzelnen.
Theile der Aktion geschieht in demselbigen Wesen, und
wird also in demselben zu einer solchen Aktion, als sie ist.
Jst dagegen das Ganze ein solches, das aus mehrern
Einheiten bestehet, davon jede ihren unterschiedenen
Beytrag zu der ganzen Aktion liefert, so wird aus die-
sen Beyträgen zusammen niemals ein Ganzes werden,
wofern nicht alle Beyträge in jedwede einzelne Einheit
zusammengebracht werden, wie z. B. jeder Soldat den
ganzen Knall höret, der durch das gleichzeitige Schies-
sen hervorgebracht wird. Alsdenn aber geschehen so
viele Kollektionen, als es solche kolligirende Einheiten
giebt. Jst aber nur Eine kolligirende Einheit vorhan-
den, so ist es eine wahre substanzielle Einheit, und das,
was sie in sich vereiniget, sind nichts, als substanzielle
Theile eines Ganzen.

5.

Man hat die bloß kollektiven Kräfte und Aktio-
nen, die das nicht sind, was sie sind, als nur allein in
der Beziehung auf dasjenige Wesen, in welchem sie
kollektiret werden, mit einer Art von absoluten Kräf-
ten und Kollektionen verwechselt, die nur in der Ver-
bindung mehrerer Dinge entspringen, und daher auch

nicht
N 4
im Menſchen.

Hier iſt der Unterſcheidungscharakter zwiſchen ei-
nem einfachen Weſen, in welchem man ſich eine
Mehrheit von verſchiedenen ſubſtanziellen Theilen vor-
ſtellt, und zwiſchen einem aus reell unterſchiedenen Sub-
ſtanzen zuſammengeſetztem Ganzen. Wenn gleich eine
Aktion des Einfachen ebenfalls eine Mannichfaltigkeit
in ſich faſſen, und gleichſam als aus ſo vielen Theilen
beſtehend gedacht werden kann, als man ſubſtanzielle
Punkte in dem Ganzen ſich gedenket: ſo iſt doch dieſe
Aktion ein Kontinuum, das nicht aus reell verſchie-
denen Theilen beſtehet, und nur Eine Aktion in Ei-
nem
Weſen ausmachet. Die Kollektion der einzelnen.
Theile der Aktion geſchieht in demſelbigen Weſen, und
wird alſo in demſelben zu einer ſolchen Aktion, als ſie iſt.
Jſt dagegen das Ganze ein ſolches, das aus mehrern
Einheiten beſtehet, davon jede ihren unterſchiedenen
Beytrag zu der ganzen Aktion liefert, ſo wird aus die-
ſen Beytraͤgen zuſammen niemals ein Ganzes werden,
wofern nicht alle Beytraͤge in jedwede einzelne Einheit
zuſammengebracht werden, wie z. B. jeder Soldat den
ganzen Knall hoͤret, der durch das gleichzeitige Schieſ-
ſen hervorgebracht wird. Alsdenn aber geſchehen ſo
viele Kollektionen, als es ſolche kolligirende Einheiten
giebt. Jſt aber nur Eine kolligirende Einheit vorhan-
den, ſo iſt es eine wahre ſubſtanzielle Einheit, und das,
was ſie in ſich vereiniget, ſind nichts, als ſubſtanzielle
Theile eines Ganzen.

5.

Man hat die bloß kollektiven Kraͤfte und Aktio-
nen, die das nicht ſind, was ſie ſind, als nur allein in
der Beziehung auf dasjenige Weſen, in welchem ſie
kollektiret werden, mit einer Art von abſoluten Kraͤf-
ten und Kollektionen verwechſelt, die nur in der Ver-
bindung mehrerer Dinge entſpringen, und daher auch

