Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
hen, auch nur durch eine Vermehrung der ur-
sprünglichen,
so kann man natürlich fragen, wie viele
von den Formen in dem entwickelten Körper sind, die
zu diesen erzeugten gerechnet werden müssen? Wie
viele sind ursprünglich verschiedene Formen? wie viele
nur, die einer vorhergehenden ähnlich, die nur eine Ver-
mehrung derselbigen Form sind? Nicht jede von die-
sen ist für sich ursprünglich in dem Keim, sondern die
ganze Menge desselben zusammen hat nur Eine, die
in dem Keim existiren darf. Sind nicht alle Blätter
eines Baums, alle Zweige, alle Blühten, alle Früch-
te und Keime, die zugleich hervorwachsen und die auf
einander folgen, ähnliche Formen, welche in dem Keim
nicht mehr als Eine Anlage zu Einem Zweig, Eine
zu Einem Blatt, Eine zu Einer Blühte, und so wei-
ter vorhererfodern? Und dann ferner, wenn die For-
men in den Zweigen mit denen in den Blättern, und
diese letztern mit denen in den Blühten, und diese wie-
derum mit denen in der Furcht verglichen werden, und
alle ähnliche Formen nur als Erzeugungen aus Einer
ursprünglichen wesentlichen Form betrachtet werden:
wie viele Formen bleiben übrig, die man in dem Keim
als ursprüngliche und verschieden annehmen muß?
Nicht Eine mehr, als in dem neuen erzeugten Keime eben
so enthalten sind, wie sie in dem erstern waren. Der
Begriff von den wesentlichen Theilen einer Pflanze
oder eines Thiers wird derselbige seyn mit dem Be-
griffe von diesen ursprünglichen Formen, oder Grund-
formen.

4.

Es kann die Masse eines organisirten Körpers ver-
größert werden, ohne Vermehrung der Formen; aber
jene ziehet unter gewisser Bedingung doch diese als eine
nothwendige Folge nach sich. Jch will es hier nur erin-

nern,

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
hen, auch nur durch eine Vermehrung der ur-
ſpruͤnglichen,
ſo kann man natuͤrlich fragen, wie viele
von den Formen in dem entwickelten Koͤrper ſind, die
zu dieſen erzeugten gerechnet werden muͤſſen? Wie
viele ſind urſpruͤnglich verſchiedene Formen? wie viele
nur, die einer vorhergehenden aͤhnlich, die nur eine Ver-
mehrung derſelbigen Form ſind? Nicht jede von die-
ſen iſt fuͤr ſich urſpruͤnglich in dem Keim, ſondern die
ganze Menge deſſelben zuſammen hat nur Eine, die
in dem Keim exiſtiren darf. Sind nicht alle Blaͤtter
eines Baums, alle Zweige, alle Bluͤhten, alle Fruͤch-
te und Keime, die zugleich hervorwachſen und die auf
einander folgen, aͤhnliche Formen, welche in dem Keim
nicht mehr als Eine Anlage zu Einem Zweig, Eine
zu Einem Blatt, Eine zu Einer Bluͤhte, und ſo wei-
ter vorhererfodern? Und dann ferner, wenn die For-
men in den Zweigen mit denen in den Blaͤttern, und
dieſe letztern mit denen in den Bluͤhten, und dieſe wie-
derum mit denen in der Furcht verglichen werden, und
alle aͤhnliche Formen nur als Erzeugungen aus Einer
urſpruͤnglichen weſentlichen Form betrachtet werden:
wie viele Formen bleiben uͤbrig, die man in dem Keim
als urſpruͤngliche und verſchieden annehmen muß?
Nicht Eine mehr, als in dem neuen erzeugten Keime eben
ſo enthalten ſind, wie ſie in dem erſtern waren. Der
Begriff von den weſentlichen Theilen einer Pflanze
oder eines Thiers wird derſelbige ſeyn mit dem Be-
griffe von dieſen urſpruͤnglichen Formen, oder Grund-
formen.

4.

Es kann die Maſſe eines organiſirten Koͤrpers ver-
groͤßert werden, ohne Vermehrung der Formen; aber
jene ziehet unter gewiſſer Bedingung doch dieſe als eine
nothwendige Folge nach ſich. Jch will es hier nur erin-

