ner begleitenden Reihe von Empfindungen, Vorstellun- gen und Wollen in der Seele zusammenhangen. Daß nun 2) die letztere Reihe in der Seele in die herausge- henden Bewegungen einen Einfluß habe, und solche durch ihre Beywirkung verstärken oder schwächen kön- ne, ist zu sehr bekannt, als daß ich die Erfahrungs- beweise darüber anführen dürfte. Die meisten Beob- achtungen von der Macht der Einbildungskraft über den Körper beweisen diesen Einfluß. Vor einigen Jahren benachrichtigten die öffentlichen Blätter von einem Eng- länder, daß ers in seiner Gewalt habe, nach Gefallen wie tod zur Erde zu fallen, den Athem stillstehend zu machen, und andre äußerliche Zeichen eines Verstorbe- nen anzunehmen, und sich nachher von selbst wieder zu erwecken. Wir wollen etwas abrechnen für das Ueber- triebene der Einbildungskraft in allen Sachen, die in das Wunderbare gehen, und es bleibet doch genug übrig, um daraus zusehen, welche Gewalt die Seele über ihre unwillkürlichsten Lebensbewegungen sich ver- schaffen könne.
Ueberdieß bemerket man hiebey, daß die Seele in solchen Fällen, wo sie die natürlichen Bewegungen aus Eigenmacht und Willkür modificiret, diese Wirkung nicht durch einen unbestimmten Trieb hervorbringe, wo- mit sie die Kräfte des Körpers etwan anstrenget oder zurückhält; sondern daß ihr Einfluß alsdenn von einem eigentlichen Wollen abhange. Sie hat alsdenn Vor- stellungen von gewissen Bewegungen in sich, welche den natürlichen Bewegungen des organisirten Körpers ent- gegengesetzt sind, und sie bestrebet sich nach diesen Vor- stellungen zu wirken, das ist, die Vorstellungen, als die ersten innern Anfänge der Aktionen in völlige Aktionen zu entwickeln.
3) Was endlich die dritte Frage betrift: "ob und "wie ferne die begleitende Beywirkung der Seele und
"ihr
im Menſchen.
ner begleitenden Reihe von Empfindungen, Vorſtellun- gen und Wollen in der Seele zuſammenhangen. Daß nun 2) die letztere Reihe in der Seele in die herausge- henden Bewegungen einen Einfluß habe, und ſolche durch ihre Beywirkung verſtaͤrken oder ſchwaͤchen koͤn- ne, iſt zu ſehr bekannt, als daß ich die Erfahrungs- beweiſe daruͤber anfuͤhren duͤrfte. Die meiſten Beob- achtungen von der Macht der Einbildungskraft uͤber den Koͤrper beweiſen dieſen Einfluß. Vor einigen Jahren benachrichtigten die oͤffentlichen Blaͤtter von einem Eng- laͤnder, daß ers in ſeiner Gewalt habe, nach Gefallen wie tod zur Erde zu fallen, den Athem ſtillſtehend zu machen, und andre aͤußerliche Zeichen eines Verſtorbe- nen anzunehmen, und ſich nachher von ſelbſt wieder zu erwecken. Wir wollen etwas abrechnen fuͤr das Ueber- triebene der Einbildungskraft in allen Sachen, die in das Wunderbare gehen, und es bleibet doch genug uͤbrig, um daraus zuſehen, welche Gewalt die Seele uͤber ihre unwillkuͤrlichſten Lebensbewegungen ſich ver- ſchaffen koͤnne.
Ueberdieß bemerket man hiebey, daß die Seele in ſolchen Faͤllen, wo ſie die natuͤrlichen Bewegungen aus Eigenmacht und Willkuͤr modificiret, dieſe Wirkung nicht durch einen unbeſtimmten Trieb hervorbringe, wo- mit ſie die Kraͤfte des Koͤrpers etwan anſtrenget oder zuruͤckhaͤlt; ſondern daß ihr Einfluß alsdenn von einem eigentlichen Wollen abhange. Sie hat alsdenn Vor- ſtellungen von gewiſſen Bewegungen in ſich, welche den natuͤrlichen Bewegungen des organiſirten Koͤrpers ent- gegengeſetzt ſind, und ſie beſtrebet ſich nach dieſen Vor- ſtellungen zu wirken, das iſt, die Vorſtellungen, als die erſten innern Anfaͤnge der Aktionen in voͤllige Aktionen zu entwickeln.
3) Was endlich die dritte Frage betrift: „ob und „wie ferne die begleitende Beywirkung der Seele und
„ihr
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im Menſchen.
ner begleitenden Reihe von Empfindungen, Vorſtellun-
gen und Wollen in der Seele zuſammenhangen. Daß
nun 2) die letztere Reihe in der Seele in die herausge-
henden Bewegungen einen Einfluß habe, und ſolche
durch ihre Beywirkung verſtaͤrken oder ſchwaͤchen koͤn-
ne, iſt zu ſehr bekannt, als daß ich die Erfahrungs-
beweiſe daruͤber anfuͤhren duͤrfte. Die meiſten Beob-
achtungen von der Macht der Einbildungskraft uͤber den
Koͤrper beweiſen dieſen Einfluß. Vor einigen Jahren
benachrichtigten die oͤffentlichen Blaͤtter von einem Eng-
laͤnder, daß ers in ſeiner Gewalt habe, nach Gefallen
wie tod zur Erde zu fallen, den Athem ſtillſtehend zu
machen, und andre aͤußerliche Zeichen eines Verſtorbe-
nen anzunehmen, und ſich nachher von ſelbſt wieder zu
erwecken. Wir wollen etwas abrechnen fuͤr das Ueber-
triebene der Einbildungskraft in allen Sachen, die in
das Wunderbare gehen, und es bleibet doch genug
uͤbrig, um daraus zuſehen, welche Gewalt die Seele
uͤber ihre unwillkuͤrlichſten Lebensbewegungen ſich ver-
ſchaffen koͤnne.
Ueberdieß bemerket man hiebey, daß die Seele in
ſolchen Faͤllen, wo ſie die natuͤrlichen Bewegungen
aus Eigenmacht und Willkuͤr modificiret, dieſe Wirkung
nicht durch einen unbeſtimmten Trieb hervorbringe, wo-
mit ſie die Kraͤfte des Koͤrpers etwan anſtrenget oder
zuruͤckhaͤlt; ſondern daß ihr Einfluß alsdenn von einem
eigentlichen Wollen abhange. Sie hat alsdenn Vor-
ſtellungen von gewiſſen Bewegungen in ſich, welche den
natuͤrlichen Bewegungen des organiſirten Koͤrpers ent-
gegengeſetzt ſind, und ſie beſtrebet ſich nach dieſen Vor-
ſtellungen zu wirken, das iſt, die Vorſtellungen, als die
erſten innern Anfaͤnge der Aktionen in voͤllige Aktionen
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„wie ferne die begleitende Beywirkung der Seele und
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/363>, abgerufen am 22.11.2024.
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