scheinlich machen, andere entgegenzusetzen, welche die Macht der Seele über das Organ darthun. Und wenn die einzelnen Fälle von jenen etwan häufiger sind, als von diesen, so ist solches leicht zu begreifen, da das letztere einen höhern Grad der Selbstthätigkeit der Seele, das ist, eine höhere Geistesstärke erfodert, warum so wenig Menschen sich mit dem anhaltenden Eifer be- werben und bewerben können, mit dem sie nur erlanget werden kann, wenn sie mehr als Temperament und Gehirnsstärke seyn soll, die nur ihr Analogon ist.
Hieraus folget, wenn es wahrscheinlich ist, daß in dem Organ eine Association der sinnlichen Bewegungen zu Stande kommt, so sey es auch wahrscheinlich, daß in der Seele die intellektuellen Jdeen auf ähnliche Weise associirt, und in der Seele wie jene im Gehirn an einander gefüget werden, daß sie sich unmittelbar er- neuern können, ohne daß die Aktion des andern Theils erfodert werde, welche anfangs dazwischen kam.
Aber dieß vorausgesetzt, so ist es nothwendig, daß sowol in der Seele selbst, als in dem Gehirn Spuren von den ehemaligen Modifikationen aufbewahret wer- den. Wie das Gehirn durch die ersten Jmpressionen in der Empfindung eine Disposition empfangen muß, leichter auf dieselbige Art sich zu bewegen, weil sonsten auf eine sinnliche Bewegung unmittelbar keine andere folgen könnte, ohne daß aus der Seele her ein Bestre- ben oder Antrieb dazwischen stehe: so muß aus dem- selbigen Grunde in der Seele eine permanente Folge von der ersten Jmpression zurückgeblieben seyn, weil es sonsten unmöglich wäre, daß diese erneuert werden könn- te, ohne durch die Aktion der wiedererneuerten Fiber- schwingung.
So wenig als die wiedererneuerte Gehirnsbewe- gung eine Vorstellung ist, von der wir wissen kön- nen, daß sie da ist, wenn nicht auch das Gefühl derselben,
und
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im Menſchen.
ſcheinlich machen, andere entgegenzuſetzen, welche die Macht der Seele uͤber das Organ darthun. Und wenn die einzelnen Faͤlle von jenen etwan haͤufiger ſind, als von dieſen, ſo iſt ſolches leicht zu begreifen, da das letztere einen hoͤhern Grad der Selbſtthaͤtigkeit der Seele, das iſt, eine hoͤhere Geiſtesſtaͤrke erfodert, warum ſo wenig Menſchen ſich mit dem anhaltenden Eifer be- werben und bewerben koͤnnen, mit dem ſie nur erlanget werden kann, wenn ſie mehr als Temperament und Gehirnsſtaͤrke ſeyn ſoll, die nur ihr Analogon iſt.
Hieraus folget, wenn es wahrſcheinlich iſt, daß in dem Organ eine Aſſociation der ſinnlichen Bewegungen zu Stande kommt, ſo ſey es auch wahrſcheinlich, daß in der Seele die intellektuellen Jdeen auf aͤhnliche Weiſe aſſociirt, und in der Seele wie jene im Gehirn an einander gefuͤget werden, daß ſie ſich unmittelbar er- neuern koͤnnen, ohne daß die Aktion des andern Theils erfodert werde, welche anfangs dazwiſchen kam.
Aber dieß vorausgeſetzt, ſo iſt es nothwendig, daß ſowol in der Seele ſelbſt, als in dem Gehirn Spuren von den ehemaligen Modifikationen aufbewahret wer- den. Wie das Gehirn durch die erſten Jmpreſſionen in der Empfindung eine Diſpoſition empfangen muß, leichter auf dieſelbige Art ſich zu bewegen, weil ſonſten auf eine ſinnliche Bewegung unmittelbar keine andere folgen koͤnnte, ohne daß aus der Seele her ein Beſtre- ben oder Antrieb dazwiſchen ſtehe: ſo muß aus dem- ſelbigen Grunde in der Seele eine permanente Folge von der erſten Jmpreſſion zuruͤckgeblieben ſeyn, weil es ſonſten unmoͤglich waͤre, daß dieſe erneuert werden koͤnn- te, ohne durch die Aktion der wiedererneuerten Fiber- ſchwingung.
So wenig als die wiedererneuerte Gehirnsbewe- gung eine Vorſtellung iſt, von der wir wiſſen koͤn- nen, daß ſie da iſt, wenn nicht auch das Gefuͤhl derſelben,
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im Menſchen.
ſcheinlich machen, andere entgegenzuſetzen, welche
die Macht der Seele uͤber das Organ darthun. Und
wenn die einzelnen Faͤlle von jenen etwan haͤufiger ſind,
als von dieſen, ſo iſt ſolches leicht zu begreifen, da das
letztere einen hoͤhern Grad der Selbſtthaͤtigkeit der Seele,
das iſt, eine hoͤhere Geiſtesſtaͤrke erfodert, warum ſo
wenig Menſchen ſich mit dem anhaltenden Eifer be-
werben und bewerben koͤnnen, mit dem ſie nur erlanget
werden kann, wenn ſie mehr als Temperament und
Gehirnsſtaͤrke ſeyn ſoll, die nur ihr Analogon iſt.
Hieraus folget, wenn es wahrſcheinlich iſt, daß in dem
Organ eine Aſſociation der ſinnlichen Bewegungen zu
Stande kommt, ſo ſey es auch wahrſcheinlich, daß in der
Seele die intellektuellen Jdeen auf aͤhnliche Weiſe
aſſociirt, und in der Seele wie jene im Gehirn an
einander gefuͤget werden, daß ſie ſich unmittelbar er-
neuern koͤnnen, ohne daß die Aktion des andern Theils
erfodert werde, welche anfangs dazwiſchen kam.
Aber dieß vorausgeſetzt, ſo iſt es nothwendig, daß
ſowol in der Seele ſelbſt, als in dem Gehirn Spuren
von den ehemaligen Modifikationen aufbewahret wer-
den. Wie das Gehirn durch die erſten Jmpreſſionen
in der Empfindung eine Diſpoſition empfangen muß,
leichter auf dieſelbige Art ſich zu bewegen, weil ſonſten
auf eine ſinnliche Bewegung unmittelbar keine andere
folgen koͤnnte, ohne daß aus der Seele her ein Beſtre-
ben oder Antrieb dazwiſchen ſtehe: ſo muß aus dem-
ſelbigen Grunde in der Seele eine permanente Folge
von der erſten Jmpreſſion zuruͤckgeblieben ſeyn, weil es
ſonſten unmoͤglich waͤre, daß dieſe erneuert werden koͤnn-
te, ohne durch die Aktion der wiedererneuerten Fiber-
ſchwingung.
So wenig als die wiedererneuerte Gehirnsbewe-
gung eine Vorſtellung iſt, von der wir wiſſen koͤn-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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