sie zuweilen von dem Körper ohne Seele verrichtet wer- den; und auch umgekehrt, daß die Seelenkraft sie in ihrer Ordnung hervorbringen könne, wenn gleich die gewöhnliche vorhergehende und bestimmende Ursache im Körper nicht vorhanden ist. Hier haben wir den Grund- strich in der Jdee von der thierischen Natur des Men- schen; von der Seite sie angesehen, wo sie uns auf ei- nen analogischen Grund führet, uns von dem Seelen- wesen eine ähnliche Vorstellung zu machen.
13.
Es läßt sich nun auch wohl begreifen, daß eine Beywirkung der Seele zu den thierischen Bewegun- gen, welche in dem Menschen die kleinste ist, eben so groß seyn könne, als sie bey andern Thieren ist, wenn sie die größte ist. Vielleicht ist der Einfluß der Seele zu unsern bloß organischen Bewegungen noch eben so groß, als der Einfluß der Seele bey der Auster bey solchen Bewegungen ist, die sie am meisten in ihrer Ge- walt hat, oder die am meisten von ihrer Seelenkraft abhangen. Vorzügliche Eigenmacht und Selbstthätig- keit in der Seele, und eine vorzügliche relative Größe ihres Einflusses in die ganze thierische Natur ist Eine von den Eigenheiten des Menschen. Wir finden die- sen schon nicht so groß, auch bey den vollkommensten Thieren, die dem Menschen am nächsten zu stehen schei- nen. Von welchem Grade mag nun wohl diese relative Wichtigkeit der Seelenkraft (das dominium monadis dominantis) in den Jnsekten und Gewürmen, und endlich in den Polypen, in den Stein- und Pflanzen- thieren seyn? Jn den Pflanzen findet sich nach der Jdee, die wir von ihnen haben, nichts als bloße kör- perliche Organisation. Denn wir finden ihre we- sentliche Kraft, als das Princip ihres Wachsens und Lebens, nicht so in Einem Theile vereiniget, als bey den
Thie-
im Menſchen.
ſie zuweilen von dem Koͤrper ohne Seele verrichtet wer- den; und auch umgekehrt, daß die Seelenkraft ſie in ihrer Ordnung hervorbringen koͤnne, wenn gleich die gewoͤhnliche vorhergehende und beſtimmende Urſache im Koͤrper nicht vorhanden iſt. Hier haben wir den Grund- ſtrich in der Jdee von der thieriſchen Natur des Men- ſchen; von der Seite ſie angeſehen, wo ſie uns auf ei- nen analogiſchen Grund fuͤhret, uns von dem Seelen- weſen eine aͤhnliche Vorſtellung zu machen.
13.
Es laͤßt ſich nun auch wohl begreifen, daß eine Beywirkung der Seele zu den thieriſchen Bewegun- gen, welche in dem Menſchen die kleinſte iſt, eben ſo groß ſeyn koͤnne, als ſie bey andern Thieren iſt, wenn ſie die groͤßte iſt. Vielleicht iſt der Einfluß der Seele zu unſern bloß organiſchen Bewegungen noch eben ſo groß, als der Einfluß der Seele bey der Auſter bey ſolchen Bewegungen iſt, die ſie am meiſten in ihrer Ge- walt hat, oder die am meiſten von ihrer Seelenkraft abhangen. Vorzuͤgliche Eigenmacht und Selbſtthaͤtig- keit in der Seele, und eine vorzuͤgliche relative Groͤße ihres Einfluſſes in die ganze thieriſche Natur iſt Eine von den Eigenheiten des Menſchen. Wir finden die- ſen ſchon nicht ſo groß, auch bey den vollkommenſten Thieren, die dem Menſchen am naͤchſten zu ſtehen ſchei- nen. Von welchem Grade mag nun wohl dieſe relative Wichtigkeit der Seelenkraft (das dominium monadis dominantis) in den Jnſekten und Gewuͤrmen, und endlich in den Polypen, in den Stein- und Pflanzen- thieren ſeyn? Jn den Pflanzen findet ſich nach der Jdee, die wir von ihnen haben, nichts als bloße koͤr- perliche Organiſation. Denn wir finden ihre we- ſentliche Kraft, als das Princip ihres Wachſens und Lebens, nicht ſo in Einem Theile vereiniget, als bey den
Thie-
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im Menſchen.
ſie zuweilen von dem Koͤrper ohne Seele verrichtet wer-
den; und auch umgekehrt, daß die Seelenkraft ſie in
ihrer Ordnung hervorbringen koͤnne, wenn gleich die
gewoͤhnliche vorhergehende und beſtimmende Urſache im
Koͤrper nicht vorhanden iſt. Hier haben wir den Grund-
ſtrich in der Jdee von der thieriſchen Natur des Men-
ſchen; von der Seite ſie angeſehen, wo ſie uns auf ei-
nen analogiſchen Grund fuͤhret, uns von dem Seelen-
weſen eine aͤhnliche Vorſtellung zu machen.
13.
Es laͤßt ſich nun auch wohl begreifen, daß eine
Beywirkung der Seele zu den thieriſchen Bewegun-
gen, welche in dem Menſchen die kleinſte iſt, eben ſo
groß ſeyn koͤnne, als ſie bey andern Thieren iſt, wenn
ſie die groͤßte iſt. Vielleicht iſt der Einfluß der Seele
zu unſern bloß organiſchen Bewegungen noch eben ſo
groß, als der Einfluß der Seele bey der Auſter bey
ſolchen Bewegungen iſt, die ſie am meiſten in ihrer Ge-
walt hat, oder die am meiſten von ihrer Seelenkraft
abhangen. Vorzuͤgliche Eigenmacht und Selbſtthaͤtig-
keit in der Seele, und eine vorzuͤgliche relative Groͤße
ihres Einfluſſes in die ganze thieriſche Natur iſt Eine
von den Eigenheiten des Menſchen. Wir finden die-
ſen ſchon nicht ſo groß, auch bey den vollkommenſten
Thieren, die dem Menſchen am naͤchſten zu ſtehen ſchei-
nen. Von welchem Grade mag nun wohl dieſe relative
Wichtigkeit der Seelenkraft (das dominium monadis
dominantis) in den Jnſekten und Gewuͤrmen, und
endlich in den Polypen, in den Stein- und Pflanzen-
thieren ſeyn? Jn den Pflanzen findet ſich nach der
Jdee, die wir von ihnen haben, nichts als bloße koͤr-
perliche Organiſation. Denn wir finden ihre we-
ſentliche Kraft, als das Princip ihres Wachſens und
Lebens, nicht ſo in Einem Theile vereiniget, als bey den
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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