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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
"tur jedesmal Unähnlichkeiten in Graden und Stufen
"bey sich haben:" so könnte man freylich zweifeln, ob
es erlaubt sey, das Verhältniß des Seelenwesens zu
dem Körper in der thierischen Natur in gleicher Maße,
auf die Beziehung des Jchs zu seinem materiellen Or-
gan in dem Seelenwesen, zu übertragen? Allein die-
ser Zweifel wird größtentheils durch folgende Betrach-
tungen gehoben.

Laß nur zunächst allein von der Analogie selbst die
Rede seyn, so würde doch folgen:

1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhältniß nicht
von gleicher Größe in der Seelennatur wie in der thie-
rischen ist, der Einfluß des Jchs in sein Organ in je-
ner, eben so wohl noch größer und stärker seyn kann,
als der Einfluß des gesamten Seelenwesens in die Orga-
nisation bey den thierischen Handlungen ist, als solcher
geringer und schwächer seyn kann, das ist: das
wahre System der Natur, welches zwischen der gemei-
nen und der Bonnetischen Hypothese fället, kann
eben so wohl jener näher liegen als dieser.

2) So würde doch bey dem Unterschiede in den
Stufen das Verhältniß selbst nach seinen Beschaffen-
heiten das nämliche seyn, wie die Analogie es mit sich
bringet; so würden also doch Spuren von den Em-
pfindungen in der unkörperlichen Seele zurückbleiben,
und von ihrer Kraft reproducirt werden können, wie in
dem Seelenwesen Jdeen von den thierischen Handlungen
sind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort,
Vorstellungen und Phantasie würden, es sey in wel-
chem Grade es wolle, ihren Sitz in unserm Jch selbst
haben.

Allein

im Menſchen.
„tur jedesmal Unaͤhnlichkeiten in Graden und Stufen
„bey ſich haben:“ ſo koͤnnte man freylich zweifeln, ob
es erlaubt ſey, das Verhaͤltniß des Seelenweſens zu
dem Koͤrper in der thieriſchen Natur in gleicher Maße,
auf die Beziehung des Jchs zu ſeinem materiellen Or-
gan in dem Seelenweſen, zu uͤbertragen? Allein die-
ſer Zweifel wird groͤßtentheils durch folgende Betrach-
tungen gehoben.

Laß nur zunaͤchſt allein von der Analogie ſelbſt die
Rede ſeyn, ſo wuͤrde doch folgen:

1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhaͤltniß nicht
von gleicher Groͤße in der Seelennatur wie in der thie-
riſchen iſt, der Einfluß des Jchs in ſein Organ in je-
ner, eben ſo wohl noch groͤßer und ſtaͤrker ſeyn kann,
als der Einfluß des geſamten Seelenweſens in die Orga-
niſation bey den thieriſchen Handlungen iſt, als ſolcher
geringer und ſchwaͤcher ſeyn kann, das iſt: das
wahre Syſtem der Natur, welches zwiſchen der gemei-
nen und der Bonnetiſchen Hypotheſe faͤllet, kann
eben ſo wohl jener naͤher liegen als dieſer.

2) So wuͤrde doch bey dem Unterſchiede in den
Stufen das Verhaͤltniß ſelbſt nach ſeinen Beſchaffen-
heiten das naͤmliche ſeyn, wie die Analogie es mit ſich
bringet; ſo wuͤrden alſo doch Spuren von den Em-
pfindungen in der unkoͤrperlichen Seele zuruͤckbleiben,
und von ihrer Kraft reproducirt werden koͤnnen, wie in
dem Seelenweſen Jdeen von den thieriſchen Handlungen
ſind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort,
Vorſtellungen und Phantaſie wuͤrden, es ſey in wel-
chem Grade es wolle, ihren Sitz in unſerm Jch ſelbſt
haben.

Allein
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[365/0395] im Menſchen. „tur jedesmal Unaͤhnlichkeiten in Graden und Stufen „bey ſich haben:“ ſo koͤnnte man freylich zweifeln, ob es erlaubt ſey, das Verhaͤltniß des Seelenweſens zu dem Koͤrper in der thieriſchen Natur in gleicher Maße, auf die Beziehung des Jchs zu ſeinem materiellen Or- gan in dem Seelenweſen, zu uͤbertragen? Allein die- ſer Zweifel wird groͤßtentheils durch folgende Betrach- tungen gehoben. Laß nur zunaͤchſt allein von der Analogie ſelbſt die Rede ſeyn, ſo wuͤrde doch folgen: 1) Daß, wenn nun das angezeigte Verhaͤltniß nicht von gleicher Groͤße in der Seelennatur wie in der thie- riſchen iſt, der Einfluß des Jchs in ſein Organ in je- ner, eben ſo wohl noch groͤßer und ſtaͤrker ſeyn kann, als der Einfluß des geſamten Seelenweſens in die Orga- niſation bey den thieriſchen Handlungen iſt, als ſolcher geringer und ſchwaͤcher ſeyn kann, das iſt: das wahre Syſtem der Natur, welches zwiſchen der gemei- nen und der Bonnetiſchen Hypotheſe faͤllet, kann eben ſo wohl jener naͤher liegen als dieſer. 2) So wuͤrde doch bey dem Unterſchiede in den Stufen das Verhaͤltniß ſelbſt nach ſeinen Beſchaffen- heiten das naͤmliche ſeyn, wie die Analogie es mit ſich bringet; ſo wuͤrden alſo doch Spuren von den Em- pfindungen in der unkoͤrperlichen Seele zuruͤckbleiben, und von ihrer Kraft reproducirt werden koͤnnen, wie in dem Seelenweſen Jdeen von den thieriſchen Handlungen ſind und wieder erwecket werden. Mit einem Wort, Vorſtellungen und Phantaſie wuͤrden, es ſey in wel- chem Grade es wolle, ihren Sitz in unſerm Jch ſelbſt haben. Allein

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/395>, abgerufen am 22.11.2024.