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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
Fortdauer als Seele, als fühlendes und denkendes We-
sen, nicht außer Zweifel gesetzet. Und ob man nun jenes
wisse, wenn man doch das letztere nicht weiß, daran
dürfe uns, wie einige meinen, wenig gelegen seyn. Jch
habe es vorher schon erinnert, es mag viel oder wenig
von einer Wahrheit abhangen, und soll man darnach so
ängstlich fragen: so ist doch eine jedwede ein Schatz
für sich, den der Denker nicht gleichgültig wegläßt,
wenn er gleich andre noch entbehren muß, die ihm viel
angelegentlicher sind.

Es ist sehr leicht zu begreifen, wenn mehrere ein-
fache Wesen mit einander vereinigt werden, und in ein-
ander wirken, daß dadurch Thätigkeiten und Wirkungs-
arten in ihnen erreget werden, die sie allein für sich
nicht würden geäußert haben. Aber dergleichen Kraft-
äußerungen, ob sie gleich an gewisse äußere Umstände
gebunden sind, sind doch dermalen absolute Kräfte und
Wirkungsarten, die eine objektivische Existenz in
den Dingen selbst haben. Sie haben zwar ihren
Grund, zum Theil wenigstens, in gewissen Beziehungen
auf andre Dinge, und hängen von diesen Beziehungen
ab, sie bestehen nur, so lange diese dauern, und hören
auf, wenn ihre Verbindungen mit andern wegfallen;
aber sie sind das, was sie sind, nicht bloß subjektivisch
in andern Dingen, wie die kollektiven Kräfte und
Vermögen, deren Existenz nur subjektivisch in dem
kolligirenden Wesen ist, das sich solche vorstellet, oder
ihre vereinigten Wirkungen in sich aufnimmt.

Die Eigenschaften der Körper und der Kräfte, die
wir ihnen zuschreiben, können von uns, wenn wir auf
die Natur unserer sinnlichen Vorstellungen zurücksehen,
für nichts anders, als für bloß kollektive Beschaf-
fenheiten und Kräfte
gehalten werden. Wir em-
pfinden nicht einzelne Einheiten, sondern immer nur
ganze Haufen von ihnen auf einmal. Daher sind wir

auch
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im Menſchen.
Fortdauer als Seele, als fuͤhlendes und denkendes We-
ſen, nicht außer Zweifel geſetzet. Und ob man nun jenes
wiſſe, wenn man doch das letztere nicht weiß, daran
duͤrfe uns, wie einige meinen, wenig gelegen ſeyn. Jch
habe es vorher ſchon erinnert, es mag viel oder wenig
von einer Wahrheit abhangen, und ſoll man darnach ſo
aͤngſtlich fragen: ſo iſt doch eine jedwede ein Schatz
fuͤr ſich, den der Denker nicht gleichguͤltig weglaͤßt,
wenn er gleich andre noch entbehren muß, die ihm viel
angelegentlicher ſind.

Es iſt ſehr leicht zu begreifen, wenn mehrere ein-
fache Weſen mit einander vereinigt werden, und in ein-
ander wirken, daß dadurch Thaͤtigkeiten und Wirkungs-
arten in ihnen erreget werden, die ſie allein fuͤr ſich
nicht wuͤrden geaͤußert haben. Aber dergleichen Kraft-
aͤußerungen, ob ſie gleich an gewiſſe aͤußere Umſtaͤnde
gebunden ſind, ſind doch dermalen abſolute Kraͤfte und
Wirkungsarten, die eine objektiviſche Exiſtenz in
den Dingen ſelbſt haben. Sie haben zwar ihren
Grund, zum Theil wenigſtens, in gewiſſen Beziehungen
auf andre Dinge, und haͤngen von dieſen Beziehungen
ab, ſie beſtehen nur, ſo lange dieſe dauern, und hoͤren
auf, wenn ihre Verbindungen mit andern wegfallen;
aber ſie ſind das, was ſie ſind, nicht bloß ſubjektiviſch
in andern Dingen, wie die kollektiven Kraͤfte und
Vermoͤgen, deren Exiſtenz nur ſubjektiviſch in dem
kolligirenden Weſen iſt, das ſich ſolche vorſtellet, oder
ihre vereinigten Wirkungen in ſich aufnimmt.

Die Eigenſchaften der Koͤrper und der Kraͤfte, die
wir ihnen zuſchreiben, koͤnnen von uns, wenn wir auf
die Natur unſerer ſinnlichen Vorſtellungen zuruͤckſehen,
fuͤr nichts anders, als fuͤr bloß kollektive Beſchaf-
fenheiten und Kraͤfte
gehalten werden. Wir em-
pfinden nicht einzelne Einheiten, ſondern immer nur
ganze Haufen von ihnen auf einmal. Daher ſind wir

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[201/0231] im Menſchen. Fortdauer als Seele, als fuͤhlendes und denkendes We- ſen, nicht außer Zweifel geſetzet. Und ob man nun jenes wiſſe, wenn man doch das letztere nicht weiß, daran duͤrfe uns, wie einige meinen, wenig gelegen ſeyn. Jch habe es vorher ſchon erinnert, es mag viel oder wenig von einer Wahrheit abhangen, und ſoll man darnach ſo aͤngſtlich fragen: ſo iſt doch eine jedwede ein Schatz fuͤr ſich, den der Denker nicht gleichguͤltig weglaͤßt, wenn er gleich andre noch entbehren muß, die ihm viel angelegentlicher ſind. Es iſt ſehr leicht zu begreifen, wenn mehrere ein- fache Weſen mit einander vereinigt werden, und in ein- ander wirken, daß dadurch Thaͤtigkeiten und Wirkungs- arten in ihnen erreget werden, die ſie allein fuͤr ſich nicht wuͤrden geaͤußert haben. Aber dergleichen Kraft- aͤußerungen, ob ſie gleich an gewiſſe aͤußere Umſtaͤnde gebunden ſind, ſind doch dermalen abſolute Kraͤfte und Wirkungsarten, die eine objektiviſche Exiſtenz in den Dingen ſelbſt haben. Sie haben zwar ihren Grund, zum Theil wenigſtens, in gewiſſen Beziehungen auf andre Dinge, und haͤngen von dieſen Beziehungen ab, ſie beſtehen nur, ſo lange dieſe dauern, und hoͤren auf, wenn ihre Verbindungen mit andern wegfallen; aber ſie ſind das, was ſie ſind, nicht bloß ſubjektiviſch in andern Dingen, wie die kollektiven Kraͤfte und Vermoͤgen, deren Exiſtenz nur ſubjektiviſch in dem kolligirenden Weſen iſt, das ſich ſolche vorſtellet, oder ihre vereinigten Wirkungen in ſich aufnimmt. Die Eigenſchaften der Koͤrper und der Kraͤfte, die wir ihnen zuſchreiben, koͤnnen von uns, wenn wir auf die Natur unſerer ſinnlichen Vorſtellungen zuruͤckſehen, fuͤr nichts anders, als fuͤr bloß kollektive Beſchaf- fenheiten und Kraͤfte gehalten werden. Wir em- pfinden nicht einzelne Einheiten, ſondern immer nur ganze Haufen von ihnen auf einmal. Daher ſind wir auch N 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/231>, abgerufen am 23.11.2024.