ches in den innern Fasern des Gehirns vermuthen las- sen, in dem Theile, der von allen organischen Kräften unsers Körpers die Quelle und der Hauptsitz zu seyn scheinet?
Ohne Zweifel. Kopfarbeiten verursachen im An- fange Kopfschmerzen und andere Uebel, die eine Folge von einem zu starken Reiz des Gehirns sind; ist man aber jener gewohnt, so verlieren sich diese Empfindun- gen. Hieraus folget doch im Allgemeinen so viel, daß die sinnlichen Bewegungen im Gehirn gewisse Dispo- sitionen hinterlassen, die daselbst noch fortdauren, wenn die Bewegungen aufgehöret haben.
Vielleicht ist dieß eine allgemeine Eigenschaft aller organisirten Körper, da man sogar etwas da- von in den musikalischen Jnstrumenten antrifft, und in den groben Maschinen, die nichts mehr als Maschinen sind. Die Jnstrumente geben alsdenn erst die Töne am reinsten und am hellsten an, wenn sie eine Zeitlang gebrauchet und ausgespielet worden sind. Jm Anfange sind einige Hindernisse da, eine gewisse Unbiegsamkeit und Rauhigkeit, wodurch sich die Theile an einander reiben und die Bewegungen gehindert werden, die sich in der Folge verlieren.
Es ist zugleich auch begreiflich, daß die Receptivi- tät zu solchen Fertigkeiten unendlich verschiedene Grade haben könne. Sie ist auch wohl nicht in allen Seelen- organen in dem Menschen von gleicher Größe. Das Werkzeug des Gesichts, oder der Theil des Gehirns, wo sich die Eindrücke des Gesichts ablegen, scheinet hier- innen, wie bekannt und niehrmalen schon erinnert ist, einen merklichen Vorzug zu haben.
Aber dennoch kann dabey einiger Zweifel entstehen, ob dieß auch so weit gehe, als Hr. Bonnet es zum Grundsatz machet und machen muß; so weit nämlich, daß jedwede unterscheidbare sinnliche Bewegung
eine
im Menſchen.
ches in den innern Faſern des Gehirns vermuthen laſ- ſen, in dem Theile, der von allen organiſchen Kraͤften unſers Koͤrpers die Quelle und der Hauptſitz zu ſeyn ſcheinet?
Ohne Zweifel. Kopfarbeiten verurſachen im An- fange Kopfſchmerzen und andere Uebel, die eine Folge von einem zu ſtarken Reiz des Gehirns ſind; iſt man aber jener gewohnt, ſo verlieren ſich dieſe Empfindun- gen. Hieraus folget doch im Allgemeinen ſo viel, daß die ſinnlichen Bewegungen im Gehirn gewiſſe Diſpo- ſitionen hinterlaſſen, die daſelbſt noch fortdauren, wenn die Bewegungen aufgehoͤret haben.
Vielleicht iſt dieß eine allgemeine Eigenſchaft aller organiſirten Koͤrper, da man ſogar etwas da- von in den muſikaliſchen Jnſtrumenten antrifft, und in den groben Maſchinen, die nichts mehr als Maſchinen ſind. Die Jnſtrumente geben alsdenn erſt die Toͤne am reinſten und am hellſten an, wenn ſie eine Zeitlang gebrauchet und ausgeſpielet worden ſind. Jm Anfange ſind einige Hinderniſſe da, eine gewiſſe Unbiegſamkeit und Rauhigkeit, wodurch ſich die Theile an einander reiben und die Bewegungen gehindert werden, die ſich in der Folge verlieren.
Es iſt zugleich auch begreiflich, daß die Receptivi- taͤt zu ſolchen Fertigkeiten unendlich verſchiedene Grade haben koͤnne. Sie iſt auch wohl nicht in allen Seelen- organen in dem Menſchen von gleicher Groͤße. Das Werkzeug des Geſichts, oder der Theil des Gehirns, wo ſich die Eindruͤcke des Geſichts ablegen, ſcheinet hier- innen, wie bekannt und niehrmalen ſchon erinnert iſt, einen merklichen Vorzug zu haben.
