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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
Formen nach sich zu ziehen, als in einem Wassertropfen,
wenn ein naheliegender kleiner Tropfen sich damit ver-
einiget, nun zugleich auch die Summe ähnlicher Zwi-
schenräumchen und ähnlicher Lagen der in- und auf ein-
ander wirkenden Partikeln vermehrt seyn muß. Der
Einschlag muß hier zugleich die Kette vergrößern. Das
mindeste zu sagen, so ist in dem Evolutionssystem hier
eine sehr dunkle Stelle; und dennoch ist es diese, wor-
auf alles Eigene desselben beruhet, und worauf die wich-
tigen Folgerungen sich gründen, die man daraus gezo-
gen hat.

3.

Diese Evolutionshypothese kann niemals vollstän-
dig aus Beobachtungen bewiesen werden. Hr. Bonnet
hat alles gethan, was ein scharfsinniger Mann, der sie
einmal angenommen hatte, thun konnte, da er die große
Menge von Erzeugungen, die ihr entgegen zu seyn schie-
nen, so zu erklären gesucht, daß sie sich mit ihr wenig-
stens zusammenbringen lassen. Ob das Anwachsen
neuer Theile von innen heraus geschehe; ob es so
geschehe, daß jedesmal eine Verlängerung, Erweite-
rung und Verdickung schon vorhandener Theile dabey
vorgehe; oder ob auch irgendwo ein Theil durch eine
bloße Apposition der von innen hervorgetriebenen Säfte,
die nachher geformet werden, entspringe: das ist wor-
über die Beobachtung entscheiden kann, und in vielen
Fällen entschieden hat. Aber dieß würde nur eine Ent-
scheidung über diejenige Evolution geben, die mit der
Epigenesis bestehen kann. (III. 5.) Kommen deswe-
gen nicht neue Formen in dem Jnnern hervor? und ist
nicht das Hervorstoßen neuer Zweige und die Ausdeh-
nung der Oberhaut vielmehr eine Folge von den, in dem
Jnnern aufgehäuften, und hier schon geformten Mate-
rien, die sich in solche Lagen gesetzt haben, die sich Raum

zu

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Formen nach ſich zu ziehen, als in einem Waſſertropfen,
wenn ein naheliegender kleiner Tropfen ſich damit ver-
einiget, nun zugleich auch die Summe aͤhnlicher Zwi-
ſchenraͤumchen und aͤhnlicher Lagen der in- und auf ein-
ander wirkenden Partikeln vermehrt ſeyn muß. Der
Einſchlag muß hier zugleich die Kette vergroͤßern. Das
mindeſte zu ſagen, ſo iſt in dem Evolutionsſyſtem hier
eine ſehr dunkle Stelle; und dennoch iſt es dieſe, wor-
auf alles Eigene deſſelben beruhet, und worauf die wich-
tigen Folgerungen ſich gruͤnden, die man daraus gezo-
gen hat.

3.

Dieſe Evolutionshypotheſe kann niemals vollſtaͤn-
dig aus Beobachtungen bewieſen werden. Hr. Bonnet
hat alles gethan, was ein ſcharfſinniger Mann, der ſie
einmal angenommen hatte, thun konnte, da er die große
Menge von Erzeugungen, die ihr entgegen zu ſeyn ſchie-
nen, ſo zu erklaͤren geſucht, daß ſie ſich mit ihr wenig-
ſtens zuſammenbringen laſſen. Ob das Anwachſen
neuer Theile von innen heraus geſchehe; ob es ſo
geſchehe, daß jedesmal eine Verlaͤngerung, Erweite-
rung und Verdickung ſchon vorhandener Theile dabey
vorgehe; oder ob auch irgendwo ein Theil durch eine
bloße Appoſition der von innen hervorgetriebenen Saͤfte,
die nachher geformet werden, entſpringe: das iſt wor-
uͤber die Beobachtung entſcheiden kann, und in vielen
Faͤllen entſchieden hat. Aber dieß wuͤrde nur eine Ent-
ſcheidung uͤber diejenige Evolution geben, die mit der
Epigeneſis beſtehen kann. (III. 5.) Kommen deswe-
gen nicht neue Formen in dem Jnnern hervor? und iſt
nicht das Hervorſtoßen neuer Zweige und die Ausdeh-
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Jnnern aufgehaͤuften, und hier ſchon geformten Mate-
rien, die ſich in ſolche Lagen geſetzt haben, die ſich Raum

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[504/0534] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt Formen nach ſich zu ziehen, als in einem Waſſertropfen, wenn ein naheliegender kleiner Tropfen ſich damit ver- einiget, nun zugleich auch die Summe aͤhnlicher Zwi- ſchenraͤumchen und aͤhnlicher Lagen der in- und auf ein- ander wirkenden Partikeln vermehrt ſeyn muß. Der Einſchlag muß hier zugleich die Kette vergroͤßern. Das mindeſte zu ſagen, ſo iſt in dem Evolutionsſyſtem hier eine ſehr dunkle Stelle; und dennoch iſt es dieſe, wor- auf alles Eigene deſſelben beruhet, und worauf die wich- tigen Folgerungen ſich gruͤnden, die man daraus gezo- gen hat. 3. Dieſe Evolutionshypotheſe kann niemals vollſtaͤn- dig aus Beobachtungen bewieſen werden. Hr. Bonnet hat alles gethan, was ein ſcharfſinniger Mann, der ſie einmal angenommen hatte, thun konnte, da er die große Menge von Erzeugungen, die ihr entgegen zu ſeyn ſchie- nen, ſo zu erklaͤren geſucht, daß ſie ſich mit ihr wenig- ſtens zuſammenbringen laſſen. Ob das Anwachſen neuer Theile von innen heraus geſchehe; ob es ſo geſchehe, daß jedesmal eine Verlaͤngerung, Erweite- rung und Verdickung ſchon vorhandener Theile dabey vorgehe; oder ob auch irgendwo ein Theil durch eine bloße Appoſition der von innen hervorgetriebenen Saͤfte, die nachher geformet werden, entſpringe: das iſt wor- uͤber die Beobachtung entſcheiden kann, und in vielen Faͤllen entſchieden hat. Aber dieß wuͤrde nur eine Ent- ſcheidung uͤber diejenige Evolution geben, die mit der Epigeneſis beſtehen kann. (III. 5.) Kommen deswe- gen nicht neue Formen in dem Jnnern hervor? und iſt nicht das Hervorſtoßen neuer Zweige und die Ausdeh- nung der Oberhaut vielmehr eine Folge von den, in dem Jnnern aufgehaͤuften, und hier ſchon geformten Mate- rien, die ſich in ſolche Lagen geſetzt haben, die ſich Raum zu

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/534>, abgerufen am 22.11.2024.