und also die entsprechende intellektuelle Jdee in der Seele, erneuert wird; eben so wenig kann die Seele es wissen, daß sie eine Vorstellung reproducirt habe, wenn nicht außer der intellektuellen Jdee auch die dazu gehörige Bewegung im Gehirn vorhanden ist und gefühlet wird.
Wenn man aus allen diesen die Jdee herauszieht, auf welche die verschiedensten Beobachtungen als auf einen Mittelpunkt zusammenlaufen: so deucht mich, -- jedoch sey dieß so gesagt, wie man es sagt, wenn man lebhaft fühlet, wie dunkel alles herum ist, und wie leicht man mit der Vermuthung irren könne! -- man komme auf eine Hypothese, die ob sie gleich zusammen- gesetzet zu seyn scheinet, doch in der That einförmig ist, und allen Phänomenen auf die leichteste Art eine Gnüge thut. Von dieser will ich die Grundzüge hersetzen.
Sowol in der Seele selbst, als in dem Gehirn oder dem innern Organ der Seele, bleiben Spuren zurück, theils von den Jmpressionen, die wir von außen erhalten, theils auch von den übrigen Modifika- tionen, die durch innere Ursachen hervorgebracht werden, und die wir vermittelst des Selbstgefühls erkennen.
Da man dergleichen in dem Gehirn, als einem or- ganisirten Körper, so leicht zugiebt: was hat es denn für besondere Schwierigkeiten, sich vorzustellen, daß sie auch in der Seele selbst seyn können? Sind sie in dem Gehirn, so führen sie doch am Ende auf gewisse Mo- difikationen der einfachen Wesen zurück, woraus das Gehirn bestehet. Wir mögen sie uns wie Dispositio- nen, Tendenzen oder wirkliche, zusammengezogene, ge- schwächte Bewegungen vorstellen, oder wie wir wollen, so ist eine Lücke in dem System, wenn man nicht an- nimmt, daß auch unser Jch dergleichen in sich habe, wie oben (VII. 8.) ist erinnert worden. Jst die Seele eine von dem Gehirn unterschiedene, für sich bestehende,
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
und alſo die entſprechende intellektuelle Jdee in der Seele, erneuert wird; eben ſo wenig kann die Seele es wiſſen, daß ſie eine Vorſtellung reproducirt habe, wenn nicht außer der intellektuellen Jdee auch die dazu gehoͤrige Bewegung im Gehirn vorhanden iſt und gefuͤhlet wird.
Wenn man aus allen dieſen die Jdee herauszieht, auf welche die verſchiedenſten Beobachtungen als auf einen Mittelpunkt zuſammenlaufen: ſo deucht mich, — jedoch ſey dieß ſo geſagt, wie man es ſagt, wenn man lebhaft fuͤhlet, wie dunkel alles herum iſt, und wie leicht man mit der Vermuthung irren koͤnne! — man komme auf eine Hypotheſe, die ob ſie gleich zuſammen- geſetzet zu ſeyn ſcheinet, doch in der That einfoͤrmig iſt, und allen Phaͤnomenen auf die leichteſte Art eine Gnuͤge thut. Von dieſer will ich die Grundzuͤge herſetzen.
Sowol in der Seele ſelbſt, als in dem Gehirn oder dem innern Organ der Seele, bleiben Spuren zuruͤck, theils von den Jmpreſſionen, die wir von außen erhalten, theils auch von den uͤbrigen Modifika- tionen, die durch innere Urſachen hervorgebracht werden, und die wir vermittelſt des Selbſtgefuͤhls erkennen.
Da man dergleichen in dem Gehirn, als einem or- ganiſirten Koͤrper, ſo leicht zugiebt: was hat es denn fuͤr beſondere Schwierigkeiten, ſich vorzuſtellen, daß ſie auch in der Seele ſelbſt ſeyn koͤnnen? Sind ſie in dem Gehirn, ſo fuͤhren ſie doch am Ende auf gewiſſe Mo- difikationen der einfachen Weſen zuruͤck, woraus das Gehirn beſtehet. Wir moͤgen ſie uns wie Diſpoſitio- nen, Tendenzen oder wirkliche, zuſammengezogene, ge- ſchwaͤchte Bewegungen vorſtellen, oder wie wir wollen, ſo iſt eine Luͤcke in dem Syſtem, wenn man nicht an- nimmt, daß auch unſer Jch dergleichen in ſich habe, wie oben (VII. 8.) iſt erinnert worden. Jſt die Seele eine von dem Gehirn unterſchiedene, fuͤr ſich beſtehende,
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
und alſo die entſprechende intellektuelle Jdee in der Seele,
erneuert wird; eben ſo wenig kann die Seele es wiſſen,
daß ſie eine Vorſtellung reproducirt habe, wenn nicht
außer der intellektuellen Jdee auch die dazu gehoͤrige
Bewegung im Gehirn vorhanden iſt und gefuͤhlet
wird.
Wenn man aus allen dieſen die Jdee herauszieht,
auf welche die verſchiedenſten Beobachtungen als auf
einen Mittelpunkt zuſammenlaufen: ſo deucht mich, —
jedoch ſey dieß ſo geſagt, wie man es ſagt, wenn man
lebhaft fuͤhlet, wie dunkel alles herum iſt, und wie
leicht man mit der Vermuthung irren koͤnne! — man
komme auf eine Hypotheſe, die ob ſie gleich zuſammen-
geſetzet zu ſeyn ſcheinet, doch in der That einfoͤrmig iſt,
und allen Phaͤnomenen auf die leichteſte Art eine Gnuͤge
thut. Von dieſer will ich die Grundzuͤge herſetzen.
Sowol in der Seele ſelbſt, als in dem Gehirn
oder dem innern Organ der Seele, bleiben Spuren
zuruͤck, theils von den Jmpreſſionen, die wir von
außen erhalten, theils auch von den uͤbrigen Modifika-
tionen, die durch innere Urſachen hervorgebracht werden,
und die wir vermittelſt des Selbſtgefuͤhls erkennen.
Da man dergleichen in dem Gehirn, als einem or-
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beſondere Schwierigkeiten, ſich vorzuſtellen, daß ſie
auch in der Seele ſelbſt ſeyn koͤnnen? Sind ſie in dem
Gehirn, ſo fuͤhren ſie doch am Ende auf gewiſſe Mo-
difikationen der einfachen Weſen zuruͤck, woraus das
Gehirn beſtehet. Wir moͤgen ſie uns wie Diſpoſitio-
nen, Tendenzen oder wirkliche, zuſammengezogene, ge-
ſchwaͤchte Bewegungen vorſtellen, oder wie wir wollen,
ſo iſt eine Luͤcke in dem Syſtem, wenn man nicht an-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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