Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

im Menschen.
ruch den Hunger leitet, wird durch die Verbindung meh-
rerer Eindrücke, die zusammen auf seinen Jnstinkt wir-
ken, bestimmter und stärker zu der Nahrung geleitet,
die ihm dienlich ist. Es ist begreiflich, wie der Jn-
stinkt unter der bloßen Leitung des Gefühls sicherer ge-
hen kann bey den Thieren, als der unbestimmtere
Trieb der Menschen, den die Vorstellungen lenken sol-
len. Dahero können auch manche Reihen von Eindrü-
cken und Bewegungen bey den Thieren bloß organisch,
oder nur allein der Thätigkeitsart nach, bestimmt seyn,
die nun, wenn das Gefühl dazu kommt, auch deswe-
gen in Hinsicht der Objekte bestimmt werden, weil sie
es so genau in Hinsicht der Art zu handeln sind. Man
kann dergleichen alsdenn zwar nicht für begierdenar-
tig
aber doch für begierdenähnlich ansehen, weil
durch die bloßen Gefühle bey ihnen eben dasselbige be-
wirket wird, was bey dem Menschen durch leitende Vor-
stellungen ausgerichtet wird.

Aber auch allein bey den Menschen läßt sich nicht
sagen, daß alle natürlichen Reihen von sinnlichen Ein-
drücken und Bewegungen, die auf keinen besondern Ge-
genstand außer uns hingerichtet sind, zu den instinktar-
tigen
Bewegungen zu rechnen sind. Denn wenn z.
B. der Reuter auf dem Pferde sitzet; der Fechter einen
Degen in der Hand hält: so bringet die Fertigkeit in
diesen körperlichen Handlungen gewisse Arten von Be-
wegungen hervor, die, ob sie gleich noch auf kein be-
sonders Objekt bestimmt sind, dennoch von gewissen
Vorstellungen gelenket werden, und sich auf dieselbige
Art äußern, wie die Begierden. Daß der Reuter sei-
ne Füße und Arme so und nicht anders hält, ist eine
Wirkung der Gewohnheit, und erfolget doch mittelst ei-
ner Vorstellung, welche seine Bewegungskraft regieret;
zwar mehr vermittelst einer Vorstellung von der Hand-
lung selbst, die bey ihm mit Fertigkeit erwecket wird,

als
X 4

im Menſchen.
ruch den Hunger leitet, wird durch die Verbindung meh-
rerer Eindruͤcke, die zuſammen auf ſeinen Jnſtinkt wir-
ken, beſtimmter und ſtaͤrker zu der Nahrung geleitet,
die ihm dienlich iſt. Es iſt begreiflich, wie der Jn-
ſtinkt unter der bloßen Leitung des Gefuͤhls ſicherer ge-
hen kann bey den Thieren, als der unbeſtimmtere
Trieb der Menſchen, den die Vorſtellungen lenken ſol-
len. Dahero koͤnnen auch manche Reihen von Eindruͤ-
cken und Bewegungen bey den Thieren bloß organiſch,
oder nur allein der Thaͤtigkeitsart nach, beſtimmt ſeyn,
die nun, wenn das Gefuͤhl dazu kommt, auch deswe-
gen in Hinſicht der Objekte beſtimmt werden, weil ſie
es ſo genau in Hinſicht der Art zu handeln ſind. Man
kann dergleichen alsdenn zwar nicht fuͤr begierdenar-
tig
aber doch fuͤr begierdenaͤhnlich anſehen, weil
durch die bloßen Gefuͤhle bey ihnen eben daſſelbige be-
wirket wird, was bey dem Menſchen durch leitende Vor-
ſtellungen ausgerichtet wird.

Aber auch allein bey den Menſchen laͤßt ſich nicht
ſagen, daß alle natuͤrlichen Reihen von ſinnlichen Ein-
druͤcken und Bewegungen, die auf keinen beſondern Ge-
genſtand außer uns hingerichtet ſind, zu den inſtinktar-
tigen
Bewegungen zu rechnen ſind. Denn wenn z.
B. der Reuter auf dem Pferde ſitzet; der Fechter einen
Degen in der Hand haͤlt: ſo bringet die Fertigkeit in
dieſen koͤrperlichen Handlungen gewiſſe Arten von Be-
wegungen hervor, die, ob ſie gleich noch auf kein be-
ſonders Objekt beſtimmt ſind, dennoch von gewiſſen
Vorſtellungen gelenket werden, und ſich auf dieſelbige
Art aͤußern, wie die Begierden. Daß der Reuter ſei-
ne Fuͤße und Arme ſo und nicht anders haͤlt, iſt eine
Wirkung der Gewohnheit, und erfolget doch mittelſt ei-
ner Vorſtellung, welche ſeine Bewegungskraft regieret;
zwar mehr vermittelſt einer Vorſtellung von der Hand-
lung ſelbſt, die bey ihm mit Fertigkeit erwecket wird,