nern,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0520" n="490"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Ver&#x017F;. Ueber die Perfektibilita&#x0364;t</hi></fw><lb/>
hen, auch nur durch eine <hi rendition="#fr">Vermehrung der ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglichen,</hi> &#x017F;o kann man natu&#x0364;rlich fragen, wie viele<lb/>
von den Formen in dem entwickelten Ko&#x0364;rper &#x017F;ind, die<lb/>
zu die&#x017F;en <hi rendition="#fr">erzeugten</hi> gerechnet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Wie<lb/>
viele &#x017F;ind ur&#x017F;pru&#x0364;nglich ver&#x017F;chiedene Formen? wie viele<lb/>
nur, die einer vorhergehenden a&#x0364;hnlich, die nur eine Ver-<lb/>
mehrung der&#x017F;elbigen Form &#x017F;ind? Nicht jede von die-<lb/>
&#x017F;en i&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;ich ur&#x017F;pru&#x0364;nglich in dem Keim, &#x017F;ondern die<lb/>
ganze Menge de&#x017F;&#x017F;elben zu&#x017F;ammen hat nur <hi rendition="#fr">Eine,</hi> die<lb/>
in dem Keim exi&#x017F;tiren darf. Sind nicht alle Bla&#x0364;tter<lb/>
eines Baums, alle Zweige, alle Blu&#x0364;hten, alle Fru&#x0364;ch-<lb/>
te und Keime, die zugleich hervorwach&#x017F;en und die auf<lb/>
einander folgen, a&#x0364;hnliche Formen, welche in dem Keim<lb/>
nicht mehr als Eine Anlage zu Einem Zweig, Eine<lb/>
zu Einem Blatt, Eine zu Einer Blu&#x0364;hte, und &#x017F;o wei-<lb/>
ter vorhererfodern? Und dann ferner, wenn die For-<lb/>
men in den Zweigen mit denen in den Bla&#x0364;ttern, und<lb/>
die&#x017F;e letztern mit denen in den Blu&#x0364;hten, und die&#x017F;e wie-<lb/>
derum mit denen in der Furcht verglichen werden, und<lb/>
alle a&#x0364;hnliche Formen nur als Erzeugungen aus Einer<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen we&#x017F;entlichen Form betrachtet werden:<lb/>
wie viele Formen bleiben u&#x0364;brig, die man in dem Keim<lb/>
als ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche und ver&#x017F;chieden annehmen muß?<lb/>
Nicht Eine mehr, als in dem neuen erzeugten Keime eben<lb/>
&#x017F;o enthalten &#x017F;ind, wie &#x017F;ie in dem er&#x017F;tern waren. Der<lb/>
Begriff von den <hi rendition="#fr">we&#x017F;entlichen Theilen</hi> einer Pflanze<lb/>
oder eines Thiers wird der&#x017F;elbige &#x017F;eyn mit dem Be-<lb/>
griffe von die&#x017F;en ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Formen, oder <hi rendition="#fr">Grund-<lb/>
formen.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>4.</head><lb/>
              <p>Es kann die Ma&#x017F;&#x017F;e eines organi&#x017F;irten Ko&#x0364;rpers ver-<lb/>
gro&#x0364;ßert werden, ohne Vermehrung der Formen; aber<lb/>
jene ziehet unter gewi&#x017F;&#x017F;er Bedingung doch die&#x017F;e als eine<lb/>
nothwendige Folge nach &#x017F;ich. Jch will es hier nur erin-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nern,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0520] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt hen, auch nur durch eine Vermehrung der ur- ſpruͤnglichen, ſo kann man natuͤrlich fragen, wie viele von den Formen in dem entwickelten Koͤrper ſind, die zu dieſen erzeugten gerechnet werden muͤſſen? Wie viele ſind urſpruͤnglich verſchiedene Formen? wie viele nur, die einer vorhergehenden aͤhnlich, die nur eine Ver- mehrung derſelbigen Form ſind? Nicht jede von die- ſen iſt fuͤr ſich urſpruͤnglich in dem Keim, ſondern die ganze Menge deſſelben zuſammen hat nur Eine, die in dem Keim exiſtiren darf. Sind nicht alle Blaͤtter eines Baums, alle Zweige, alle Bluͤhten, alle Fruͤch- te und Keime, die zugleich hervorwachſen und die auf einander folgen, aͤhnliche Formen, welche in dem Keim nicht mehr als Eine Anlage zu Einem Zweig, Eine zu Einem Blatt, Eine zu Einer Bluͤhte, und ſo wei- ter vorhererfodern? Und dann ferner, wenn die For- men in den Zweigen mit denen in den Blaͤttern, und dieſe letztern mit denen in den Bluͤhten, und dieſe wie- derum mit denen in der Furcht verglichen werden, und alle aͤhnliche Formen nur als Erzeugungen aus Einer urſpruͤnglichen weſentlichen Form betrachtet werden: wie viele Formen bleiben uͤbrig, die man in dem Keim als urſpruͤngliche und verſchieden annehmen muß? Nicht Eine mehr, als in dem neuen erzeugten Keime eben ſo enthalten ſind, wie ſie in dem erſtern waren. Der Begriff von den weſentlichen Theilen einer Pflanze oder eines Thiers wird derſelbige ſeyn mit dem Be- griffe von dieſen urſpruͤnglichen Formen, oder Grund- formen. 4. Es kann die Maſſe eines organiſirten Koͤrpers ver- groͤßert werden, ohne Vermehrung der Formen; aber jene ziehet unter gewiſſer Bedingung doch dieſe als eine nothwendige Folge nach ſich. Jch will es hier nur erin- nern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/520
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/520>, abgerufen am 22.11.2024.