Aber dennoch kann dabey einiger Zweifel entſtehen, ob dieß auch ſo weit gehe, als Hr. Bonnet es zum Grundſatz machet und machen muß; ſo weit naͤmlich, daß jedwede unterſcheidbare ſinnliche Bewegung
eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0283"n="253"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">im Menſchen.</hi></fw><lb/>
ches in den innern Faſern des Gehirns vermuthen laſ-<lb/>ſen, in dem Theile, der von allen organiſchen Kraͤften<lb/>
unſers Koͤrpers die Quelle und der Hauptſitz zu ſeyn<lb/>ſcheinet?</p><lb/><p>Ohne Zweifel. Kopfarbeiten verurſachen im An-<lb/>
fange Kopfſchmerzen und andere Uebel, die eine Folge<lb/>
von einem zu ſtarken Reiz des Gehirns ſind; iſt man<lb/>
aber jener gewohnt, ſo verlieren ſich dieſe Empfindun-<lb/>
gen. Hieraus folget doch im Allgemeinen ſo viel, daß<lb/>
die ſinnlichen Bewegungen im Gehirn gewiſſe Diſpo-<lb/>ſitionen hinterlaſſen, die daſelbſt noch fortdauren, wenn<lb/>
die Bewegungen aufgehoͤret haben.</p><lb/><p>Vielleicht iſt dieß eine <hirendition="#fr">allgemeine Eigenſchaft<lb/>
aller organiſirten Koͤrper,</hi> da man ſogar etwas da-<lb/>
von in den muſikaliſchen Jnſtrumenten antrifft, und in<lb/>
den groben Maſchinen, die nichts mehr als Maſchinen<lb/>ſind. Die Jnſtrumente geben alsdenn erſt die Toͤne<lb/>
am reinſten und am hellſten an, wenn ſie eine Zeitlang<lb/>
gebrauchet und ausgeſpielet worden ſind. Jm Anfange<lb/>ſind einige Hinderniſſe da, eine gewiſſe Unbiegſamkeit<lb/>
und Rauhigkeit, wodurch ſich die Theile an einander<lb/>
reiben und die Bewegungen gehindert werden, die ſich<lb/>
in der Folge verlieren.</p><lb/><p>Es iſt zugleich auch begreiflich, daß die Receptivi-<lb/>
taͤt zu ſolchen Fertigkeiten unendlich verſchiedene Grade<lb/>
haben koͤnne. Sie iſt auch wohl nicht in allen Seelen-<lb/>
organen in dem Menſchen von gleicher Groͤße. Das<lb/>
Werkzeug des Geſichts, oder der Theil des Gehirns,<lb/>
wo ſich die Eindruͤcke des Geſichts ablegen, ſcheinet hier-<lb/>
innen, wie bekannt und niehrmalen ſchon erinnert iſt,<lb/>
einen merklichen Vorzug zu haben.</p><lb/><p>Aber dennoch kann dabey einiger Zweifel entſtehen,<lb/>
ob dieß auch ſo weit gehe, als Hr. <hirendition="#fr">Bonnet</hi> es zum<lb/>
Grundſatz machet und machen muß; ſo weit naͤmlich,<lb/><hirendition="#fr">daß jedwede</hi> unterſcheidbare <hirendition="#fr">ſinnliche Bewegung</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">eine</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[253/0283]
im Menſchen.
ches in den innern Faſern des Gehirns vermuthen laſ-
ſen, in dem Theile, der von allen organiſchen Kraͤften
unſers Koͤrpers die Quelle und der Hauptſitz zu ſeyn
ſcheinet?
Ohne Zweifel. Kopfarbeiten verurſachen im An-
fange Kopfſchmerzen und andere Uebel, die eine Folge
von einem zu ſtarken Reiz des Gehirns ſind; iſt man
aber jener gewohnt, ſo verlieren ſich dieſe Empfindun-
gen. Hieraus folget doch im Allgemeinen ſo viel, daß
die ſinnlichen Bewegungen im Gehirn gewiſſe Diſpo-
ſitionen hinterlaſſen, die daſelbſt noch fortdauren, wenn
die Bewegungen aufgehoͤret haben.
Vielleicht iſt dieß eine allgemeine Eigenſchaft
aller organiſirten Koͤrper, da man ſogar etwas da-
von in den muſikaliſchen Jnſtrumenten antrifft, und in
den groben Maſchinen, die nichts mehr als Maſchinen
ſind. Die Jnſtrumente geben alsdenn erſt die Toͤne
am reinſten und am hellſten an, wenn ſie eine Zeitlang
gebrauchet und ausgeſpielet worden ſind. Jm Anfange
ſind einige Hinderniſſe da, eine gewiſſe Unbiegſamkeit
und Rauhigkeit, wodurch ſich die Theile an einander
reiben und die Bewegungen gehindert werden, die ſich
in der Folge verlieren.
Es iſt zugleich auch begreiflich, daß die Receptivi-
taͤt zu ſolchen Fertigkeiten unendlich verſchiedene Grade
haben koͤnne. Sie iſt auch wohl nicht in allen Seelen-
organen in dem Menſchen von gleicher Groͤße. Das
Werkzeug des Geſichts, oder der Theil des Gehirns,
wo ſich die Eindruͤcke des Geſichts ablegen, ſcheinet hier-
innen, wie bekannt und niehrmalen ſchon erinnert iſt,
einen merklichen Vorzug zu haben.
Aber dennoch kann dabey einiger Zweifel entſtehen,
ob dieß auch ſo weit gehe, als Hr. Bonnet es zum
Grundſatz machet und machen muß; ſo weit naͤmlich,
daß jedwede unterſcheidbare ſinnliche Bewegung
eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/283>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.