Allein, was ferner nicht zwar die Wahrscheinlichkeit des analogischen Schlusses, aber doch des Schlußsatzes selbst, bestätiget, ist die oben schon angeführte durchgän- gige Uebereinstimmung der Erfahrungen. Jede der übrigen Hypothesen stieß auf irgend einer Seite bey den Beobachtungen an; diese nirgends bey keiner.
2.
Hat das bisherige Raisonnement einigen Werth, den es, wie ich meine, doch wirklich hat, zumal so lan- ge wir noch keine Hypothese haben, die besser bestätiget ist: so siehet man von selbst, wie wenig die Meinung einiger Philosophen wahrscheinlich sey, nach der sie eine Thierseele, in den Körper eines andern versetzet, die Seele des Menschen in den Körper des Hundes, oder die Hundsseele in das Gehirn des Menschen, in ihrer neuen Wohnung so fort eben so handeln lassen, wie sie in ihrer vorigen Werkstatt gehandelt hat. Sie soll nicht einmal ihre Veränderung im geringsten gewahr- nehmen. Die Bonnetische Vorstellung führet zu ei- nem solchen Schlußsatze. Aber nach der letztern Hypo- these müßte die Seele ihre vorher erlangten Geschicklich- keiten und Ungeschicklichkeiten in ihre neue Wohnung mitnehmen. Man gebe dem Hunde einen Pinsel zwi- schen seine Pfoten, und setze ihn vor das Palet hin; wird er ein Gemälde machen? Eben so unvermögend ist seine Seele auch in dem menschlichen Gehirn zu den Verrichtungen, wozu Pinsel und Palet vom Maler ge- braucht werden.
Doch genug von einer Materie, die noch grösten- theils im Dunkeln liegen bleibet, wenn ich auch glauben dürfte, es sey das Licht, worinnen sie hier an Einer ih- rer Seiten erscheinet, keine falsche Blendung der Phan- tasie. Es ist unnöthig, diese Untersuchungen denen
zur
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
Allein, was ferner nicht zwar die Wahrſcheinlichkeit des analogiſchen Schluſſes, aber doch des Schlußſatzes ſelbſt, beſtaͤtiget, iſt die oben ſchon angefuͤhrte durchgaͤn- gige Uebereinſtimmung der Erfahrungen. Jede der uͤbrigen Hypotheſen ſtieß auf irgend einer Seite bey den Beobachtungen an; dieſe nirgends bey keiner.
2.
Hat das bisherige Raiſonnement einigen Werth, den es, wie ich meine, doch wirklich hat, zumal ſo lan- ge wir noch keine Hypotheſe haben, die beſſer beſtaͤtiget iſt: ſo ſiehet man von ſelbſt, wie wenig die Meinung einiger Philoſophen wahrſcheinlich ſey, nach der ſie eine Thierſeele, in den Koͤrper eines andern verſetzet, die Seele des Menſchen in den Koͤrper des Hundes, oder die Hundsſeele in das Gehirn des Menſchen, in ihrer neuen Wohnung ſo fort eben ſo handeln laſſen, wie ſie in ihrer vorigen Werkſtatt gehandelt hat. Sie ſoll nicht einmal ihre Veraͤnderung im geringſten gewahr- nehmen. Die Bonnetiſche Vorſtellung fuͤhret zu ei- nem ſolchen Schlußſatze. Aber nach der letztern Hypo- theſe muͤßte die Seele ihre vorher erlangten Geſchicklich- keiten und Ungeſchicklichkeiten in ihre neue Wohnung mitnehmen. Man gebe dem Hunde einen Pinſel zwi- ſchen ſeine Pfoten, und ſetze ihn vor das Palet hin; wird er ein Gemaͤlde machen? Eben ſo unvermoͤgend iſt ſeine Seele auch in dem menſchlichen Gehirn zu den Verrichtungen, wozu Pinſel und Palet vom Maler ge- braucht werden.
Doch genug von einer Materie, die noch groͤſten- theils im Dunkeln liegen bleibet, wenn ich auch glauben duͤrfte, es ſey das Licht, worinnen ſie hier an Einer ih- rer Seiten erſcheinet, keine falſche Blendung der Phan- taſie. Es iſt unnoͤthig, dieſe Unterſuchungen denen
zur
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
Allein, was ferner nicht zwar die Wahrſcheinlichkeit
des analogiſchen Schluſſes, aber doch des Schlußſatzes
ſelbſt, beſtaͤtiget, iſt die oben ſchon angefuͤhrte durchgaͤn-
gige Uebereinſtimmung der Erfahrungen. Jede der
uͤbrigen Hypotheſen ſtieß auf irgend einer Seite bey den
Beobachtungen an; dieſe nirgends bey keiner.
2.
Hat das bisherige Raiſonnement einigen Werth,
den es, wie ich meine, doch wirklich hat, zumal ſo lan-
ge wir noch keine Hypotheſe haben, die beſſer beſtaͤtiget
iſt: ſo ſiehet man von ſelbſt, wie wenig die Meinung
einiger Philoſophen wahrſcheinlich ſey, nach der ſie eine
Thierſeele, in den Koͤrper eines andern verſetzet, die
Seele des Menſchen in den Koͤrper des Hundes, oder
die Hundsſeele in das Gehirn des Menſchen, in ihrer
neuen Wohnung ſo fort eben ſo handeln laſſen, wie ſie
in ihrer vorigen Werkſtatt gehandelt hat. Sie ſoll
nicht einmal ihre Veraͤnderung im geringſten gewahr-
nehmen. Die Bonnetiſche Vorſtellung fuͤhret zu ei-
nem ſolchen Schlußſatze. Aber nach der letztern Hypo-
theſe muͤßte die Seele ihre vorher erlangten Geſchicklich-
keiten und Ungeſchicklichkeiten in ihre neue Wohnung
mitnehmen. Man gebe dem Hunde einen Pinſel zwi-
ſchen ſeine Pfoten, und ſetze ihn vor das Palet hin;
wird er ein Gemaͤlde machen? Eben ſo unvermoͤgend
iſt ſeine Seele auch in dem menſchlichen Gehirn zu den
Verrichtungen, wozu Pinſel und Palet vom Maler ge-
braucht werden.
Doch genug von einer Materie, die noch groͤſten-
theils im Dunkeln liegen bleibet, wenn ich auch glauben
duͤrfte, es ſey das Licht, worinnen ſie hier an Einer ih-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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