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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
3.

Doch ist es dieß nicht allein. Es entstehet mit ei-
ner Fertigkeit des Sinnes zugleich auch eine Leichtigkeit,
auf die ähnliche Art modificirt zu werden; und diese
macht eine Erweiterung und Verfeinerung der Empfäng-
lichkeit in der Seele aus. Es entstehet nämlich eine
Leichtigkeit, Eindrücke solcher Art schneller anzunehmen
und diejenige Reaktion gegen sie zu äußern, die einige
für das Fühlen und Empfinden halten. Die Seele
lernt, so zu sagen, sich gegen solche sie modificirende
Objekte zu öffnen, sich in solcher Lage ihnen bloß zu stel-
len, daß sie die Eindrücke auf die beste Weise empfängt;
und wenn man dieß letztere etwan ihrer thätigen Kraft
zuschreiben wollte, so wird sie doch auch selbst als ein lei-
dendes Wesen von dieser Seite empfindlicher. Die
Art, wie sie an Empfänglichkeit und an Empfind-
lichkeit zunimmt, ist überhaupt dieselbige, wie al-
les, was in ihr Anlage ist, hervorgeht und erhö-
het wird. Jedwede Empfindung hinterläßt eine
Spur von sich, auch soferne sie eine Empfindung
oder gefühlte Modifikation in der Seele ist, nicht bloß
insofern sie insbesondere eine Jmpression von diesem
oder jenem Gegenstande ist, worauf sie sich beziehet.
Denn was auch immer in der Seele von einem äußern
Eindrucke entstehen mag, und was auch das Anneh-
men dieses Eindrucks sey: so wird sie doch modificirt,
und diese Modifikation hat ihre bleibende Spur in ihrem
Zustande und in ihren Kräften, die nur, insoferne sie
sich auf die erste Modifikation und deren äußere Ursa-
che bildlich beziehet, die Vorstellung von dem Objekt ist,
eigentlich aber eine Vorstellung von dem ursprünglichen
Gefühl selbst ausmacht, und die Anlage modificirt zu
werden vergrößert, oder zu einer Leichtigkeit macht.
Dieß ist die Erhöhung des Gefühlsvermögens.

Jn
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
3.

Doch iſt es dieß nicht allein. Es entſtehet mit ei-
ner Fertigkeit des Sinnes zugleich auch eine Leichtigkeit,
auf die aͤhnliche Art modificirt zu werden; und dieſe
macht eine Erweiterung und Verfeinerung der Empfaͤng-
lichkeit in der Seele aus. Es entſtehet naͤmlich eine
Leichtigkeit, Eindruͤcke ſolcher Art ſchneller anzunehmen
und diejenige Reaktion gegen ſie zu aͤußern, die einige
fuͤr das Fuͤhlen und Empfinden halten. Die Seele
lernt, ſo zu ſagen, ſich gegen ſolche ſie modificirende
Objekte zu oͤffnen, ſich in ſolcher Lage ihnen bloß zu ſtel-
len, daß ſie die Eindruͤcke auf die beſte Weiſe empfaͤngt;
und wenn man dieß letztere etwan ihrer thaͤtigen Kraft
zuſchreiben wollte, ſo wird ſie doch auch ſelbſt als ein lei-
dendes Weſen von dieſer Seite empfindlicher. Die
Art, wie ſie an Empfaͤnglichkeit und an Empfind-
lichkeit zunimmt, iſt uͤberhaupt dieſelbige, wie al-
les, was in ihr Anlage iſt, hervorgeht und erhoͤ-
het wird. Jedwede Empfindung hinterlaͤßt eine
Spur von ſich, auch ſoferne ſie eine Empfindung
oder gefuͤhlte Modifikation in der Seele iſt, nicht bloß
inſofern ſie insbeſondere eine Jmpreſſion von dieſem
oder jenem Gegenſtande iſt, worauf ſie ſich beziehet.
Denn was auch immer in der Seele von einem aͤußern
Eindrucke entſtehen mag, und was auch das Anneh-
men dieſes Eindrucks ſey: ſo wird ſie doch modificirt,
und dieſe Modifikation hat ihre bleibende Spur in ihrem
Zuſtande und in ihren Kraͤften, die nur, inſoferne ſie
ſich auf die erſte Modifikation und deren aͤußere Urſa-
che bildlich beziehet, die Vorſtellung von dem Objekt iſt,
eigentlich aber eine Vorſtellung von dem urſpruͤnglichen
Gefuͤhl ſelbſt ausmacht, und die Anlage modificirt zu
werden vergroͤßert, oder zu einer Leichtigkeit macht.
Dieß iſt die Erhoͤhung des Gefuͤhlsvermoͤgens.

Jn
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[416/0446] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt 3. Doch iſt es dieß nicht allein. Es entſtehet mit ei- ner Fertigkeit des Sinnes zugleich auch eine Leichtigkeit, auf die aͤhnliche Art modificirt zu werden; und dieſe macht eine Erweiterung und Verfeinerung der Empfaͤng- lichkeit in der Seele aus. Es entſtehet naͤmlich eine Leichtigkeit, Eindruͤcke ſolcher Art ſchneller anzunehmen und diejenige Reaktion gegen ſie zu aͤußern, die einige fuͤr das Fuͤhlen und Empfinden halten. Die Seele lernt, ſo zu ſagen, ſich gegen ſolche ſie modificirende Objekte zu oͤffnen, ſich in ſolcher Lage ihnen bloß zu ſtel- len, daß ſie die Eindruͤcke auf die beſte Weiſe empfaͤngt; und wenn man dieß letztere etwan ihrer thaͤtigen Kraft zuſchreiben wollte, ſo wird ſie doch auch ſelbſt als ein lei- dendes Weſen von dieſer Seite empfindlicher. Die Art, wie ſie an Empfaͤnglichkeit und an Empfind- lichkeit zunimmt, iſt uͤberhaupt dieſelbige, wie al- les, was in ihr Anlage iſt, hervorgeht und erhoͤ- het wird. Jedwede Empfindung hinterlaͤßt eine Spur von ſich, auch ſoferne ſie eine Empfindung oder gefuͤhlte Modifikation in der Seele iſt, nicht bloß inſofern ſie insbeſondere eine Jmpreſſion von dieſem oder jenem Gegenſtande iſt, worauf ſie ſich beziehet. Denn was auch immer in der Seele von einem aͤußern Eindrucke entſtehen mag, und was auch das Anneh- men dieſes Eindrucks ſey: ſo wird ſie doch modificirt, und dieſe Modifikation hat ihre bleibende Spur in ihrem Zuſtande und in ihren Kraͤften, die nur, inſoferne ſie ſich auf die erſte Modifikation und deren aͤußere Urſa- che bildlich beziehet, die Vorſtellung von dem Objekt iſt, eigentlich aber eine Vorſtellung von dem urſpruͤnglichen Gefuͤhl ſelbſt ausmacht, und die Anlage modificirt zu werden vergroͤßert, oder zu einer Leichtigkeit macht. Dieß iſt die Erhoͤhung des Gefuͤhlsvermoͤgens. Jn

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/446>, abgerufen am 22.11.2024.