als
X 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0357" n="327"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">im Men&#x017F;chen.</hi></fw><lb/>
ruch den Hunger leitet, wird durch die Verbindung meh-<lb/>
rerer Eindru&#x0364;cke, die zu&#x017F;ammen auf &#x017F;einen Jn&#x017F;tinkt wir-<lb/>
ken, be&#x017F;timmter und &#x017F;ta&#x0364;rker zu der Nahrung geleitet,<lb/>
die ihm dienlich i&#x017F;t. Es i&#x017F;t begreiflich, wie der Jn-<lb/>
&#x017F;tinkt unter der bloßen Leitung des Gefu&#x0364;hls &#x017F;icherer ge-<lb/>
hen kann bey den Thieren, als der unbe&#x017F;timmtere<lb/>
Trieb der Men&#x017F;chen, den die Vor&#x017F;tellungen lenken &#x017F;ol-<lb/>
len. Dahero ko&#x0364;nnen auch manche Reihen von Eindru&#x0364;-<lb/>
cken und Bewegungen bey den Thieren bloß organi&#x017F;ch,<lb/>
oder nur allein der Tha&#x0364;tigkeitsart nach, be&#x017F;timmt &#x017F;eyn,<lb/>
die nun, wenn das Gefu&#x0364;hl dazu kommt, auch deswe-<lb/>
gen in Hin&#x017F;icht der Objekte be&#x017F;timmt werden, weil &#x017F;ie<lb/>
es &#x017F;o genau in Hin&#x017F;icht der Art zu handeln &#x017F;ind. Man<lb/>
kann dergleichen alsdenn zwar nicht fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">begierdenar-<lb/>
tig</hi> aber doch fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">begierdena&#x0364;hnlich</hi> an&#x017F;ehen, weil<lb/>
durch die bloßen Gefu&#x0364;hle bey ihnen eben da&#x017F;&#x017F;elbige be-<lb/>
wirket wird, was bey dem Men&#x017F;chen durch leitende Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen ausgerichtet wird.</p><lb/>
              <p>Aber auch allein bey den Men&#x017F;chen la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;agen, daß alle natu&#x0364;rlichen Reihen von &#x017F;innlichen Ein-<lb/>
dru&#x0364;cken und Bewegungen, die auf keinen be&#x017F;ondern Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand außer uns hingerichtet &#x017F;ind, zu den <hi rendition="#fr">in&#x017F;tinktar-<lb/>
tigen</hi> Bewegungen zu rechnen &#x017F;ind. Denn wenn z.<lb/>
B. der Reuter auf dem Pferde &#x017F;itzet; der Fechter einen<lb/>
Degen in der Hand ha&#x0364;lt: &#x017F;o bringet die Fertigkeit in<lb/>
die&#x017F;en ko&#x0364;rperlichen Handlungen gewi&#x017F;&#x017F;e Arten von Be-<lb/>
wegungen hervor, die, ob &#x017F;ie gleich noch auf kein be-<lb/>
&#x017F;onders Objekt be&#x017F;timmt &#x017F;ind, dennoch von gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Vor&#x017F;tellungen gelenket werden, und &#x017F;ich auf die&#x017F;elbige<lb/>
Art a&#x0364;ußern, wie die Begierden. Daß der Reuter &#x017F;ei-<lb/>
ne Fu&#x0364;ße und Arme &#x017F;o und nicht anders ha&#x0364;lt, i&#x017F;t eine<lb/>
Wirkung der Gewohnheit, und erfolget doch mittel&#x017F;t ei-<lb/>
ner Vor&#x017F;tellung, welche &#x017F;eine Bewegungskraft regieret;<lb/>
zwar mehr vermittel&#x017F;t einer Vor&#x017F;tellung von der Hand-<lb/>
lung &#x017F;elb&#x017F;t, die bey ihm mit Fertigkeit erwecket wird,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 4</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0357] im Menſchen. ruch den Hunger leitet, wird durch die Verbindung meh- rerer Eindruͤcke, die zuſammen auf ſeinen Jnſtinkt wir- ken, beſtimmter und ſtaͤrker zu der Nahrung geleitet, die ihm dienlich iſt. Es iſt begreiflich, wie der Jn- ſtinkt unter der bloßen Leitung des Gefuͤhls ſicherer ge- hen kann bey den Thieren, als der unbeſtimmtere Trieb der Menſchen, den die Vorſtellungen lenken ſol- len. Dahero koͤnnen auch manche Reihen von Eindruͤ- cken und Bewegungen bey den Thieren bloß organiſch, oder nur allein der Thaͤtigkeitsart nach, beſtimmt ſeyn, die nun, wenn das Gefuͤhl dazu kommt, auch deswe- gen in Hinſicht der Objekte beſtimmt werden, weil ſie es ſo genau in Hinſicht der Art zu handeln ſind. Man kann dergleichen alsdenn zwar nicht fuͤr begierdenar- tig aber doch fuͤr begierdenaͤhnlich anſehen, weil durch die bloßen Gefuͤhle bey ihnen eben daſſelbige be- wirket wird, was bey dem Menſchen durch leitende Vor- ſtellungen ausgerichtet wird. Aber auch allein bey den Menſchen laͤßt ſich nicht ſagen, daß alle natuͤrlichen Reihen von ſinnlichen Ein- druͤcken und Bewegungen, die auf keinen beſondern Ge- genſtand außer uns hingerichtet ſind, zu den inſtinktar- tigen Bewegungen zu rechnen ſind. Denn wenn z. B. der Reuter auf dem Pferde ſitzet; der Fechter einen Degen in der Hand haͤlt: ſo bringet die Fertigkeit in dieſen koͤrperlichen Handlungen gewiſſe Arten von Be- wegungen hervor, die, ob ſie gleich noch auf kein be- ſonders Objekt beſtimmt ſind, dennoch von gewiſſen Vorſtellungen gelenket werden, und ſich auf dieſelbige Art aͤußern, wie die Begierden. Daß der Reuter ſei- ne Fuͤße und Arme ſo und nicht anders haͤlt, iſt eine Wirkung der Gewohnheit, und erfolget doch mittelſt ei- ner Vorſtellung, welche ſeine Bewegungskraft regieret; zwar mehr vermittelſt einer Vorſtellung von der Hand- lung ſelbſt, die bey ihm mit Fertigkeit erwecket wird, als X 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/357
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/357>, abgerufen am 22.11.2024.