nicht
N 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0229" n="199"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">im Men&#x017F;chen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Hier i&#x017F;t der Unter&#x017F;cheidungscharakter zwi&#x017F;chen ei-<lb/>
nem <hi rendition="#fr">einfachen</hi> We&#x017F;en, in welchem man &#x017F;ich eine<lb/>
Mehrheit von ver&#x017F;chiedenen &#x017F;ub&#x017F;tanziellen Theilen vor-<lb/>
&#x017F;tellt, und zwi&#x017F;chen einem aus reell unter&#x017F;chiedenen Sub-<lb/>
&#x017F;tanzen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etztem Ganzen. Wenn gleich eine<lb/>
Aktion des Einfachen ebenfalls eine Mannichfaltigkeit<lb/>
in &#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;en, und gleich&#x017F;am als aus &#x017F;o vielen Theilen<lb/>
be&#x017F;tehend gedacht werden kann, als man &#x017F;ub&#x017F;tanzielle<lb/>
Punkte in dem Ganzen &#x017F;ich gedenket: &#x017F;o i&#x017F;t doch die&#x017F;e<lb/>
Aktion ein <hi rendition="#fr">Kontinuum,</hi> das nicht aus reell ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Theilen be&#x017F;tehet, und nur <hi rendition="#fr">Eine</hi> Aktion in <hi rendition="#fr">Ei-<lb/>
nem</hi> We&#x017F;en ausmachet. Die Kollektion der einzelnen.<lb/>
Theile der Aktion ge&#x017F;chieht in dem&#x017F;elbigen We&#x017F;en, und<lb/>
wird al&#x017F;o in dem&#x017F;elben zu einer &#x017F;olchen Aktion, als &#x017F;ie i&#x017F;t.<lb/>
J&#x017F;t dagegen das Ganze ein &#x017F;olches, das aus mehrern<lb/>
Einheiten be&#x017F;tehet, davon jede ihren unter&#x017F;chiedenen<lb/>
Beytrag zu der ganzen Aktion liefert, &#x017F;o wird aus die-<lb/>
&#x017F;en Beytra&#x0364;gen zu&#x017F;ammen niemals ein Ganzes werden,<lb/>
wofern nicht alle Beytra&#x0364;ge in jedwede einzelne Einheit<lb/>
zu&#x017F;ammengebracht werden, wie z. B. jeder Soldat den<lb/>
ganzen Knall ho&#x0364;ret, der durch das gleichzeitige Schie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en hervorgebracht wird. Alsdenn aber ge&#x017F;chehen &#x017F;o<lb/>
viele Kollektionen, als es &#x017F;olche kolligirende Einheiten<lb/>
giebt. J&#x017F;t aber nur Eine kolligirende Einheit vorhan-<lb/>
den, &#x017F;o i&#x017F;t es eine wahre &#x017F;ub&#x017F;tanzielle Einheit, und das,<lb/>
was &#x017F;ie in &#x017F;ich vereiniget, &#x017F;ind nichts, als &#x017F;ub&#x017F;tanzielle<lb/>
Theile eines Ganzen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>5.</head><lb/>
            <p>Man hat die <hi rendition="#fr">bloß kollektiven Kra&#x0364;fte</hi> und Aktio-<lb/>
nen, die das nicht &#x017F;ind, was &#x017F;ie &#x017F;ind, als nur allein in<lb/>
der Beziehung auf dasjenige We&#x017F;en, in welchem &#x017F;ie<lb/>
kollektiret werden, mit einer Art von <hi rendition="#fr">ab&#x017F;oluten</hi> Kra&#x0364;f-<lb/>
ten und Kollektionen verwech&#x017F;elt, die nur in der Ver-<lb/>
bindung mehrerer Dinge ent&#x017F;pringen, und daher auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 4</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0229] im Menſchen. Hier iſt der Unterſcheidungscharakter zwiſchen ei- nem einfachen Weſen, in welchem man ſich eine Mehrheit von verſchiedenen ſubſtanziellen Theilen vor- ſtellt, und zwiſchen einem aus reell unterſchiedenen Sub- ſtanzen zuſammengeſetztem Ganzen. Wenn gleich eine Aktion des Einfachen ebenfalls eine Mannichfaltigkeit in ſich faſſen, und gleichſam als aus ſo vielen Theilen beſtehend gedacht werden kann, als man ſubſtanzielle Punkte in dem Ganzen ſich gedenket: ſo iſt doch dieſe Aktion ein Kontinuum, das nicht aus reell verſchie- denen Theilen beſtehet, und nur Eine Aktion in Ei- nem Weſen ausmachet. Die Kollektion der einzelnen. Theile der Aktion geſchieht in demſelbigen Weſen, und wird alſo in demſelben zu einer ſolchen Aktion, als ſie iſt. Jſt dagegen das Ganze ein ſolches, das aus mehrern Einheiten beſtehet, davon jede ihren unterſchiedenen Beytrag zu der ganzen Aktion liefert, ſo wird aus die- ſen Beytraͤgen zuſammen niemals ein Ganzes werden, wofern nicht alle Beytraͤge in jedwede einzelne Einheit zuſammengebracht werden, wie z. B. jeder Soldat den ganzen Knall hoͤret, der durch das gleichzeitige Schieſ- ſen hervorgebracht wird. Alsdenn aber geſchehen ſo viele Kollektionen, als es ſolche kolligirende Einheiten giebt. Jſt aber nur Eine kolligirende Einheit vorhan- den, ſo iſt es eine wahre ſubſtanzielle Einheit, und das, was ſie in ſich vereiniget, ſind nichts, als ſubſtanzielle Theile eines Ganzen. 5. Man hat die bloß kollektiven Kraͤfte und Aktio- nen, die das nicht ſind, was ſie ſind, als nur allein in der Beziehung auf dasjenige Weſen, in welchem ſie kollektiret werden, mit einer Art von abſoluten Kraͤf- ten und Kollektionen verwechſelt, die nur in der Ver- bindung mehrerer Dinge entſpringen, und daher auch nicht N 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/229
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/229>, abgerufen am 23.11.2024.